Datenschutz & Sicherheit
Freiheit im Netz nimmt beständig ab

Der „Freedom on the Net“-Bericht wird einmal jährlich von der Nichtregierungsorganisation (NGO) Freedom House herausgegeben. Auch der diesjährige setzt die Tradition der vorausgegangenen Berichte fort. Zum 15. Mal in Folge zieht das Freedom House eine negative Bilanz, wenn es um Zugangsbeschränkungen, Limitationen für Inhalte und Verstöße gegen Nutzerrechte im Internet geht.
Anhand dieser drei Kategorien bewertet das Freedom-House-Team mit externen Fachleuten 72 Länder, in denen 89 Prozent aller Internet-Nutzer*innen leben. Die NGO nutzt dafür einen Fragenkatalog, der Themen wie staatliche Zensur oder die für den Zugang zum Internet nötige Infrastruktur abdeckt. Jedes Land bekommt so einen Wert zwischen 1 und 100 zugeordnet. Damit entsteht auch ein Gesamteindruck der globalen Lage der Freiheit des Internets.
Um die globale Lage steht es laut Bericht schlecht: Den 27 Ländern mit Punktverlusten stehen nur 17 mit Verbesserungen gegenüber. Auch Deutschland büßte drei Punkte ein. Vermehrtes Vorgehen von Politikern gegen Memes und Kritik im Netz, Einschüchterung von Journalist*innen durch Rechtsextreme und Cyberangriffe aus Russland spielten hier laut Freedom House eine Rolle.
Kritik und Zukunftsvisionen
Auch die USA verloren drei Punkte im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings liegt der durch den Bericht untersuchte Zeitraum zwischen Juni 2024 und Mai 2025. Die Untersuchung schließt also nur die ersten vier Monate der zweiten Amtszeit von Donald Trump ein.
Freedom House erhielt bis zur Aussetzung der US-Auslandshilfen finanzielle Unterstützung vom US-amerikanischen Staat. Weitere Unterstützer von Freedom House sind das niederländische Außenministerium und Google. Freedom House betont allerdings seine Unabhängigkeit gegenüber Weisungen von Spendern.
Um die Freiheit des Internets wieder zu stärken, spricht die Organisation sich für eine Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebern, Unternehmen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft aus. Eine große Chance für den erleichterten Zugang zum Internet sieht Freedom House in satellitenbasierten Internetdienstleistern. Eine mögliche Altersverifikation online und ähnliche Maßnahmen, die Anonymität im Netz abbauen, lehnt die NGO hingegen ab. Zwischen Chancen und negativen Entwicklungen bleibt für Freedom House aber eins klar:
Die Faktoren, die zur Verbesserung der Internetfreiheit führen, sind von Land zu Land unterschiedlich, jedoch ist unabhängiger zivilgesellschaftlicher Aktivismus ein konstanter Motor für Veränderung und der Förderung der Achtung der Menschenrechte.
Datenschutz & Sicherheit
Neue DDoS-Spitze: Microsoft wehrt 15,7 TBit/s-Angriff ab
Am 24. Oktober dieses Jahres hat Microsoft in seiner Azure-Cloud einen umfangreichen DDoS-Angriff mit mehreren Angriffsvektoren von 15,72 TBit pro Sekunde beobachtet. Die Last erzeugten 3,64 Milliarden Pakete pro Sekunde, was die derzeit größte beobachtete DDoS-Attacke auszeichnet, schreibt Microsoft in einem Blog-Beitrag.
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Das Unternehmen führt aus, dass der Angriff vom Aisuro-Botnet ausging – das hatte im Mai etwa das Blog des IT-Sicherheitsjournalisten Brian Krebs attackiert. Es handele sich dabei um ein Mirai-artiges Botnet „mit Turbo“, das immer wieder rekordverdächtige DDoS-Angriffe ausführt. Dabei missbrauchten die kriminellen Drahtzieher kompromittierte Heimrouter und Kameras, die zum Großteil in Netzen von Internetprovidern für Privathaushalte in den USA und anderen Ländern stünden.
Bei einem DDoS-Angriff überfluten bösartige Akteure Server oder Systeme mit so vielen Anfragen, dass sie reguläre Anfragen etwa von echten Menschen nicht mehr beantworten können. DDoS-Angriffe nehmen sie somit quasi offline.
Der Angriff umfasste unter anderem UDP-Floods mit extrem hohen Raten, die auf eine bestimmte öffentliche IP-Adresse gerichtet waren – einem einzelnen Endpunkt in Australien. Sie gingen von mehr als einer halben Million Quell-IP-Adressen aus diversen Regionen aus. Die UDP-„Ausbrüche“ zeigten nur zu einem kleinen Teil Spoofing der Quelle und verwendeten zufällige Quell-Ports, was die Rückverfolgung erleichterte. „Angreifer skalieren mit dem Internet selbst“, schreibt Microsoft, „mit steigenden Geschwindigkeiten der Glasfaseranschlüsse und zunehmend stärkerer IoT-Hardware klettert auch die Grundlinie für Angriffsgrößen“.
DDoS-Angriff abgewehrt
Microsoft erklärt, dass der DDoS-Schutz von Azure den Angriff automatisch entdeckt und abgewehrt habe. „Bösartiger Verkehr wurde effektiv ausgefiltert und umgeleitet, was zur ununterbrochenen Dienstverfügbarkeit für Kunden-Workloads führte“, schreibt der Autor des Blog-Beitrags.
Im Juni hatte Cloudflare eine Spitzenlast von 7,3 TBit/s bei einem DDoS-Angriff beobachtet. Damit hat sich der der Spitzenwert in nicht einmal einem halben Jahr mehr als verdoppelt.
Anfang September hatte Cloudflare zuletzt eine DDoS-Attacke mit in der Spitze 11,5 TBit pro Sekunde gemeldet. Dafür hatten die Angreifer sogar 5,1 Milliarden Pakete pro Sekunde gesendet – deutlich mehr als die Angreifer jetzt an den von Microsofts Azure geschützten Endpunkt.
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(dmk)
Datenschutz & Sicherheit
3,5 Milliarden Konten: Komplettes Whatsapp-Verzeichnis abgerufen und ausgewertet
Das gesamte Mitgliederverzeichnis von WhatsApp stand online ungeschützt zum Abruf bereit. Österreichische Forscher konnten sich deshalb alle Telefonnummern und weitere Profildaten – darunter öffentliche Schlüssel – herunterladen, ohne auf ein Hindernis zu stoßen. Sie fanden mehr als 3,5 Milliarden Konten. Gemessen an der Zahl Betroffener ist es der wohl größte Datenabfluss aller Zeiten. Ein Teil der Forschungsgruppe hat sich bereits mehrfach mit WhatsApp befasst und beispielsweise eruiert, was WhatsApp trotz Verschlüsselung verrät, und herausgefunden, wie ein Angreifer die Whatsapp-Verschlüsselung herabstufen kann. Dennoch stellte sich Whatsapp-Betreiber Meta Platforms hinsichtlich der neuen Forschungsergebnisse ein Jahr lang taub.
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„Dann kennen die Wissenschaftler jetzt eben sehr viele Telefonnummern“, haben sich die Verantwortlichen womöglich gedacht, „Na und?“ Wiederholte Warnhinweise, die die Gruppe der Universität Wien und der österreichischen SBA Research ab September 2024 bei Whatsapp eingereicht haben, wurden zwar mit Empfangsbestätigungen bedacht, bald aber zu den Akten gelegt. Erst als die Forscher zweimal einen Entwurf ihres Papers einreichten und dessen unkoordinierte Veröffentlichung bevorstand, wachte Meta auf: Aus den Daten lässt sich nämlich erstaunlich viel ablesen, und für manche User kann das lebensbedrohlich sein.
Da sind einmal Informationen, die für Meta Platforms selbst sensibel sind, aus wettbewerblichen und regulatorischen Gründen: Wie viele Whatsapp-User gibt es in welchem Land, wie verteilen sie sich auf Android und iOS, wie viele sind Geschäftskonten, wie groß ist der Churn (Kundenabwanderung), und wo gibt es offensichtliche Betrugszentren großen Maßstabs. Und dann sind da mehrere Klassen von Daten, die für Anwender ungemütlich bis lebensgefährlich sein können – obwohl die Forscher keine Datenpakete an oder von Endgeräten übertragen haben (sondern nur zu Whatsapp-Servern) und auch keine Inhalte oder Metadaten von Whatsapp-Kommunikation abgefangen haben.
WhatsApp-Verbot unwirksam
So war WhatsApp Stand Dezember 2024 in der Volksrepublik China, im Iran, in Myanmar sowie in Nordkorea verboten. Dennoch fanden die Forscher damals 2,3 Millionen aktive WhatsApp-Konten in China, 60 Millionen im Iran, 1,6 Millionen in Myanmar und fünf (5) in Nordkorea. Diese Handvoll könnte vom Staatsapparat selbst eingerichtet worden sein, aber für Einwohner Chinas und Myanmars ist es höchst riskant, wenn Behörden von der illegalen WhatsApp-Nutzung Wind bekommen. Und das passiert leicht, wenn sich der gesamte Nummernraum flott abfragen lässt.
Die 60 Millionen WhatsApp-Konten mit iranischer Telefonnummer entsprachen statistisch immerhin zwei Drittel der Einwohner. Das Verbot wirkte dort also offensichtlich nicht und wurde am Heiligen Abend 2024 auch aufgehoben. Drei Monate später gab es dann schon 67 Millionen iranische Konten. Deutlich stärker hat die Zahl jener zugenommen, die dasselbe WhatsApp-Konto auf mehr als einem Gerät nutzen. Während der Verbotsphase war das offenbar zu riskant, aber wenn WhatsApp nicht illegal ist, will man es vielleicht auch am Arbeitsrechner verwenden.
Profilbilder und Info-Feld
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Annähernd 30 Prozent der User haben etwas in das „Info“-Feld ihres Profils eingetragen, und dabei geben manche viel preis: politische Einstellungen, sexuelle oder religiöse Orientierung, Bekenntnisse zu Drogenmissbrauch gibt es dort genauso wie Drogendealer, die genau in diesem Feld ihr Warensortiment anpreisen. Auch darüber hinaus fanden die Wiener Forscher Angaben zum Arbeitsplatz des Users bis zu Hyperlinks auf Profile in sozialen Netzwerken, bei Tinder oder OnlyFans. E-Mail-Adressen durften natürlich nicht fehlen, darunter von Domains wie bund.de, state.gov und diverse aus der .mil-Zone. Das ist ein gefundenes Fressen für Doxxer und andere Angreifer, aber auch Spammer und einfache Betrüger.
Zudem verriet WhatsApp den Zeitpunkt der jüngsten Änderung – nicht nur des Info-Feldes, sondern auch der Profilfotos, die immerhin 57 Prozent aller WhatsApp-User weltweit hochgeladen und als für jedermann einsehbar definiert haben, darunter US-Regierungsmitglieder. Für den Nordamerika-Vorwahlbereich +1 haben die Forscher alle 77 Millionen für jedermann einsehbaren Profilbilder heruntergeladen – stolze 3,8 Terabyte in Summe. In einer daraus gezogenen zufälligen Stichprobe von einer halben Million Bildern fand eine Gesichtserkennungsroutine in zwei Dritteln der Fälle ein menschliches Gesicht. Die leichte Zugänglichkeit der Fotos hätte also erlaubt, eine Datenbank zusammenzustellen, die durch Gesichtserkennung in vielen Fällen zur Telefonnummer führt und umgekehrt. Selbst Profilbilder ohne Gesicht können geschwätzig sein: bisweilen sind Autokennzeichen, Straßenschilder oder Wahrzeichen abgebildet.
Weitere Informationen liefert die Anzeige, wie viele Geräte unter einem WhatsApp-Konto registriert sind (bis zu fünf). Aus den fortlaufend vergebenen IDs lässt sich schließen, ob diese zusätzlich genutzten Geräte häufig geändert werden oder stabil bleiben.
Datenschutz & Sicherheit
EU-Staaten einigen sich auf freiwillige Chatkontrolle
Die EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Position zur Chatkontrolle geeinigt. Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf.
Letzte Woche hat die Rats-Arbeitsgruppe das Gesetz besprochen. Wir veröffentlichen ein weiteres Mal das eingestufte Protokoll der Sitzung.
Morgen wollen die Ständigen Vertreter die Position offiziell beschließen.
Drei Jahre Streit
Seit dreieinhalb Jahren streiten die EU-Institutionen über die Chatkontrolle. Die Kommission will Internet-Dienste verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer anlasslos auf Hinweise zu Straftaten zu durchsuchen und diese bei Verdacht an Behörden zu schicken.
Das Parlament bezeichnet das als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Eine Mehrheit der EU-Staaten will eine verpflichtende Chatkontrolle. Eine Sperrminorität lehnt das jedoch ab. Jetzt hat sich der Rat auf einen Kompromiss geeinigt. Internet-Dienste werden nicht zur Chatkontrolle verpflichtet, dürfen aber eine freiwillige Chatkontrolle durchführen.
Absolute rote Linien
Die dänische Ratspräsidentschaft will den Gesetzentwurf „schnellstmöglich“ durch den Rat bringen, „damit die Trilogverhandlungen zeitnah begonnen werden können“. Das Feedback der Staaten soll sich auf „absolute rote Linien“ beschränken.
Die Mehrheit der Staaten „unterstützten den Kompromissvorschlag“. Mindestens 15 sprachen sich dafür aus, darunter Deutschland und Frankreich.
Deutschland „begrüßte sowohl die Streichung der verpflichtenden Maßnahmen als auch die dauerhafte Verankerung freiwilliger Maßnahmen“.
Italien sieht auch die freiwillige Chatkontrolle skeptisch. „Man befürchte, das Instrument könne auch auf andere Delikte ausgeweitet werden, daher habe man Schwierigkeiten, den Vorschlag zu unterstützen.“ Politiker haben bereits gefordert, die Chatkontrolle auf andere Inhalte auszuweiten.
Absoluter Minimalkonsens
Andere Staaten bezeichneten den Kompromiss „als absoluten Minimalkonsens“. Sie haben sich „eigentlich mehr gewünscht – insbesondere im Sinne von Verpflichtungen“. Einige Staaten „zeigten sich deutlich enttäuscht über die vorgenommenen Streichungen“.
Vor allem Spanien „sah verpflichtende Maßnahmen weiterhin als erforderlich an, leider sei eine umfassende Einigung dazu nicht möglich gewesen“. Auch Ungarn „sah Freiwilligkeit als alleiniges Konzept als zu wenig an“.
Spanien, Ungarn und Bulgarien schlugen „eine Verpflichtung für die Anbieter vor, zumindest in offenen Bereichen aufdecken zu müssen“. Die dänische Ratspräsidentschaft „bezeichnete den Vorschlag als ehrgeizig, griff ihn aber nicht auf, um weitere Diskussionen zu vermeiden“.
Dänemark wies explizit auf die Überprüfungsklausel hin. Damit „halte man sich die Möglichkeit von Aufdeckungsanordnungen zu einem späteren Zeitpunkt offen“. Ungarn betonte, „dass diese Möglichkeit auch genutzt werden müsse“.
Keine Verpflichtung
Die dänische Ratspräsidentschaft hatte öffentlich verkündet, dass die Chatkontrolle nicht verpflichtend sein soll, sondern freiwillig.
Der ausformulierte Kompromissvorschlag war jedoch widersprüchlich. Den Artikel zur verpflichtenden Chatkontrolle hatte sie gestrichen. Ein anderer Artikel sagte jedoch, dass Dienste auch freiwillige Maßnahmen durchführen sollen.
Mehrere Staaten haben gefragt, ob diese Formulierungen „zu einer faktischen Verpflichtung führen könnten“. Die Juristischen Dienste stimmten zu: „Die Formulierung sei in beide Richtungen auslegbar“. Die Ratspräsidentschaft „stellte klar, dass es im Text lediglich eine Verpflichtung zur Risikominderung gäbe, nicht aber eine Verpflichtung zur Aufdeckung“.
Am Tag nach der Sitzung verschickte die Ratspräsidentschaft den wahrscheinlich endgültigen Gesetzentwurf des Rats. Darin steht explizit: „Keine Bestimmung dieser Verordnung ist so auszulegen, dass sie den Anbietern Aufdeckungspflichten auferlegt.“
Schaden und Missbrauch
Die verpflichtende Chatkontrolle ist nicht das einzige Problem im geplanten Gesetz. Auch die freiwillige Chatkontrolle ist eigentlich verboten. Die EU-Kommission kann ihre Verhältnismäßigkeit nicht belegen. Viele lehnen die freiwillige Chatkontrolle ab, darunter die EU-Kommission, der Europäische Datenschutzbeauftragte und die deutsche Datenschutzbeauftragte.
Eine Reihe an Wissenschaftlern kritisiert den Kompromissvorschlag. Die freiwillige Chatkontrolle bezeichnen sie als nicht angemessen. „Ihr Nutzen ist nicht nachgewiesen, während das Potenzial für Schaden und Missbrauch enorm ist.“
Das Gesetz fordert auch verpflichtende Altersprüfungen. Die Wissenschaftler kritisieren, dass Altersprüfungen „ein inhärentes und unverhältnismäßiges Risiko schwerwiegender Datenschutzverletzungen und Diskriminierung mit sich bringen, ohne dass ihre Wirksamkeit garantiert ist“. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte befürchtet eine „weitgehende Abschaffung der Anonymität im Netz“.
Jetzt folgt Trilog
Die EU-Staaten werden diese Punkte nicht weiter diskutieren. Die dänische Ratspräsidentschaft „bekräftigte, am Kompromissvorschlag ohne die spanischen Vorschläge festzuhalten“.
Morgen tagen die Ständigen Vertreter der EU-Staaten. Im Dezember tagen die Justiz- und Innenminister. Diese beiden Gremien sollen den Gesetzentwurf als offizielle Position des Rats beschließen.
Danach folgt der Trilog. Dort verhandeln Kommission, Parlament und Rat, um aus ihren drei eigenen Gesetzentwürfen einen Kompromiss zu erzielen.
Hier ist das Dokument in Volltext:
- Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
- Datum: 13. November 2025
- An: Auswärtiges Amt
- Kopie: BKAmt, BMI, BMJV, BMF, BMWE, BMBFSFJ
- Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung am 12. November 2025
- Zweck: Zur Unterrichtung
- Geschäftszeichen: 350.80
Sitzung der RAG Strafverfolgung am 12. November 2025
I. Zusammenfassung und Wertung
Schwerpunkt der Sitzung bildete TOP 3 – Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse (11596/25). Grundlage der Aussprache bildete der mit Dok. 14092/25 am 6. November von der DNK Präsidentschaft übermittelte Kompromisstext.
Die Mehrzahl der wortnehmenden MS brachten ihre Unterstützung für den jüngsten Kompromissvorschlag zum Ausdruck.
Nachdem Vorsitz eine ausreichende Mehrheit für den Kompromisstext festgestellt hatte, kündigt er Vorlage im AStV am 19. November (I-Punkt) sowie im JI-Rat im Dezember an.
II. Im Einzelnen
TOP 1: Adoption of the agenda
Annahme ohne Änderungen.
TOP 2: Information by the Presidency
Präs. verwies auf die nächsten Sitzungen der Temporary Core Group zu den Polizei-Netzwerken (als VSK) am 25.11. und der RAGS-P am 03.12.2025. Schriftliche Bemerkungen zu dem Papier der Präs. zu den Polizei-Netzwerken vom 06.11. würden bis 13.11.2025 erbeten.
TOP 3: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse (14092/25)
Vorsitz eröffnete die Sitzung zunächst mit einer Zusammenfassung der am Text vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, verwies auf den äußerst knappen Zeitplan aufgrund des Auslaufens der Interims-VO und kündigte eine schnellstmögliche Behandlung im AStV und Dezember-JI-Rat an, damit die Trilogverhandlungen zeitnah begonnen werden können. MS seien ausdrücklich gebeten, sich auf eine kurze Bewertung des Kompromisstextes und absolute rote Linien zu beschränken.
Zahlreiche wortnehmende MS (DEU, FRA, AUT, LUX, SVN, LVA, LTU, SVK, MLT, ROU, IRL, CYP, wohl auch POL, FIN, EST) unterstützten den Kompromissvorschlag, wenngleich der Regelungsumfang teilweise als absoluter Minimalkonsens betrachtet wurde (ESP, LTU, BGR) und man sich eigentlich mehr – insbesondere im Sinne von Verpflichtungen – gewünscht habe.
DEU trug weisungsgemäß vor und begrüßte sowohl die Streichung der verpflichtenden Maßnahmen als auch die dauerhafte Verankerung freiwilliger Maßnahmen sowie die Beibehaltung des EU-Zentrums und bekräftigte dessen Bedeutung.
ESP sah verpflichtende Maßnahmen weiterhin als erforderlich an, leider sei eine umfassende Einigung dazu nicht möglich gewesen. Daher schlage man – unterstützt von BGR und HUN – eine Verpflichtung für die Anbieter vor, zumindest in offenen Bereichen aufdecken zu müssen. Es sei zahlreiches CSAM offen abrufbar. Um zumindest dessen Verbreitung zu verhindern, müsse eine Verpflichtung der Anbieter möglich. Zudem solle in Artikel 43 eine Funktion des EU-Zentrums verankert werden, die es dem EU-Zentrum ermögliche, die Anbieter zur Ordnung zu rufen, wenn diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Vorsitz bezeichnete den Vorschlag ESPs als ehrgeizig, griff ihn aber nicht auf, um weitere Diskussionen zu vermeiden. Mittels Überprüfungsklausel halte man sich die Möglichkeit von Aufdeckungsanordnungen zu einem späteren Zeitpunkt offen.
POL unterstützte grundsätzlich die Richtung des Textes, legte aber weiterhin einen Prüfvorbehalt ein und kündigte an, die endgültige Positionierung nachzuliefern.
Auch HUN sah Freiwilligkeit als alleiniges Konzept als zu wenig an und legte PV ein. Zudem bitte man den JD-Rat um Einschätzung, ob nach dem jüngsten Textvorschlag innerhalb E2EE Kommunikation aufgedeckt werden könne (ähnlich HRV). Ein Ausschluss freiwilliger Maßnahmen in E2EE sei eine rote Linie. Generell dürfe es keinen Rückschritt hinter den status quo geben.
Vorsitz entgegnete daraufhin, Rechtsgrundlage sei weiterhin die DSGVO. Der aktuelle Textvorschlag sei keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung, da er gewährleiste, dass die Anbieter das, was sie bisher erfolgreich täten, auch weiterhin tun könnten und zudem die Zusammenarbeit auf EU-Ebene gefördert werde.
FIN verwies auf die Notwendigkeit der Befassung des eigenen Parlaments (auch SWE), sah den Vorschlag aber grundsätzlich positiv. CZE legte ebenfalls PV mit Hinweis auf die laufende Regierungsbildung ein.
ITA legte Prüfvorbehalt ein und verwies auf seine Ausführungen im AStV am 05.11.. Zu überlegen sei, ob im Rahmen ausschließlich freiwilliger Aufdeckungen das Recht auf Privatsphäre der Nutzer ausreichend gewahrt werden könne. Man befürchte, das Instrument könne auch auf andere Delikte ausgeweitet werden, daher habe man Schwierigkeiten, den Vorschlag zu unterstützen.
Vorsitz verwies diesbezüglich auf die soliden Rechtssysteme mit entsprechenden Garantien in den MS, die die Basis des Vorschlages bilden.
FRA erinnerte eindringlich, dass man schnell vorankommen und eine Lösung finden müsse.
SVN, LTU, SVK, NLD und LVA sahen die Verhinderung einer Regelungslücke als oberste Priorität und begrüßten die Streichung der verpflichtenden Aufdeckungsanordnungen. Das EU-Zentrum werde unterstützt.
NLD bat zudem JD-Rat um Einschätzung, ob die Formulierungen in Artikel 4 und 5 ggf. zu einer faktischen Verpflichtung führen könnten.
Vorsitz stellte klar, dass es im Text lediglich eine Verpflichtung zur Risikominderung gäbe, nicht aber eine Verpflichtung zur Aufdeckung.
ROU, SWE und HRV zeigten sich deutlich enttäuscht über die vorgenommenen Streichungen, erklärten sich aber aufgrund der eingefügten Überprüfungsklausel dennoch mit dem Vorschlag einverstanden. HRV ergänzte, dass diese Möglichkeit auch genutzt werden müsse. SWE sah die Überprüfungsklausel jedoch als zu komplex an.
IRL unterstrich, der Ergänzung in Art. 14a und 18aa betreffend die Notwendigkeit einer richterlichen Bestätigung innerhalb 72 Stunden nicht zustimmen zu können, da dies im common law System nicht möglich sei (ebenso MLT).
HUN bemängelte, die Frage nach E2EE sei nicht angemessen beantwortet worden. Probleme diesbezüglich habe es bislang nur im Rahmen privater Kommunikation gegeben, der ESP Vorschlag beziehe sich aber ausschließlich auf open spaces.
Vorsitz stellte klar, dass man nicht vorhabe, diese Punkte erneut zu diskutieren. Es solle weiterhin möglich bleiben, was auch jetzt möglich sei und bat JD-Rat um Beantwortung zu Art. 1 Abs 5.
JD-Rat führte zu Art. 1 Abs. 5 aus, dass er keine Änderung der Interims-VO sähe. Die Ausnahmen dürften angewendet werden, wenn eine Rechtsgrundlage dafür gegeben ist. Den Providern werde nicht verboten, Maßnahmen innerhalb E2EE Inhalten zu ergreifen. Art. 1 Abs 5 ändere nichts an der jetzigen Rechtslage. Die Frage von NLD zu einer faktischen Verpflichtung sei schwierig zu beantworten. Es sei zwar nicht verpflichtend, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen, aber die Formulierung sei in beide Richtungen auslegbar.
KOM betonte den Mehrwert und die Relevanz des EU-Zentrums und stimmte ESP zu, in Bezug auf Aufdeckungsanordnungen in öffentlich zugänglichen Bereichen. Auch öffentlich sei viel CSAM verfügbar, daher sei der Vorschlag gut und wichtig und es sei nur schwer vorstellbar, dass eine aktive Suche nach CSAM durch das EU-Zentrum auf Widerstand stoßen könnte.
Vorsitz bedankte sich für die breite Unterstützung und bekräftigte, am Kompromissvorschlag ohne die ESP Vorschläge festzuhalten. Man werde jedoch versuchen, vor Übersendung an den AStV eine textliche Lösung – z.B. einen Verweis auf nationales Recht – zu den von MLT und IRL vorgetragenen Bedenken zu finden.
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