Künstliche Intelligenz
EU-Parlament: Ruf nach Alterskontrolle im Internet ist heftig umkämpft
Das EU-Parlament diskutiert aktuell sehr kontrovers über die Einführung einer EU-weiten Pflicht zur Altersverifikation im Internet. Anlass ist der Berichtsentwurf von Verhandlungsführerin Christel Schaldemose (Sozialdemokraten) zum geplanten Digital Fairness Act. Die Dänin will damit den Schutz Minderjähriger online verbessern. Sie schlägt etwa vor, eine einheitliche, schwer umgehbare Lösung zur Alterskontrolle zu schaffen.
Die Idee stößt auf Unterstützung, aber auch auf Widerstand. Der Vorschlag hat bereits Hunderte von Änderungsanträgen von EU-Abgeordneten aus allen Fraktionen ausgelöst. Die Positionen sind sehr unterschiedlich: CDU/CSU und andere Konservative aus der Europäischen Volkspartei (EVP) wollen die strengsten Regeln. Sie drängen auf eine verpflichtende Alterskontrolle auf Geräten, in App-Stores, sozialen Netzwerken und bei Web-Diensten. Sie verlangen sogar eine verpflichtende Identifizierung aller Nutzer, was die Anonymität im Netz gefährden dürfte.
Die Gruppe der Sozialdemokraten (S&D) ist sich noch uneins. Einige ihrer Angehörigen unterstützen die Idee einer verpflichtenden Alterskontrolle, während andere die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen infrage stellen. Die liberale Renew-Fraktion fordert ebenfalls eine verpflichtende Altersüberprüfung, ohne dabei die potenziellen Risiken entsprechender Instrumente für die sonst von ihr hochgehaltenen Bürgerrechte ausreichend zu berücksichtigen.
Noch keine klare Linie erkennbar
Rechtspopulisten (Patrioten für Europa und ECR) drängen auch auf eine Altersverifikation, knüpfen ihre Zustimmung aber an Bedingungen: Die Maßnahmen dürften die Meinungsfreiheit nicht einschränken, nicht zur Überwachung führen und sollen auf nationaler Ebene entschieden werden. Letztlich müssten die Eltern das Sagen haben. Allein die Fraktionen der Grünen und Linken lehnen eine verpflichtende Alterskontrolle entschieden ab.
Bislang zeichnet sich so noch keine klare Mehrheit für eine durchgängige, verpflichtende Altersüberprüfung ab, aber auch keine dagegen. Der Bericht von Schaldemose könnte dazu führen, dass dieses Werkzeug als akzeptable Maßnahme im politischen Diskurs verankert wird – trotz seiner Schwachstellen: Laut einer Studie für die Volksvertreter ist Altersverifikation im Internet zwar nötig, in Demokratien aber gar nicht machbar.
Was sagen Bürgerrechtler und Jugendschützer?
Parallel hat die EU-Kommission Leitlinien zur rechtlichen Auslegung von Artikel 28 Digital Service Act (DSA) veröffentlicht. Die Klausel besagt, dass Online-Plattformen „Maßnahmen ergreifen müssen, um ein hohes Maß an Privatsphäre und Sicherheit für Minderjährige zu gewährleisten“. Als ein Mittel dazu betrachtet auch die Kommission eine App zur Alterssicherung, die fünf Mitgliedsstaaten derzeit testen.
Kritiker befürchten, dass mit dem Ansatz die eigentlichen, tiefer liegenden Probleme des Jugendschutzes nicht angegangen werden. Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) warnt: „Dieser zu enge Fokus auf die Altersbeschränkung verschleiert die Tatsache, dass die systemischen Designentscheidungen auf Plattformebene die eigentliche Ursache für Schäden sind, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen betreffen.“
Die Kinderschutzorganisation ECPAT gibt zu bedenken: „Das Recht eines Kindes auf Online-Sicherheit kann niemals durch die Implementierung von Alterssicherungstechnologien auf ausgewählten Websites oder Plattformen gewährleistet werden.“ Es wäre besser, Inhalte für alle Altersgruppen anzupassen.
(vbr)