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Handy-Verbot an Schulen: Vier Organisationen fordern Medienkompetenz statt Verbot
In einem offenen Brief haben vier gesellschaftliche Organisationen politische Entscheidungsträger dazu aufgefordert, die Vermittlung und Förderung von Medienkompetenzen an Schulen zu stärken, anstatt ein pauschales Smartphone-Verbot einzuführen. Für die Initiatoren gingen die aktuellen Regelungen an der Alltagsrealität vorbei.
Viele wichtige Organisationen gegen ein pauschales Verbot
Bereits Anfang des vergangenen Jahres hatten sich zahlreiche Lehrerverbände gegen ein generelles Smartphone-Verbot an Schulen ausgesprochen, im Juli dieses Jahres forderte auch der Branchenverband Bitkom „Leitlinien statt pauschale Verbote“. Auch das Kinderhilfswerk lehnte eine pauschale Regelung frühzeitig ab und hat sich nun gemeinsam mit dem Bundeselternrat, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) sowie dem Zentrum für digitalen Fortschritt D64 in einem offenen Brief an Entscheidungsträger bei Bund und Ländern gewandt. Alle Gruppen eint die Forderung nach mehr Engagement bei der Vermittlung von Medienkompetenzen.
Medienkompetenz keine „Zusatzqualifikation“
In vielen Bundesländern gehört die Vermittlung entsprechender Fähigkeiten zwar bereits zum Bildungsauftrag, nach Ansicht der Verfasser ist dies trotz der hohen Bedeutung bislang jedoch kaum umgesetzt. Schulen sollen junge Menschen laut dem Brief auf ein Leben in der digitalen Gesellschaft vorbereiten, weshalb Medienkompetenz nicht als „Zusatzqualifikation“, sondern als „eine elementare Schlüsselkompetenz in einer digitalisierten Welt“ verstanden werden müsse. Nur wer „Informationen einordnen, Algorithmen hinterfragen und eigene Beiträge verantwortungsvoll veröffentlichen kann“, sei in der Lage, aktiv teilzuhaben. Pauschale Smartphone-Verbote stünden diesem Bildungsauftrag entgegen, da sie „Erfahrungsräume, in denen Kinder und Jugendliche lernen, mit Ablenkung, digitalem Stress und Online-Kommunikation umzugehen verhindern würden.
Die Organisationen haben in dem Schreiben mehrere zentrale Forderungen formuliert:
- Keine pauschalen Smartphone-Verbote, sondern pädagogisch begründete und lokal abgestimmte Regelungen
- Verankerung von Medienbildung als Querschnittsaufgabe oder als eigenes Fach im Bildungssystem
- Verpflichtende Beteiligung der Schulgemeinschaft an der Regelentwicklung
- Investitionen in Infrastruktur, Lehrkräftefortbildung und außerschulische Medienpädagogik
- Gemeinsame Verantwortung von Politik und Bildungsakteuren für zeitgemäße Medienbildung
Gemeinsam erarbeitete Regelungen statt Entscheidungen über die Köpfe hinweg
Für Aline Sommer-Noack, stellvertretende Vorsitzende des Bundeselternrats, gehören digitale Medien „heute zum Alltag von Kindern und Jugendlichen – und damit auch in eine zeitgemäße Schule“. Noch deutlicher äußert sich Kai Hanke, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes e.V.: „Pauschale Verbote entmündigen Kinder und Jugendliche und stehen in krassem Widerspruch zu ihrem in der UN-Kinderrechtskonvention garantierten Recht auf digitale Teilhabe sowie den Aufbau von Medienkompetenz“.
Die Organisationen sprechen sich dafür aus, dass Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam individuelle und für die jeweilige Schule passende Regelungen entwickeln sollen, die den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht werden. Dabei müsse die Stimme der Schüler besonders berücksichtigt werden, da die Diskussion ansonsten über ihre Köpfe hinweg geführt werde. Zudem werden altersdifferenzierte Regelungen vorgeschlagen, bei denen in höheren Jahrgängen stärker auf Eigenverantwortung gesetzt werden könne, während jüngere Schüler mehr Orientierung und klare Rahmenbedingungen erhalten. Medienkompetenz entstehe ihrer Ansicht nach nicht durch Verbote, sondern durch Einübung, Reflexion und pädagogische Begleitung, die nur Schule bieten könne.
Besonders Kinder aus sozial schwächeren Familien betroffen
Ein pauschales Verbot würde nach Ansicht der Verfasser nicht alle Kinder gleichermaßen betreffen. Gerade Schüler aus sozial schwächeren Familien verfügen häufig weder über die nötige Infrastruktur noch über Unterstützung durch die Eltern, sodass die Schule oftmals der einzige Ort zur Förderung digitaler Kompetenzen ist. Ein Verbot würde diesen Jugendlichen den Zugang zu wichtigen Lern- und Teilhabe-Chancen verwehren. Das gelte ebenso für Schüler mit Sprachbarrieren, Lernschwierigkeiten oder anderen Beeinträchtigungen, die durch ihre vertrauten Endgeräte oftmals individuell angepasste Assistenzsysteme nutzen.
Zudem weist das Schreiben darauf hin, dass die digitale Überforderung durch Informationsflut und fehlende Selbstbestimmung nicht nur Kinder und Jugendliche betrifft, sondern ebenso Erwachsene. Deshalb sei für sie eine „nationale Bildungsoffensive, die Medien- und Demokratiebildung zusammen denkt“ erforderlich.
Nicht Schulen, sondern die Schulkonferenz für die Umsetzung der Regelung zuständig
Zu berücksichtigen in dieser Hinsicht ist allerdings, dass in vielen Bundesländern nicht die Schulen selbst, sondern die jeweilige Schulkonferenz die Regeln festlegt. Dieses Gremium setzt sich zu gleichen Teilen aus Schülern, Lehrern und Eltern zusammen. Zwar gehören die Schulleitungen ebenfalls dazu, sie besitzen jedoch in den meisten Fällen kein Stimmrecht.
Offener Brief abgetrennt von Debatte über Altersverifikationen auf Plattformen
Die Unterzeichner betonen in dem Brief ausdrücklich, dass sich ihr Schreiben ausschließlich auf die Diskussion um ein pauschales Smartphone-Verbot an Schulen bezieht. Die parallel geführte Debatte über Altersverifikationen auf Plattformen und den gesetzlichen Jugendmedienschutz sei davon getrennt zu betrachten und nicht Teil des Briefes.