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IAA Mobility: Zwischen Hoffnung und Selbstbetrug
Während China längst Batterien und Software beherrscht, inszeniert sich die deutsche Autoindustrie mit Scheinlösungen wie Plug-in-Hybriden und verliert die Kontrolle über ihre eigene Zukunft.
In dieser Woche verwandelt sich München wieder zur Bühne für die deutsche Autolobby. Die IAA Mobility verspricht eine Leistungsschau, die suggeriert, es sei längst alles im grünen Bereich. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn vor allem E-Autos werden im Zentrum der PR-Arbeit stehen. Doch wer genauer hinschaut, erkennt, dass zwischen der Show und der Realität ein tiefer Graben klafft.
Die deutsche Industrie klebt weiter am SUV und Verbrenner fest. Das hat viele Gründe: Milliardeninvestitionen in bestehende Produktionslinien, Mängel bei der Infrastruktur und Kunden, die die E‑Mobilität weiter skeptisch sehen. Der Verbrenner wird als Schutz der heimischen Arbeitsplätze verkauft, ist aber genau das Gegenteil: Er ist der Bremsklotz unter dem Rad der Transformation.
Die Plugin-Illusion
Es wundert daher auch nicht, dass Übergangstechnologien wie der Plugin-Hybrid und Range-Extender zurzeit massiv von der Industrie gefördert werden. Das Argument lautet weiterhin, dass vor allem Plugin-Hybride den Kunden den Sprung zur Elektromobilität erleichtern. Doch Plugins werden zu selten geladen. Der Verbrauch dieser Fahrzeuge liegt rund 3,5 Mal über den angegebenen Werten. Wer nicht konsequent lädt, fährt faktisch einen schweren Benziner mit E-Bonus fürs Prospekt.
Dass die deutsche Autoindustrie die Elektromobilität noch immer nicht verstanden hat, daran ändert auch die IAA nichts. Anders als in China, wo Hersteller wie BYD oder Xpeng ihre E‑Auto-Wertschöpfungskette von der Batterie über die Software bis hin zur Produktion kontrollieren, verlässt sich Deutschland auf Bewährtes.
Die deutschen Hersteller erlangten vor allem auch deswegen Weltruhm, weil sie sich eng mit den mittelständischen Zulieferern verzahnten, die viele Innovationen beisteuerten. Getriebe von ZF, Kolben von Mahle, Elektronik von Bosch, um drei Beispiele zu nennen. Doch beim E-Auto geht man genau den entgegengesetzten Weg. Die Batterien und Elektromotoren stammen aus China, die Software aus den USA. Man hat freiwillig die Kontrolle über die wichtigsten Komponenten abgegeben.
BMW und Daimler geben Hoffnung
Ein wenig Hoffnung gibt es aber auch. BMW nähert sich mit seiner „Neue Klasse“-Architektur softwaredefinierten Autos an, mit einer Hardware-Architektur, die 20-mal mehr Rechenpower liefert und die Fahrzeugfunktionen zentralisiert steuert.
Und Mercedes-Benz liefert mit dem eigenen MBOS-Infotainmentsystem eines der besten Systeme, die es auf dem Markt gibt. Dazu öffnet sich das Unternehmen für eine Partnerschaft mit Google – beim Sprachassistenten „AI Agent“, eingebunden in die Fahrzeugarchitektur, aber mit Mercedes-Erlebnis im Fokus.
Diese Teil-Erfolge ändern nichts daran, dass die Branche als Ganzes erst zaghaft das digitale Jahrzehnt erreicht, während Techkonzerne und chinesische Autohersteller längst voraus sind. Der digitale Sprung erfordert Mut zur Neugestaltung – und den haben viele deutsche Hersteller bislang nicht gezeigt. Es reicht nicht, innensitzend neue Softwaremuskeln aufzubauen oder auf Open-Source-Initiativen zu setzen. Die strukturelle Umkehr fehlt, sie wird zur Last im globalen Wettbewerb.
Mehr Digitales wagen
Dabei gibt es genug Kompetenz, sowohl in der Batterie-, als auch in der Softwareentwicklung in Deutschland. Startups wie Pulsetrain und NordSci entwickeln revolutionäre Batterietechnologie, die von den Herstellern nur schleppend unterstützt wird. Das gilt auch für das Münchner Startup DeepDrive, die revolutionäre E-Motoren entwickeln. Die Kompetenz und das Ingenieurswissen sind da, es wird nur nicht genutzt.
Die IAA verschleiert, was sichtbar sein müsste. Der Rückstand der deutschen Autoindustrie auf die Konkurrenz aus China wird größer. Wenn BMW und Mercedes Softwarekompetenz aufbauen können, ist das gut – nicht für die Show, sondern für die Zukunft dieser Industrie. Und auch für die Digital-Nation Deutschland wäre das ein kleiner Sieg. Nur leider bleibt der große Wurf aus: Die IAA wird zum Spiegelbild einer Branche, die lernen muss, dass Mobilität nicht nur Farbe und Form ist, sondern Intelligenz und Mut.