Digital Business & Startups
In der Krise zählt, was intern passiert
2025 ist für viele Startups ein Jahr der harten Entscheidungen. Finanzierungen platzen, Marktprognosen korrigieren sich, Geschäftsmodelle geraten unter Druck. Die Folge: Entlassungen, Restrukturierungen – und immer öfter auch Insolvenzen. Dabei geht es nicht nur um betriebswirtschaftliche Fragen. Sondern auch – und oft zuerst – um Kommunikation.
Wenn klar wird, dass sich das Unternehmen verkleinern oder ganz neu aufstellen muss, stehen Führungskräfte vor einer zentralen Aufgabe: Wie wird intern kommuniziert, ohne Vertrauen zu zerstören? Und: Wie lässt sich Unsicherheit managen, wenn selbst die Geschäftsführung keine endgültigen Antworten hat?
Was eine Krise zur Krise macht – und warum Startups anders betroffen sind
Krisenkommunikation beginnt mit der Erkenntnis, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist – intern, extern oder in der Beziehung zwischen beidem. Eine Krise ist nicht nur ein operativer Einschnitt. Sie ist vor allem ein emotionales Ereignis: Mitarbeitende, Investor:innen, Kund:innen und Gründer:innen verlieren Gewissheiten, Routinen, manchmal auch ihr Vertrauen.
In Startups ist das besonders heikel. Die Organisationen sind kleiner, die Wege kürzer, der persönliche Einsatz höher. Wer hier arbeitet, ist oft nicht nur angestellt, sondern engagiert. Kommunikation ist direkter, Entscheidungen werden schneller getroffen – aber eben auch schneller spürbar. Was in Konzernen über viele Ebenen und Prozesse gefiltert wird, schlägt in Startups oft ungepuffert durch.
Doch genau darin liegt auch eine Chance: Startups sind näher an den Menschen, schneller in der Lage, Narrative zu formen. Wenn Unternehmen Kommunikation als Führungsaufgabe verstehen, kann sie zum entscheidenden Hebel werden – gerade in der Krise.
Entlassungen: Entscheidungen erklären, bevor sie getroffen sind
Kaum eine Maßnahme greift so tief ins Vertrauen eines Teams ein wie Kündigungen. Sie sind nicht nur ein betrieblicher Einschnitt, sondern ein starkes Signal – nach innen wie nach außen. Wer geht, wer bleibt, wer entscheidet: All das wird beobachtet, bewertet, weitergetragen. Gleichzeitig ist die Lage kommunikativ herausfordernd: Wer betroffen sein wird, darf oft erst nach Abstimmung mit dem Betriebsrat gesagt werden. Viele Gründer:innen schweigen deshalb – in der Hoffnung, Schaden zu vermeiden. Doch genau das verschärft die Situation.
Man kann nicht früh über Namen sprechen – aber sehr wohl über Kriterien. Was damit gemeint ist: Unternehmen sollten so früh wie möglich offenlegen, auf welcher Grundlage Entscheidungen über Kündigung oder Weiterbeschäftigung getroffen werden. Wer das transparent kommuniziert, gibt Mitarbeitenden einen Bezugsrahmen. Auch wenn sie nicht wissen, ob sie betroffen sind, können sie zumindest verstehen, warum bestimmte Überlegungen angestellt werden. Und sie können selbst einordnen, wie ihre Position oder Rolle davon berührt sein könnte.
Diese Kommunikation ersetzt keine endgültige Entscheidung – aber sie hilft, Spekulationen zu vermeiden und vermittelt, dass es ein faires, nachvollziehbares Verfahren gibt. Und genau das kann bereits dazu beitragen, Angst abzubauen.
Nicht nur die Betroffenen stehen vor einem Umbruch – auch die, die bleiben, sind verunsichert. Was passiert mit ihrer Rolle? Werden sie überlastet? Wird das Unternehmen neu ausgerichtet? All das sollte adressiert werden – frühzeitig und offen. Denn wer bleibt, braucht das Gefühl, dass es einen Plan gibt – und dass die eigene Arbeit weiterhin sinnvoll eingebunden ist.
Virtuelle Anteile: Was passiert mit dem Versprechen?
In vielen Startups sind virtuelle Beteiligungsprogramme wie ESOPs oder VSOPs ein zentraler Bestandteil der Mitarbeitendenbindung. Wer früh dabei ist, erhält die Aussicht auf einen späteren Anteil am Unternehmenswert – etwa bei einem Exit. Diese Anteile bauen sich jedoch in der Regel schrittweise über mehrere Jahre auf und verfallen, wenn Mitarbeitende vorher aus dem Unternehmen ausscheiden.
In Entlassungssituationen kann das bedeuten, dass Mitarbeitende ihre Beteiligung vollständig verlieren. Das kann für Betroffene einen erheblichen finanziellen und emotionalen Verlust bedeuten. Aber auch die Mitarbeitenden fragen sich: Was ist mein Anteil jetzt noch wert? Hat das Unternehmen überhaupt noch eine Zukunft, in der sich diese Beteiligung auszahlen kann?
Diese Fragen verdienen eine Antwort. Wer hier gar nichts sagt, hinterlässt mehr als nur Unklarheit. Er gefährdet Vertrauen. Deshalb gehört auch das Thema Beteiligung zur internen Krisenkommunikation – gerade in Startups, wo es weit mehr ist als ein Bonus: Es ist ein Versprechen.
Insolvenz kommunizieren: Orientierung geben, wenn vieles unklar ist
Insolvenz ist kein angenehmes Wort – schon gar nicht im Startup-Kosmos, wo Tempo und Wachstum oft über allem stehen. Doch für viele Gründer:innen ist sie in Zeiten knapper Mittel zur realen Option geworden.
Was viele unterschätzen: Die emotionale Wirkung auf das Team. Die formale Insolvenz kann ein Neustart sein – rechtlich, strategisch, sogar operativ. Aber nur, wenn intern verstanden wird, was sie bedeutet. Und warum sie eingeleitet wurde. Insolvenz ist nicht das Ende – aber das Team muss das wissen.
In dieser Phase gibt es mehr offene als klare Punkte. Führungskräfte sind zurückhaltend. Dabei ist es gerade hier wichtig, mit Mitarbeitenden frühzeitig zu sprechen. Es ist nicht notwendig – und oft gar nicht möglich –, alle Antworten sofort zu liefern. Entscheidend ist vielmehr eine strukturierte, nachvollziehbare Prozesskommunikation: Was ist aktuell der Stand? Welche nächsten Schritte sind geplant? Was wird geprüft? Eine regelmäßige, auch kleinteilige Kommunikation gibt Struktur in einem Zustand, der sonst von Kontrollverlust geprägt wäre. Gleichzeitig müssen die nächsten Monate skizziert werden: Wer übernimmt welche Rollen? Welche Kund:innen werden weiter betreut? Gibt es eine Zukunftsperspektive für Produkt oder Marke?
Ein häufiger Fehler: Führung verschwindet in juristischen Prozessen – und ist für das Team nicht mehr sichtbar. Dabei ist es gerade jetzt wichtig, da zu sein. Nicht, um Antworten auf alle Fragen zu haben, sondern um Halt und Orientierung zu geben.
Die Krise als Geschichte
Die “Heldenreise” als Erzählstruktur eignet sich besonders gut für Krisenkommunikation, da sie den Mitarbeitenden ein vertrautes Narrativ bietet, um Herausforderungen zu verstehen. In dieser Erzählform geht der Held (das Unternehmen) auf eine Reise, in der er Prüfungen besteht und Schwellenhüter überwindet. Am Ende findet er Lösungen und hat Erfolg. Diese Geschichte spiegelt die Realität vieler Unternehmen wider, die durch schwierige Zeiten navigieren müssen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Diese Erzählweise kann Mitarbeitenden Hoffnung und Orientierung geben, indem sie sehen, dass die Krise ein überwindbarer Teil des Prozesses ist.
Fazit: Vertrauen entsteht nicht durch Sicherheit – sondern durch Kommunikation
Weder Entlassungen noch Insolvenzen lassen sich intern “wegmoderieren”. Aber sie lassen sich erklären. Und sie lassen sich begleiten. Entlassungen passieren oft plötzlich, während Insolvenzen meist ein längerer Prozess mit vielen Veränderungen sind. Für beide gilt: Kommunikation darf nicht warten, bis alles geklärt ist. Sie muss mitwachsen – offen, ehrlich und empathisch.
Am Ende des Tages braucht es keine perfekten Botschaften, sondern klare Prozesse, ein nachvollziehbares Vorgehen und das ehrliche Bemühen, das Team mitzunehmen. Wer offen und verständlich erklärt, nach welchen Kriterien entschieden wird, sichtbar bleibt und Fragen ernst nimmt, schafft Vertrauen – selbst in Zeiten, in denen nichts mehr sicher scheint. Und legt damit die Grundlage für alles, was danach kommt.
Zum Autor
Marcus Ewald ist Gründer und Geschäftsführer der Leipziger Krisenberatung Dunkelblau. Er hat in mehr als 450 Sondersituationen Unternehmen, Organisationen und Personen durch Krisen begleitet und gehört zu den profiliertesten Krisenkommunikator:innen im deutschsprachigen Raum.
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