Künstliche Intelligenz
Flexibleres 5G-Slicing: Orange und Ericsson setzen auf KI
Der französische TK-Anbieter Orange und der Netzwerkausrüster Ericsson wollen in Europa das 5G-Slicing mit einer gemeinsam entwickelten Technik voranbringen. Sie fußt auf KI, um sowohl die Netzauslastung zu verbessern als auch die Performance an den 5G-Endgeräten zu steigern.
Die Orchestrierung erfolgt über die „Service Orchestration and Assurance Plattform“ von Orange, die eine dynamische Ende-zu-Ende-Slice-Verwaltung ermöglichen soll, beispielsweise für private Mobilfunknetze, Geofencing oder Fixed Wireless Access (FWA). Basis dafür ist deren Netzwerk-Management-Software „AI‑Network‑Brain“, für die Orange einen modularen Ausbau und die Anpassung an unterschiedliche Kundengruppen verspricht.
Typische Anwendungsszenarien sollen kritische Infrastrukturen, prädiktive Maintenance, Edge-KI, Robotersteuerung, autonome Fahrzeuge, Drohnen-Inspektion sowie Video-Analytik in Echtzeit sein. Orange stellt dafür garantierte Upload-Raten und Latenzzeiten von unter fünf Millisekunden in Aussicht. Das soll praktisch eine Glasfaser-ähnliche Mobilfunk-Verbindung über 5G schaffen.
Orange spricht hierbei von einer Quality of Delivery (QoD), was über QoS (Quality of Service) hinausgehe. So gehören dazu auch Zusagen über Monitoring, Latenz, Jitter und Ausfallsicherheit – also mehr als nur die Bandbreite. In Frankreich bietet Orange bereits entsprechende 5G‑Verträge für Geschäftskunden an, beispielsweise 350 GB mit VoNR und Slice-Security.
Network-Slicing: Ein Stück vom großen Kuchen
Beim Network-Slicing wird ein Teil der Netzkapazität „herausgeschnitten“. Technisch funktioniert das so, dass alle Slices auf demselben physischen Netz laufen, logisch aber isoliert sind. Dabei hat jedes Slice seine eigenen Ressourcen: Funknetz (RAN), Transportnetz und 5G-Core. Der Vorteil dabei ist, dass für bestimmte Anforderungsprofile oder Nutzergruppen ein individuelles Set an Bandbreite, Latenz, Verfügbarkeit oder SLAs konfiguriert werden kann. Das ist strukturell ähnlich zu virtuellen Maschinen.
Schon vor zwei Jahren stellte die Telekom ein 5G-Network-Slicing vor. Diese Lösung ist speziell auf Live‑TV-Produktion ausgerichtet, beispielsweise für Reporter und Kameraleute vor Ort. Es basiert auf dem Telekom-Core‑Netz mit Mavenir MDCA und wird über Kunden-Interfaces orchestriert. Dazu gehören dedizierte QoS‑Slices und CAMARA Open-APIs die eine qualitativ hochwertige HD‑Übertragung ermöglichen sollen. Das Produkt ist inzwischen als Premium-Service für Medienunternehmen (TV, Streaming) mit QoS‑Level-Vorgaben im Markt.
Vodafone liefert ebenfalls 5G-Slicing-Lösungen mit SLA‑Technik. Doch auch hier richtet sich das Angebot an einen kleinen Anwendungsbereich: Veranstaltungen, Live-Sport-Events mit dedizierten Slices für Uploads und Streaming sowie wenigen vertikalen Anwendungen, beispielsweise im Rahmen von privaten Industrienetzen. Bei O2 gibt es seit Oktober 2023 ein entsprechendes Angebot, das sich hauptsächlich an Geschäftskunden richtet. Geplant ist inzwischen auch die Anwendung für Privatkunden im Bereich Gaming, Smart Home oder als Tracker mit Gesundheits- und Sicherheitsfunktionen.
Bisheriges Slicing zu starr?
All diese Slicing-Angebote haben ein gemeinsames Problem: Man muss vorher genau festlegen, was benötigt wird – und muss den Slice danach auch wieder löschen, denn er bleibt bestehen, selbst wenn er gar nicht mehr benötigt wird. Dieses Einrichten und Freigeben eines Slices kann zwar auch programmgesteuert per API erfolgen, was vor allem im industriellen Umfeld zum Einsatz kommt, beispielsweise wenn für einen bestimmten Zeitraum eine mobile Video-Schaltung benötigt wird. Doch auch hier bleibt der Slice bestehen, bis er vom Programm oder nach vorgegebenen Zeiteinstellungen wieder abgeschaltet wird. Bislang war das eher ein theoretisches Problem, denn in den oben erwähnten Use-Cases ist die entsprechende Belastung vorhersehbar und relativ konstant.
Doch jetzt kommt eine neue Anwendung auf den Markt: die mobile Nutzung von KI im Business-Umfeld. Das bedeutet nicht nur mehr Datenverkehr, sondern auch einen sehr sprunghaften Bandbreitenbedarf. Hier wird das bisherige Slicing zum Problem, weil der Bedarf nicht vorhersehbar ist und immer nur kurzzeitig anfällt. Erforderlich ist dafür eine vollautomatische dynamische Zuordnung der Slices anhand der jeweils aktuellen Anforderungen.
„Intent-basiertes“ vollautomatisches Slicing
Genau hier will die neue Ericsson-Technik ansetzen. „Unser intent-based Lösung automatisiert die Erstellung und Replikation von 5G-Slices“, heißt es in der Pressemeldung. Das bedeutet, das System soll erkennen, wo plötzlich ein großer Bedarf entsteht, und dann entsprechend der Situation sowie weiteren bekannten Parametern ein passendes Slice einrichten. Sobald der Bedarf nicht mehr vorhanden ist, wird das Slice wieder automatisch freigegeben. Laut Ericsson wird das Netz so flexibler genutzt und mehr Teilnehmer könnten gleichzeitig bessere Performance erhalten.
Als Beispielanwendung zeigte Orange die Nutzung von KI zur Video-Generierung auf einem Handy. Hier ist urplötzlich viel Bandbreite mit niedriger Latenz erforderlich. Sobald diese Anwendung aber vorbei ist und der Bedarf nicht mehr gegeben ist, wird das Slice wieder freigegeben. Diese neue Technik beschränkt sich nicht nur auf KI auf dem Smartphone, sondern könnte auch industriellen Anwendungen wie mobiler Maschinen- und Robotersteuerung, autonomen Fahrzeugen oder Video-Analytik unterstützen.
Auf Referenzen können Ericsson und Orange noch nicht verweisen. Bekannt sind zwei Anwendungsfälle: Das ursprüngliche Test-Szenario in Belgien, das im Rahmen eines Drohnen-Einsatzes in Echtzeit stattfand. Dieser Use-Case wurde im Februar auf dem MWC-Kongress auf dem experimentellen Pikeo‑Netz, der Orange-Telco‑Cloud und AWS-Outposts vorgestellt. Und dann gibt es noch eine weitere Anwendung bei Schneider Electric, wo eine Lösung für industrielle Prozesse und Automatisierung in Zusammenarbeit mit Nokia und Ericsson erstellt wurde.
(axk)