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Die größte Wirkung kann KI entfalten, wenn sie im Maschinenraum wirkt


encentive aus Neumünster, 2020 von Nicolàs Juhl, Torge Lahrsen, Daniel Ehnes, Sascha Greve gegründet, entwickelt eine KI-basierte Software “die den Stromverbrauch aus der Industrie automatisch in Zeiträume mit überschüssiger, erneuerbarer Energie verschiebt und so zu erheblichen Einsparungen bei Kosten und Emissionen sorgt”. Der bekannte US-Investor General Catalyst, Summiteer, SIVentures, Vireo Ventures, HelloWorld sowie Stefan Müller und Bernhard Niesner investierten kürzlich 6,3 Millionen Euro in das Startup.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Firmenchef Nicolás Juhl einmal ausführlich über den Stand der Dinge bei encentive.

Wie würdest Du Deiner Großmutter encentive erklären?
Wir unterstützen Unternehmen dabei, Energiekosten zu senken. Unsere KI schaut, wann Strom gerade grün und günstig ist – zum Beispiel wenn die Sonne scheint – und fährt dann den Energieverbrauch der Industrieanlagen hoch. So sparen die Unternehmen Geld und tun gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Heute steuert unsere KI große, industrielle Maschinen. Angefangen haben wir mit viel kleineren Anlagen: Zu Beginn haben wir uns aber den Gebäude- und Haushaltsbereich angeschaut und beispielsweise untersucht, wie man eine Haushaltswärmepumpe intelligent steuert. Das Konzept war aber dasselbe: Wir wollten von Anfang dafür sorgen, dass Erneuerbare Energien effizienter genutzt werden. Zur Industrie sind wir gewechselt, da wir hier mit einzelnen Industriestandorten riesige Mengen Energie – damit auch Kosten und CO2 einsparen können. Ein einziger Industriestandort, der von uns gesteuert wird, spart so viel Energie und somit CO2 wie tausende Einfamilienhäuser.

Welche Rolle genau spielt Künstliche Intelligenz bei Euch?
Nachdem KI und KI-Agenten lange im Fokus waren, sehen wir in der Industrie ganz deutlich: Die größte Wirkung kann KI dann entfalten, wenn sie im Maschinenraum wirkt und dort physische Kräfte bewegt. Diese Anlagen sind hochkomplex und laufen im Verbund nach Produktionsplänen, die von sehr vielen verschiedenen Variablen abhängen. Unsere KI verbindet und analysiert die Daten aus diesen Industrieanlagen, Energiepreisen und Erneuerbarer Energieerzeugung und steuert die Anlagen automatisch in Echtzeit. Das heißt: Sie greift nicht nur auf Dashboards zu, sondern steuert tatsächlich direkt in den Maschinenräumen – von Kühlanlagen über Heizprozesse bis hin zu Batterien. KI ist also nicht ein Add-on, sondern der Kern unseres Produktes und schlägt die Brücke zwischen Industrie und Energiewende.

Wie hat sich encentive seit der Gründung entwickelt?
Seit der Gründung hat sich unser Unternehmen sehr stark entwickelt. Aus einem kleinen Kernteam ist ein Team von mittlerweile rund 30 Mitarbeitenden an drei Standorten entstanden – und wir stehen jetzt vor der nächsten Wachstumsphase. Auch wirtschaftlich konnten wir zulegen: Mit einem Umsatz im siebenstelligen Bereich haben wir uns bereits als relevanter Player im Markt etabliert.

Zuletzt konntet ihr Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
KI auf die Maschine zu bringen, um die Industrie zu dekarbonisieren, war zu unserem Start eine große Vision, daher haben zu Anfang hauptsächlich Vordenker und Experten aus der Energiebranche in uns investiert, z.B. Stefan Müller von Enerparc, Philipp Pausder von Thermondo, Sven Heiligtag von Vireo und Wilfried Gilrath von Lichtblick. Nachdem wir in der Energieexpertise so stark aufgestellt waren, haben wir bei der Auswahl der Investoren für diese Runde darauf geachtet, einen Generalisten mit internationalem Footprint zu finden, der kulturell zu uns passt. General Catalyst hat bereits kategorie-definierende Unternehmen mit europäischem Fokus unterstützt und verfügt über ein starkes Netzwerk, auch in den USA. Das hat uns überzeugt.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Als wir zum allerersten Mal begonnen haben, unsere Plattform flexOn bei einem Kunden zu integrieren, haben wir rein von der technischen Ebene gedacht. Welche Verbindungen müssen wo hin? Wie wird die Verbindung zur Cloud hergestellt? Wie kommen die Sollwerte aus unserer KI bis auf die Maschine? Die Inbetriebnahme hat fast ein halbes Jahr gedauert. Heute wissen wir: Der Mensch vor Ort spielt eine extrem wichtige Rolle. Zum einen sind unsere Prozesse jetzt standardisiert, für über 20 verschiedene Industrieanlagen. Aber auch unsere Philosophie hat sich verändert. Heute werden die MitarbeiterInnen bei unseren Kunden, von AnlagenführerInnen über das Energiemanagement bis hin zur Geschäftsführung alle einmal abgeholt, bevor es an die Technik geht. So können unsere Kunden unsere intelligente Energiemanagement-Plattform flexOn in unter 2 Monaten in Betrieb nehmen.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, zwei Gruppen von Ingenieuren zusammenzubringen, die einander sonst nicht begegnen: sehr erfahrene Hardware-Ingenieure aus der Industrie, insbesondere dem produzierenden Gewerbe, und Software-Ingenieure aus der DeepTech- und KI-Szene, die Ihre Arbeitserfahrung in hoch dynamischen Start-ups und Scale-ups gesammelt hatten. Unsere Hardware-Spezialisten kommen dabei direkt aus der Welt unserer Kunden – sie kennen die Maschinen und die operativen Herausforderungen im Detail. Sie lieben es, mit ihren Software-Counterparts unsere Plattform zu entwicklen. Denn früher haben sie einzelne Anlagen optimiert, eine nach der anderen. Heute optimiert die Plattform, die sie entwickelt haben, tausende Assets gleichzeitig.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer;innen mit auf den Weg?
Zwei Tipps, die für uns in Kombination funktioniert haben: Don‘t be afraid of the dark and do the hard things first. Als wir den Schritt von der Haushaltswärmepumpe zu den Industriemaschinen gegangen sind, war uns klar, dass die KI in den Maschinenraum eines Industrieparks zu bringen, wesentlich langwieriger und komplexer wird. Aber ohne die Steuerung der Anlagen, wie wir sie heute den Kunden bieten, wäre encentive nur ein weiteres Dashboard, das zwar Energieflüsse anzeigt, aber nicht steuert und somit auch das Problem nicht wirklich löst. Die ersten Jahre, in denen wir die Anlagen verstehen mussten und uns Kunden für Kunde das Vertrauen erarbeiten mussten, zahlen sich heute aus und ein Core-Value unseres Teams ist: Do the hard things first. Und, bezogen auf den Maschinenraum: Don’t be afraid of the dark. Denn dort liegt die größte Wertschöpfung.

Wo steht encentive in einem Jahr?
Wir sehen das Flexibilisierungspotential der Industrie in drei Wellen: Kälte als Energiespeicher, da kommen wir her und sind Marktführer. Jetzt kommt die große Batteriewelle. In einem Jahr werden wir der Standard sein für die Optimierung von Industrie-Batteriespeicher und uns bereit machen für die dritte Welle: die Elektrifizierung der Wärme. Wir investieren im nächsten halben Jahr stark in unser Team auf der technischen Seite und werden uns sowohl bei den Hardware- als auch Software-Ingenieuren verdoppeln. Auf der Vertriebsseite haben wir große Partnerschaften mit Stromversorgern, Verteilnetzbetreibern und Stromhändlern, sodass wir in einem Jahr den Großteil unserer Kunden über unsere Partner anbinden werden. 

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Foto (oben): encentive



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