Datenschutz & Sicherheit
Bundestag macht Weg frei für „Datenautobahn“
Um Verwaltungsleistungen zu beantragen, müssen Bürger*innen den Behörden Nachweise vorlegen – etwa den Reisepass oder die Kopie eines Mietvertrags. Die Daten halten Behörden des Bundes, der Länder und Kommunen in eigenen Registern vor.
Diese Register bestehen derzeit getrennt voneinander und sind im Laufe der vergangenen Jahrzehnte deutlich angewachsen. Denn das Grundgesetz sieht weder eine Mischverwaltung noch einen registerübergreifenden Datenaustausch unter den Behörden vor. Das soll der Staatsvertrag zum National-Once-Only-Technical-System (NOOTS) nun ändern. Dem Staatsvertrag stimmte der Bundestag gestern mit großer Mehrheit zu.
Einmal für alle
NOOTS ist Teil des übergeordneten Vorhabens von Bund und Ländern, die Registerlandschaft in Deutschland zu modernisieren. Das Ziel ist, den Datenaustausch zwischen Behörden zu erleichtern. Dazu gibt es mehrere Einzelprojekte, etwa ein Identifikationsmanagement für das einheitliche Personenkennzeichen oder ein Datenschutzcockpit. Auf die gemeinsame Infrastruktur für den Datenaustausch hatten sich der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschef*innen der Länder bereits im vergangenen Dezember geeinigt.
Konkret sollen öffentliche Stellen elektronische Nachweise aus verschiedenen Registern künftig rechtssicher abrufen können. Im Namen von NOOTS steckt das sogenannte Once-Only-Prinzip. Die Idee dahinter: Bürger*innen und Unternehmen geben ihre Daten nur ein einziges Mal an die Verwaltung weiter. Anschließend tauschen Behörden benötigte Daten untereinander aus, ohne Bürger*innen und Unternehmen – deren grundsätzliches Einverständnis vorausgesetzt – dafür erneut um Erlaubnis bitten zu müssen.
Laut Staatsvertrag soll das Once-Only-Prinzip zunächst für Verwaltungsleistungen gemäß Onlinezugangsgesetz (OZG) umgesetzt werden. Damit wäre es dann Teil der Leistungsverwaltung; die weitere Implementierung und Nutzung soll der IT-Planungsrat steuern.
Warnung vor Missbrauch
Markus Reichel (CDU) pries das Vorhaben in der gestrigen Debatte als „Datenautobahn“, die die digitale Verwaltung schneller und effizienter machen werde. Er versprach, dass der Datenaustausch zwischen öffentlichen Stellen künftig „automatisiert, schnell, kostengünstig und bürokratiearm“ erfolgen könne, weil nicht mehr „die Bürger wandern, sondern die Daten“.
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Als einzige Fraktion stimmte Die Linke gegen den Gesetzentwurf. Bereits bei der ersten Lesung Ende Juni hatte deren Digitalpolitikerin Sonja Lemke davor gewarnt, dass das System in die Eingriffsverwaltung ausgeweitet werden könnte. Außerdem befürchtet sie Datenabfluss und Datenmissbrauch. Es drohe ein Szenario, bei dem auch Sicherheitsbehörden Daten zusammenführen, so Lemke.
Der Begriff Eingriffsverwaltung ist ein Gegenbegriff zur Leistungsverwaltung. Bei letzterer geht es darum, dass Ämter etwa auf einen Antrag hin Elterngeld bewilligen oder eine Geburtsurkunde ausstellen. Die Leistungsverwaltung gewährt den Bürger*innen also vor allem Vorteile oder Unterstützung. Die Eingriffsverwaltung beschränkt hingegen autoritativ die Rechte von Bürger*innen, indem sie ihnen Vorgaben macht oder Sanktionen auferlegt und damit tendenziell stärker in ihre Grundrechte eingreift.
Das Anliegen der Registermodernisierung sei zwar grundsätzlich legitim, sagte Lemke, der Schutzbedarf personenbezogener Daten stehe jedoch nicht im Vordergrund. Vielmehr werde die Steuer-ID als einheitliches Personenkennzeichen eingesetzt. „Was passiert, wenn der Zugang zu Verwaltungsdaten in die falschen Hände kommt, sehen wir gerade auf der anderen Seite des Atlantiks“, so Lemke, „und wir wissen das auch aus unserer Geschichte.“
So geht’s weiter
Der Staatsvertrag gibt den rechtlichen Rahmen für das NOOTS vor. Etliche Fragen etwa zur technischen Umsetzung oder zur IT-Sicherheit der Infrastruktur sind bislang noch ungeklärt.
Für den Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung des NOOTS zeichnet sich das Bundesverwaltungsamt (BVA) verantwortlich. Die Kosten tragen Bund und Länder gemeinsam; sie nutzen dafür die Haushaltsmittel der Föderalen IT-Kooperation (FITKO). Ab 2027 soll die FITKO 53,4 Prozent der Kosten tragen, der Bund übernimmt 46,6 Prozent. Laut Bundesregierung entstehe beim BVA ein „dauerhafter finanzieller und stellenmäßiger Mehrbedarf in Höhe von 2,8 Millionen Euro“.
Bis Ende 2025 soll der IT-Planungsrat einen Prototyp für NOOTS entwickeln und vorstellen, so Reichel. Er betonte gestern zudem, dass die EUDI-Wallet hier „als europäische Brücken- und Ergänzungstechnologie“ eine zentrale Rolle einnehmen werde.