Social Media
Feed und Fudder Podcast 66 – Entertainment first! Social Media im Wandel
Entertainment-Shift im Social Marketing: Unterhaltung gewinnt an Bedeutung gegenüber Vernetzung, wenn die User*innen ihre Social Media Apps nur noch zum passiven Konsum von Unterhaltungsformaten nutzen. Wir sprechen im Feed und Fudder Podcast, was dieser Wandel eigentlich für alle Social Media Manager*innen bedeutet?
Die Folgen sind längst absehbar: Es wird immer herausfordernder, Reichweite zu erzielen. Videoinhalte sind das entscheidende Format, und ohne entsprechendes Budget für ansprechenden Content taucht man kaum noch in den Feeds auf.
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Transkript Feed und Fudder Podcast Folge 66 – Entertainment first! Social Media im Wandel
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Hier gibt es das Transkript zu Folge 66 – Entertainment first! Social Media im Wandel
Transkript
Nicola
Hallo und Servus zu einer neuen Folge Feed & Fudder mit Alex und mir, der Nici.
Alexander
Hallo, herzlich willkommen. Schön, wieder da zu sein.
Nicola
Immer wieder freitags. Ja, diese Woche haben wir ein nettes Thema, denn es geht um Unterhaltung und das ist erstmal positiv. Weg von Skandalen, Hass und Hetze, weg von politischen News, weg von Krieg vielleicht. Wir sind im entertainigen Format. Und wir haben dieses Mal auch ein paar Wins mitgebracht. Keine Fails, nur Wins. Deswegen freue ich mich total, dass wir heute über Entertainment reden. Entertainment First im Social Media.
Und warum wir darüber reden, ist erstmal eine Beobachtung, die wir beide unabhängig voneinander schon länger machen. Und zweitens hast du deine Gedanken sehr löblich und vorbildlich zusammengefasst auf dem AllSocial Blog.
Alexander
Da werde ich jetzt ganz rot.
Nicola
Ich bin faul, ich habe es nicht gemacht. Ich lasse mir von dir erzählen, was du dir dabei gedacht hast.
Alexander
Ist auch eine Lösung. Wir haben gestern auf dem AllSocial Blog einen Artikel veröffentlicht mit ein paar Gedanken zu diesem Entertainment Shift. Was ist der Entertainment Shift auf Social Media? Der besagt ganz kurz, dass das “Socia”l in Social Media verschwindet und das “Media” immer wichtiger wird. Früher haben wir uns auf diesen Netzwerken – wer kennt noch StudiVZ oder meinVZ – registriert, weil wir uns mit Leuten aus dem Offline-Leben virtuell verknüpfen und austauschen wollten.
Wenn man sich damals bei Facebook angemeldet hat, war der virtuelle Freundeskreis meist identisch mit dem echten. Man hat gefragt: „Darf ich dich adden?“ Und so hat man sich seine Kontaktliste aufgebaut. Im Feed hat man dann die Leute gesehen, denen man folgt – sortiert nach Interaktion. Da gab es auch Funktionen wie „Anstupsen“. Und dieses “Social” ist auf den Plattformen massiv zurückgegangen.
Stattdessen werden Social-Media-Plattformen zu Entertainment-Plattformen wie YouTube oder Netflix. Es geht mehr und mehr darum, Social Media passiv zu konsumieren, vor allem Unterhaltungsformate, analog zu YouTube-Videos oder Serien auf Netflix. Das ist dieser Entertainment Shift. Und darüber wollen wir heute sprechen: Was bedeutet das für uns als Social Media Managerinnen und Manager, wenn wir künftig Kanäle betreuen?
Nicola
Diese Ankündigung, dass es diesen Shift geben wird, ist schon sehr alt. Ich erinnere mich, dass schon 2019 darüber gesprochen wurde: Video wird wichtiger, Social Media wird mehr entertainig. Und trotzdem hat es relativ lange gedauert. Ich finde, jetzt kann man sagen, dass wir an einem Wendepunkt sind, wo ein Großteil des Contents genau das ist. Es ist unterhaltsam, hat einen seriellen Charakter, ist geskriptet.
Und auch wenn du das Gefühl hast, es wäre real – ist es oft nicht real. Bei vielen Creatoren ist es eine Show. Sie sind Schauspieler ihres Lebens. Im Endeffekt ist es eine große Reality-Show. Das ist ein interessanter Gedanke, denn die Idee ist alt, aber es hat einige Jahre gedauert, bis der Shift wirklich da ist. Es ist eigentlich Entertainment mit Interaktionsfeature, kann man ehrlich so sagen.
Alexander
Und witzigerweise: Die Creator Economy hat schon immer nach diesem Prinzip gelebt. Was wir jetzt mit diesem Shift meinen und was du gesagt hast, dass es jetzt soweit ist, betrifft vor allem die Feeds der Algorithmen. Natürlich können Plattformen ihre Algorithmen jederzeit ändern, aber Stand jetzt sieht man: LinkedIn ist eine Ausnahme. Dort sieht man noch viele direkte Kontakte im Feed. Aber auf Instagram und anderen Plattformen sieht man vermehrt keine persönlichen Kontakte mehr. Die tauchen zwar noch auf, aber das, was von den Algorithmen hochgespült wird, sind Entertainment-Inhalte.
Nicola
Ja, und das eine ist dieses Weggehen von den Followern. Der Feed ist ein endloser Strom unterhaltsamer Videos – unabhängig davon, ob du den Accounts folgst. Das ist das TikTok-Prinzip. Auch bei YouTube merkt man das und Meta setzt ebenfalls darauf. Das andere ist die Entwicklung beim persönlichen Content. Urlaubsfotos auf Instagram kannst du vergessen, die bekommen keine Reichweite mehr.
Früher war das anders: Wenn du etwas aus deinem Leben geteilt hast, hattest du Reichweite. Einerseits ist das plattformgetrieben, weil die Plattformen wissen: Persönlicher Content scheint nicht so beliebt zu sein und funktioniert auf Dauer nicht so gut. Und bei den Creatoren, die ständig produzieren, wenn du jede Woche mehrfach etwas veröffentlichen willst, muss es irgendwann gescriptet sein.
Alexander
Du hast gerade so oft das Wort „Produktion“ gesagt und das ist tatsächlich eine Auswirkung. Der Produktionsaufwand, vor allem bei Entertainment First, betrifft fast ausschließlich Videoformate. Der Aufwand für Videocontent steigt. KI hilft da nur bedingt. Videos müssen trotzdem geschnitten und formatiert werden. Du brauchst ein Drehbuch, eine Struktur. Diese Creators machen nichts zufällig, das ist alles durchgeskriptet. Wenn ihr professionelle Kanäle betreut: Am Thema Video kommt man nicht mehr vorbei.
Nicola
Ja, viele Influencer haben ihre Reichweite mit klassischen Bildposts aufgebaut. Und genau die strugglen jetzt, weil sie nur noch mit Videos Reichweite bekommen. Video ist aufwendig. Du brauchst ein Skript. Bei einem Bild zählt die Visualität. Du kannst inszenieren. Bei einem Video brauchst du Anfang und Ende, einen Hook, einen Abbinder. Das bedingt das Format. Damit bist du automatisch in einer Story-Schleife. Und wenn du das regelmäßig machst, jede Woche, brauchst du irgendwann Inhalt. Und was brauchst du dann? Einen aufeinander aufbauenden medialen Fall. Wenn du seriell arbeitest, brauchst du Formate. Und dann bist du schon wieder in der TV-Logik.
Alexander
Und witzigerweise, ist schon ein bisschen her, Instagram hatte ja mal sein Feature Instagram TV.
Nicola
Ja, total. Ich meine, das hat damals nicht so gut funktioniert, aber im Grunde sind es zwei Aspekte. Was treibt die Plattform? Es ist natürlich die Monetarisierung. Videos lassen sich viel höherpreisig monetarisieren, und dann brauchst du aber recht viel Content. Videocontent ist aufwendiger, und somit bleibt nur ein gewisser Pool an Produzenten übrig. Das sind dann Creator, die es schaffen, regelmäßig zu produzieren.
Ich hatte letztens ein Video gesehen, auf LinkedIn, da wurde das Studio eines Creators aus den USA vorgestellt. Die kapern gerade mehr oder weniger die Hollywood Studios – also dort, wo früher Serien und Filme gedreht wurden. Das sind jetzt komplette Sets für Creator. Da gibt es einen Supermarkt, ein Friseurstudio und alles. Auf einer immensen Fläche komplette Sets, wo Creator ihre seriellen Entertainment-Formate drehen können. Und da dachte ich mir: Das ist einfach die krasse Konsequenz aus der Situation.
Alexander
Ich hatte vor kurzem auch gelesen, dass sich die Plattformen gar nicht mehr so sehr untereinander als Konkurrenten sehen, sondern jetzt vor allem Netflix angreifen wollen und Marktanteile gegenüber YouTube zurückgewinnen möchten. Es geht nur noch um Aufmerksamkeit und um den Faktor Zeit. Also: Wo schaust du dir deinen Videocontent an?
Bei YouTube oder auf Instagram? Darum geht es. Und wichtig ist: Du musst nicht nur viel produzieren, es muss seriell sein. Du musst die Leute bei Laune halten, es darf nicht langweilig sein. Ich glaube, bei dieser Langweile werden viele B2B-Accounts Schwierigkeiten bekommen. Denn ehrlich gesagt: B2B-Content ist oft ziemlich langweilig.
Nicola
Im Verhältnis ist es halt keiner. Der Witz ist: Gehen wir mal historisch zurück. Die Seifenopern, also die Soaps, sind ursprünglich Commercials. Das ist ganz witzig, denn diese klassischen Soaps waren kommerzielle Unterhaltungsformate. Daher auch der Name „Soaps“, weil dort Seifen und Waschmittel beworben wurden. Und irgendwie sind wir jetzt wieder an dieser Stelle.
Es gibt ja gute Beispiele von Brands, die das auf TikTok hinbekommen. Die Schwarzgruppe mit Lidl hatte mal eine serielle Geschichte über Discounter. Die Deutsche Bahn – ich glaube, da haben wir auch drüber geredet – versucht es gerade mit Anke Engelke.
Alexander
Sogar richtig klassisch im Serienformat. Das ist eine Serie, angepasst auf das 9:16-Format, mit kürzeren Spots, abgestimmt auf die Aufmerksamkeitsspanne von Reels und ähnlichen Formaten.
Nicola
Genau. Es ist voll die klassische Seifenoperlogik.
Alexander
Ist eine Seifenoper.
Nicola
Ja, mit Schauspielern. Auch eine Anke Engelke ist natürlich eine bekannte Person, aber sie ist Comedian und Schauspielerin. Und es ist so produziert wie eine Soap – mit Charakteren, mit kleinen Geschichten, die da passieren. Und da merkt man: Okay, warum soll die Deutsche Bahn das machen? Es macht eigentlich keinen Sinn, eine Serie zu drehen. Aber warum sie es jetzt machen und nicht vor fünf Jahren, liegt daran, dass es jetzt funktioniert. Die Feeds belohnen genau das.
Alexander
Spätestens jetzt ist der Moment, wo man aufhören muss, langweiligen Content zu prüfen. Klingt erstmal lustig, aber gerade im B2B: Wie oft kennen wir das klassische Wasserzeichen, 80.000 Freigabeschleifen, es müssen mindestens 30.000 Produktnamen erwähnt werden, jeder will mitreden. Hat eigentlich noch nie funktioniert, aber jetzt funktioniert es erst recht nicht.
Nicola
Krass ist aber, wenn man schaut – wir hatten es gerade über Produktion – was braucht man dafür? Im Social-Bereich, wenn man nochmal guckt: Social-Media-Manager haben den Skill, Serien zu drehen, eigentlich nicht originär. Das ist nicht einfach da. Und das ist schon eine Herausforderung: Brauche ich eine externe Produktionsfirma? Wie teuer ist das? Wie lange will ich das überhaupt machen? Gibt es Episoden? Es ist eine klassische TV-Logik. Und im Prinzip brauchst du jetzt Know-how und Produktionsskills für eine serielle TV-Produktion. Vielleicht ein bisschen günstiger, weil die Technik billiger ist – aber von der Logik her ist es das Gleiche.
Alexander
Das ist auch meine Meinung. Der Entertainment-Shift hat große Auswirkungen. Als Social Media Managerin oder Manager musst du dich mehr mit dieser Videologik auseinandersetzen. Du musst nicht selbst zum Videoexperten werden – du kannst jemanden buchen oder eine Produktionsfirma beauftragen. Aber du musst die Formatlogik verstehen. Du musst dir diese Denkweise aneignen: serielle Formate, Unterhaltung, Dramaturgie. Es bringt nichts, wenn dein erstes Video ein Knaller ist und die restlichen nichts taugen.
Nicola
Es ist eine große Herausforderung. Es ändert viel. Und der schmale Grat ist: Entertainment ist Unterhaltung. Es ist oft humorvoll, laut, oder da steckt eine echte Herzensgeschichte dahinter. Das sind Geschichten. Storytelling wird wichtiger. Aber inwiefern kann ich das als Unternehmen überhaupt abbilden – oder will ich das überhaupt? Wenn ich ein B2B-Unternehmen bin, ist das gar nicht so einfach.
Alexander
Ne, es ist richtig schwer. Aber du musst bedenken: Wenn du es nicht kannst oder nicht willst, tauchst du in den Feeds nicht mehr auf.
Nicola
Es ist super schwer. Was interessant wird – und das merkt man jetzt – ist, warum viele Brands auf Influencer-Marketing setzen oder mit Creatoren kooperieren. Sie sagen: Die Creator haben serielle Formate, die funktionieren. Wir können das nicht – also sneaken wir uns da rein. Oder klassisches Paid. Die klassische Media-Logik: Jemand produziert Inhalt auf einer Plattform – früher TV, heute Streaming, YouTube, TikTok – und ich setze meine Werbung dran.
Alexander
Oder natürlich die klassischen Produktplatzierungen.
Nicola
Oder klassisch, genau. Eigentlich sind wir schon wieder in dieser sehr old-school-Logik.
Alexander
Wir gehen gerade ein paar Jahre zurück.
Nicola
Ja, auch früher war es schon so, dass viele Brands keine eigenen Formate hatten. Abgesehen davon gibt es ja das Medienrecht, also den Staatsvertrag, der regelt, dass Content von Unternehmen als Commercial gekennzeichnet werden muss. Auch wenn es inhaltlich komplett durchgeskriptet ist, muss es als Werbung erkennbar sein. Das ist nochmal ein eigenes Thema. Das müsste im Social-Bereich eigentlich auch gelten. Wenn ich jetzt als Deutsche Bahn etwas poste, ist das offensichtlich. Der Account ist ein Commercial-Account, und damit ist es abgedeckt. Aber letztlich sind es kommerzielle Inhalte. Unterhaltsame Commercials.
Alexander
Solche professionellen oder gewerblichen Accounts wetteifern ja auch darum, dass man nicht nur ihre Inhalte anschaut, sondern auch darüber spricht. Über die Bahnserie mit Anke Engelke wurde viel gesprochen. Das ist ein bisschen wie früher bei „Wetten, dass…“ – da gab es montags danach die Schlagzeilen. Jetzt fangen wir wieder an, über Serien zu sprechen.
Nicola
Absolut. Neuer Wein in alten Schläuchen, sagt man so, oder? Ich sage Sprichwörter immer falsch. Aber wo wir beim Food-Thema sind – der schöne neue Wein, es ist Herbst, wir hier in der Rheinebene. Im Prinzip ist es genauso. Am Ende des Tages lohnt sich für B2B-Unternehmen die Überlegung: Kann ich im Entertainment-Sektor mithalten? Habe ich die Budgets? Habe ich das Know-how oder muss ich es extern einkaufen? Und wenn ja, wie denke ich PR gleich mit?
Denn im Idealfall – und das ist bei anderen Reality-Formaten oder generell bei seriellen Formaten auch so – willst du, dass am Tag der Ausstrahlung und danach darüber gesprochen wird. Wenn ich jetzt „Let’s Dance“ als Beispiel nehme: RTL will ja auch, dass am Tag danach berichtet wird. Das ist die gleiche PR-Logik. Du willst, dass dein Format Gesprächsstoff wird.
Alexander
Aber du hast gerade gefragt: Können wir uns das überhaupt leisten? Wenn du es nicht kannst – und ich will ja auch optimistisch sein – aber ich bin wirklich der Meinung: Wenn du als Unternehmen oder Marke da nicht mithalten kannst, wirst du es schwer haben. Wenn die Algorithmen so bleiben wie sie sind, wird es schwierig, überhaupt noch Reichweite zu bekommen oder in den Feeds aufzutauchen. Die Feeds – Instagram und Co. – wollen verkaufen. Sie zeigen das, was die Mehrheit sehen will. Und das ist Entertainment.
Nicola
Wird schwer.
Alexander
Wir trennen es noch. Wir haben eine YouTube-App auf dem Handy, eine Instagram-App, eine LinkedIn-App. Aber eigentlich sind das alles Unterhaltungskanäle. Kanal 1 ist Instagram, Kanal 2 TikTok und so weiter. Du trennst nicht mehr zwischen TV, YouTube, Twitch, Mediathek und Social Media.
Nicola
Mediathek, Video.
Alexander
Es ist einfach eine Möglichkeit, Videos zu schauen.
Nicola
Die einen sind länger, die anderen kürzer. Dann kommt noch Podcast dazu. Ich habe heute einen Podcast gehört, der komplett als Video produziert war, ein Videopodcast. Ich habe mir also das Video angeschaut. Auch da merkt man: Die Unterhaltungsformate werden visuell. Es verschmilzt alles. Es ist eine spannende Entwicklung.
Ich glaube, als Unternehmen muss man sich strategisch überlegen: Wie will man da stattfinden? Organisch stattzufinden ist jetzt schon unfassbar schwer und wird noch schwerer. Dann ist die Frage: Gehe ich voll auf Paid? Das kann eine Logik sein, wie früher. Ich mache meine Commercial-Spots rund um Content. Oder ich habe ein nischigeres Thema, eine WhatsApp-Gruppe oder etwas, das in der Form einzigartig ist. Alles, was mit E-Commerce zu tun hat, ist nochmal spezieller. Aber ich biete vielleicht etwas an, das so nicht existiert. Ich glaube, das ist richtig schwer.
Alexander
Auch bei Paid musst du überlegen. Wir hatten gerade die Apps wie deine Kanäle damals. Du zapst dich durch deinen Feed, klickst durch die Storys. Und du siehst eigentlich nur noch Creator und Marken, die Entertainment ausstrahlen. Und jetzt kommt da ein Unternehmen, irgendein B2B-Softwareanbieter oder die Böcker Maschinenwerke.
Nicola
Wird spannend.
Alexander
Fällt das dann noch auf? Vielleicht ja. Aber fällt dir klassische Paid-Werbung noch auf? Oder brauchst du ein Budget, damit dein Produkt im Video eines Creators auftaucht? Auch da wird die Budgetfrage kommen.
Nicola
Auf jeden Fall. Unterm Strich bleibt es spannend. Es ist strategisch eine Herausforderung, mit diesem starken Unterhaltungsfokus umzugehen. Ich glaube nicht, dass sich das schnell ändern wird. Die Plattformen werden nicht zurückgehen zu einem super persönlichen Feed. Im Entertainmentmarkt steckt zu viel Werbebudget. Da verdient man einfach mehr Geld als mit privaten Inhalten.
Gerade in der EU laufen wieder Verfahren gegen Meta, wegen Datenschutz und Transparenz im Feed. Die Plattformen sind gut beraten, zu sagen: Wir machen Entertainment. Wir haben kein Problem mit privaten Daten. Außer bei der Ausspielungsthematik. Aber wir nutzen keine privaten Fotos mehr, brauchen wir gar nicht. Daher glaube ich, dass uns dieses Thema weiter begleiten wird.
Alexander
Und da man jetzt auch an Unternehmen sieht, dass Mut bewiesen wird, ich glaube, du brauchst heute noch viel mehr Mut als früher. Die Zeit der Freigabeschleifen ist vorbei.
Nicola
Ja, und ich habe es ja schon gesagt, jetzt kommen wir auch zu unseren Wins. Böcker Maschinenwerke – was klingelt da bei dir?
Alexander
Ich habe einen neuen Lieblingshit auf Social Media. Und hey, es war ein Bild. Wir haben die ganze Zeit von Video gesprochen, aber die haben ein Bild gepostet.
Nicola
Das war kein Video.
Alexander
Aber ich fand es genial. Da war sicher keine Freigabeschleife im Werk. Da gab es bestimmt nicht 80 Feedback-Gespräche. Und man hat auch nicht lange auf dem C-Level nachfragen müssen. Böcker Maschinenwerke – sage ich das richtig? Und habe ich den Firmennamen korrekt?
Nicola
Hebekranbühnen, oder? Sagst du das so? Böcker Maschinenwerke, glaube ich. Wenn nicht, korrigiert uns – sorry.
Alexander
Da gab es ja diesen Einbruch im Louvre. Die sind über eine Baustelle ins Museum eingedrungen, über einen Hebekran geklettert. Und die Firma, die diese Hebekräne herstellt, hat einfach die Gunst der Stunde genutzt und ein ziemlich lustiges Posting gemacht: Mit ihren Kränen kann man Schätze bis zu 400 Kilogramm sicher hoch und runter heben.
Nicola
Und durch den Elektromotor sehr leise. Ich musste so lachen.
Alexander
Und das ist für mich der Punkt: ich bin ja ein Verfechter der Meinung, dass B2B-Content nicht langweilig sein muss. Die beweisen es. Humor ist ein Klassiker. Und mir gefällt einfach, dass hier einfach gepostet wurde. Man hat die Gunst der Stunde genutzt.
Nicola
Es war mutig. Richtig mutig. Böcker Maschinenwerke – ich kannte die vorher gar nicht. Ich kenne mich mit Hebekranbühnen überhaupt nicht aus. Ich weiß, dass es sie gibt, aber welche Brands dahinterstehen, keine Ahnung. Es ist ein klassisches B2B-Thema, ein klassisches Baugewerbethema. Und sie haben die News-Logik genutzt: Du hast nur ein kleines Zeitfenster, in dem du reagieren kannst.
Du musst ein Risiko eingehen. Der Kunstraub in Paris war ein negatives Erlebnis, aber es kam niemand zu Schaden. Die Hebekranbühne ist nicht schuld daran, dass das passiert ist. Und ich finde, das war mutig. Und ich muss zugeben, das ging wie ein Lauffeuer. Ich habe es privat in einer WhatsApp-Gruppe bekommen, von Menschen, die im Baugewerbe arbeiten. Zielgruppe erreicht, mit Humor und Popkultur.
Alexander
Und es wird jetzt extrem viel darüber gesprochen. Wir haben es als unseren Win ausgewählt.
Nicola
Absolut. Ich kenne die Firma jetzt auf jeden Fall. Vielleicht machen sie danach nie wieder etwas. Ich habe keine Ahnung, ob sie Social weiter ausbauen. Aber trotzdem, das war ein voller Werbecoup. Und organisch. Die Grafik sieht nicht aus, als wäre da ein großes Budget dahinter gewesen.
Muss man ja auch gar nicht. Glückwunsch an der Stelle. Ich habe auch noch einen Win mitgebracht. Der Account ist von Opa Werner. Wahrscheinlich ist das ein alter Hut, und die meisten von euch kennen ihn schon. Aber ich finde Opa Werner mit dem Matsche-Latsche-Test einfach großartig. Er ist 88 Jahre alt, hat einen eigenen Account und zusätzlich die Rentner-WG. Er macht Videos über das Rentner-Dasein und testet Matsche-Latsche. Sehr unterhaltsam.
Alexander
Aber hey: Opa Werner hat es verstanden. Das, was manche Unternehmen nicht verstehen. Die Rentner-WG ist wie eine Serie aufgebaut.
Nicola
Ist eine Serie. Und sehr unterhaltsam gemacht. Nicht hochwertig produziert, aber es hängt stark an den Protagonisten. Opa Werner – Thema 50-plus-Content, in dem Fall 80-plus – sehr unterhaltsam. Das, worüber wir gesprochen haben: Entertainment. Genau das ist Opa Werners Account und die Rentner-WG.
Alexander
Alter ist keine Hürde, um Content zu machen.
Nicola
Und keine Geschichte erzählen zu können oder nicht lustig zu sein. Opa Werner ist einfach lustig.
Alexander
Und es funktioniert gut. Es kommt sehr gut an.
Nicola
Absolut. Ich habe dir auch noch ein paar Sachen geschickt, die uns über den Weg gelaufen sind. Eine Sache hat mein Herz besonders getroffen. Das war ein BBC Radio 4 Ausschnitt aus einem Interview bei Saturday Live. Da gab es ein Video, ein Plädoyer für die deutsche Sprache.
Susie Dent hat sich dafür ausgesprochen, dass sie die deutsche Sprache so schön findet. Das fand ich interessant, denn gerade in UK ist Deutschland nicht immer positiv besetzt. Die deutsche Sprache wird oft als hart und militärisch wahrgenommen. Und sie hat gesagt, dass sie die Sprache faszinierend findet, weil sie so viele Möglichkeiten bietet.
Nicht nur war das Video schön – es ging viral. Ganz viele haben kommentiert. Und das erlebt man selten: ausschließlich positiv. Es war eine Happy-Happy-Bubble. Die Leute haben geschrieben, welche Wörter im Deutschen besonders schön sind. Als Muttersprachlerin hat man natürlich einen anderen Blick als jemand, der die Sprache lernt. Und da waren richtig schöne Wörter dabei.
Wortschatz wurde oft genannt. Kopfkino – das gibt es im Englischen so nicht.
Alexander
Feierabend ist toll. Und Kopfkino ist auch sehr schön.
Nicola
Die Idee des Kopfkinos. Und auch der Feierabend wurde gefeiert. Die Zeit zwischen Arbeit und Schlaf – dass man das feiert. Die Sprache zeigt, wie man denkt. Und das wurde so schön erklärt.
Alexander
Und überhaupt! Ein Social Media Post, bei dem die Reaktionen ausschließlich positiv, nett, happy und fröhlich sind.
Nicola
Ja.
Alexander
Das ist wirklich eine Seltenheit.
Nicola
Total. Und ich muss zugeben, da ist die Magie des Social Dialogs. Ich habe die Kommentare total gern gelesen und gefeiert. Ganz schöne Kommentare. Viele Wörter: Pustekuchen war auch dabei. Ganz, ganz nette Wörter. Fand ich richtig schön.
Alexander
Pustekuchen.
Nicola
Der Pustekuchen. Ja, da waren ein paar richtig witzige Wörter. So welche, bei denen man denkt: Ja klar, aber… Mein Lieblingswort war übrigens „Freiheit, Gleichheit, Frieden“. Ich dachte, okay, hört sich trotzdem hart an, wenn wir es so sagen. Freiheit, Gleichheit, Frieden, das sind schon eher die harten Wörter. Kopfkino ist da ein bisschen lyrischer.
Alexander
Weißt du, was für mich das deutscheste aller deutschen Wörter ist? Umsatzsteuervoranmeldung.
Nicola
Toll, ganz tolles Wort.
Alexander
Da kriege ich auch Kopfkino von.
Nicola
Da kriege ich kein Kopfkino, das ist richtig ernüchternd. In dem Video, ich will da gar nicht zu tief einsteigen, aber der Moderator erklärt, was er so spannend findet an der deutschen Sprache: dass manche Wörter schon durch ihren Klang ausdrücken, was passiert. Das Beispiel war „Auspuff“. Und er meinte, wie schlau eine Sprache ist, die dieses „Puff“ im Wort hat – weil der Laut schon zeigt, worum es geht. Fand ich ganz nett.
Alexander
Es gibt im angloamerikanischen Raum dieses Meme „Is there a German word for…?“ Das gefällt mir total. Ich habe ja im Studium teilweise Linguistik gemacht. Im englischsprachigen Raum denken viele, dass es für jede Lebenssituation ein deutsches Wort gibt. Weil man im Deutschen so leicht Wörter zusammensetzen kann, wie Lego. Das sagen sie auch in dem Video, das du mir geschickt hast. Deswegen glauben sie, dass es für alles ein deutsches Wort gibt. Ich mag das Meme sehr.
Nicola
Das ist ein schöner Gedanke. Und ich muss zugeben – das liebe ich auch an der deutschen Sprache. Wenn es das Wort nicht gibt, kannst du es einfach erfinden.
Alexander
Hatten wir noch einen schönen Ausflug. Follow Happiness in die Linguistik.
Nicola
Ja, und da wir in der Kommunikationsbranche arbeiten, ist da auch ein bisschen Liebe und Leidenschaft, nicht nur für Social Media, sondern vor allem für die Sprache, mit der wir täglich zu tun haben. Und nicht nur Emojis, auch was Schönes.
In dem Sinne wünsche ich dir eine schöne Woche. Einen schönen Feierabend.
Alexander
Schönen Feierabend.
Nicola
Ciao mit deinem Wortschatz. Ich habe jetzt Kopfkino.
Alexander
Macht’s gut.