Künstliche Intelligenz

Drei Jahre ChatGPT: Von „Wow“-Momenten und Umweltzerstörung


Es war ein Tag, nach dem sich auf der Welt vieles ändern würde: am 30. November 2022 ging ChatGPT online, der inzwischen weltbekannte KI-Chatbot des Entwicklers OpenAI. Er stellte alle vorherigen in den Schatten: Die neue Anlaufstelle für Schreibhilfe, Trainingspläne und vieles mehr sorgte für so manchen Wow-Moment. Möglich machte es das LLM GPT-3.5 im Hintergrund.

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Inzwischen bei GPT-5 angekommen, zählt der beliebte Chatbot rund 800 Millionen aktive Nutzer pro Woche weltweit (Stand: Juli 2025). Zuletzt sind die Zahlen nochmal kräftig gestiegen: im März waren es erst 500 Millionen Nutzer. Diese Zahlen teilte OpenAI heise online mit. Deutschland ist demnach auf dem vierten Platz der ChatGPT-User weltweit, eine konkrete Zahl nennt OpenAI dafür nicht.

Am häufigsten nutzen Menschen ChatGPT hierzulande fürs Schreiben oder Lektorat, für Ratschläge und Anleitungen, Informationssuche, Gesundheits-, Fitness- und Schönheitstipps, Lernen, Nachhilfe und Unterrichten, Coaching und Unterstützung beim Erreichen persönlicher Ziele.

Nicht einmal die Sängerin Helene Fischer ist vor dem LLM sicher. Das zählt allerdings eher zu den Schattenseiten des Trends. Für das Training seiner LLMs bediente sich OpenAI massenhaft urheberrechtlich geschützter Inhalte wie Bücher, Nachrichtenartikel oder Musik. Autoren, Künstler und Verlage fühlten sich ihrer Werke beraubt und zogen gegen OpenAI vor Gericht. So musste der KI-Hersteller sich unter anderem gegenüber der New York Times, mehreren großen indischen Nachrichtenmedien, US-Buchautoren und auch der GEMA in Deutschland verantworten.

Das Landgericht München entschied im November zugunsten der klagenden GEMA, dabei war es auch um Songs von Megastars wie Helene Fischer und Herbert Grönemeyer gegangen, mit denen ChatGPT offenbar trainiert wurde. Doch im Allgemeinen ist die Frage, wie mit urheberrechtlichem Material bei LLM-Training korrekt umgegangen werden kann, noch lange nicht geklärt. Längst läuft eine hitzige Debatte darüber.

All jene, die mit ihren KI-Modellen auf der Welle reiten, die ChatGPT entfacht hat – zum Beispiel Meta, Anthropic und Google – stehen OpenAI bei mutmaßlichen Urheberrechtsverstößen jedoch in nichts nach. Im Rennen um die beste KI scheint das Gesetz nicht immer eine Rolle zu spielen. Meta-Chef Mark Zuckerberg wies seine Mitarbeiter einmal sogar explizit an, Bücher aus illegalen Tauschbörsen herunterzuladen, um an Trainingsmaterial zu kommen.

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Mit ChatGPT präsentierte OpenAI eine Innovation, die jeder versteht und die in nahezu jedem Lebensbereich zum Einsatz kommen kann. Auf dem Kapitalmarkt sorgte sie für einen Boom, den viele heute schon als eine „KI-Blase“ bezeichnen. Die sieben wertvollsten Unternehmen im Aktienindex S&P 500, Nvidia, Microsoft, Meta, Amazon, Apple, Alphabet und Tesla sind fast alle wichtige Akteure im KI-Sektor. Und sie sind auch für fast die Hälfte der Gewinne im Referenzindex seit der Veröffentlichung von ChatGPT verantwortlich. Großer Gewinner des Trends ist GPU-Hersteller Nvidia. Durch das Geschäft mit KI-Beschleunigern ist die Firma inzwischen mehr als fünf Billionen Dollar wert – als erstes Unternehmen jemals. OpenAI selbst ist nicht an der Börse, Microsoft ist jedoch an dem Unternehmen beteiligt, beide haben eine Partnerschaft bei der Entwicklung von ChatGPT.

Etliche KI-Startups mit teils eigenartigen Geschäftsideen schossen seit 2022 aus dem Boden. Der Harvard Economist analysierte im Oktober, dass 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukt-Wachstums der USA in diesem Jahr auf dem Boom rund um KI-Rechenzentren basieren. Manch einer fühlt sich bei all dem an die Dotcom-Blase Ende der 1990er und anfangs der 2000er-Jahre erinnert. Zahlreiche Banken und selbst OpenAI-Chef Sam Altman sprachen inzwischen von einer möglichen KI-Blase, die platzen könnte. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) geht davon aus, aktuelle KI-Systeme könnten bereits 11,7 Prozent des US-Arbeitsmarkts ersetzen.

Doch nicht nur die Wirtschaft hat der Release von ChatGPT verändert. Auswirkungen auf die Umwelt betrachtet die KI-Branche seitdem als ähnlich zweitrangig wie so manches Urhebergesetz. Für das Training und den Betrieb von ChatGPT wurden in der Vergangenheit teilweise große Mengen Wasser verbraucht. Konkrete Zahlen gibt es zu einem der beteiligten Rechenzentren von Microsoft in West Des Moines im US-Bundesstaat Iowa. Im Juli 2022 entfielen demnach 6 Prozent des im gesamten Distrikt verbrauchten Wassers auf Microsoft.

Und auch der Stromhunger für KI-Training ist groß: Microsoft will deshalb ein altes US-Atomkraftwerk wieder ans Netz bringen und Mini-AKWs bauen. Auch Meta, Google und Amazon wollen für KI auf Kernkraft setzen. Die Technologie ließ die CO2-Emissionen bei Microsoft im vergangenen Jahr um bis zu 40 Prozent steigen, bei Google waren es 13 Prozent.

Die ChatGPT-Schmiede OpenAI begann im Jahr 2015 als Startup in San Francisco, zu dessen knapp ein Dutzend Gründern Altman und auch Tech-Milliardär Elon Musk gehörten. Ziel ist es bis heute, eine Allgemeine Künstliche Intelligenz (AGI) für die Menschheit zu entwickeln – eine KI, die allgemeiner menschlicher Intelligenz ebenbürtig ist. Zu diesem Zweck firmierte OpenAI bis vor kurzem noch als Non-Profit-Organisation. Auf Druck seiner Geldgeber musste OpenAI sich aber in eine For-Profit-Struktur umwandeln.

Auf seine Financiers ist OpenAI auch dringend angewiesen, durch ChatGPT allein wäre das Unternehmen wohl kaum überlebensfähig. Dazu gehören Tech- und Investmentunternehmen wie Nvidia, Microsoft und Softbank. In diversen Finanzierungsrunden flossen insgesamt 57,9 Milliarden Dollar. Weiteres Geld dürfte folgen, Nvidia kündigte kürzlich etwa eine 100-Milliarden-Dollar-Investition an.

Immer noch Peanuts gegen das, was OpenAI in den kommenden Jahren ausgeben will. Im September hat sich Altman etwa dazu verpflichtet, mehr als 26 Gigawatt Kapazität von Oracle, Nvidia, AMD und Broadcom zu übernehmen. Kostenpunkt in den nächsten zehn Jahren: weit über eine Billion US-Dollar nach Berechnungen der Financial Times.

Zuletzt machten die ChatGPT-Entwickler ein gewaltiges Minus. OpenAI veröffentlicht zwar keine Geschäftszahlen. Microsoft besitzt jedoch 27 Prozent der Unternehmensanteile und weist in seinem Geschäftsbericht Verluste oder Gewinne dieser Beteiligung aus. Hochgerechnet sind es dann 11,5 Milliarden Dollar Miese, die OpenAI im dritten Quartal gemacht hat.

ChatGPT bringt kaum Geld ein, betrachtet man die gegenüberstehenden Kosten. OpenAI erziele einen jährlichen wiederkehrenden Umsatz von rund 13 Milliarden US-Dollar. Davon stammen 70 Prozent von Verbrauchern, die ChatGPT nutzen, berichtet die Financial Times unter Berufung auf OpenAI-Kreise. 23 Euro im Monat kostet ein ChatGPT-Plus-Abo in Deutschland, die Pro-Version gibt es für 299 Euro.

Auf dieses Thema sollte man Altman lieber nicht ansprechen. Der US-Investor Brad Gerstner konfrontierte Altman in seinem Podcast damit, dass OpenAI jährlich etwa 13 Milliarden US-Dollar einnimmt, aber bereits eine Billion an Ausgaben vertraglich zugesichert habe. Die Antwort: „Zunächst einmal erzielen wir weitaus höhere Einnahmen.“ Wie sie das machen, erklärt Altman allerdings nicht. „Zweitens, Brad, wenn du deine Anteile verkaufen möchtest, finde ich einen Käufer für dich.“ Er räumte aber auch ein, dass OpenAI es noch vermasseln könne – aber nur, wenn sie nicht ausreichend Zugang zu Rechenressourcen bekämen.

Die horrenden Kosten für Betrieb und Weiterentwicklung von ChatGPT scheinen Altman nicht im Geringsten zu interessieren. Für ihn scheint nur das große Ziel AGI zu zählen – und auf dem Weg dorthin alle Mitbewerber in ihrem Gigantismus zu übertrumpfen. Drei turbulente Jahre liegen hinter ChatGPT – die kommenden drei werden sicherlich nicht weniger spannend. Auch im Hinblick auf alle anderen KI-Generatoren wie OpenAIs Sora für Videos, Grok von Elons Musks X-AI und Adobes Firefly. Deren rasante Entwicklung wäre ohne den Erfolg von ChatGPT kaum möglich gewesen.


(nen)



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