Künstliche Intelligenz
Jede Wohnung einzeln? Kampf um „Vollausbaurecht“ für Glasfaser
Glasfaser-Verleger dürfen derzeit Wohnungen in Deutschland nur anschließen, wenn Eigentümer respektive Mieter zustimmen. Das macht die Sache doppelt ineffizient. Erstens müssen die Verleger für jeden Vertragsabschluss neu ausrücken, zweitens wird die Vernetzung selbst im Mehrparteiengebäude ineffizient. Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) überlegt, ein „Recht auf Vollausbau“ zu schaffen, wie es bei Stromleitungen üblich ist. Damit hat er sich zwischen viele Stühle gesetzt.
Die Wohnungswirtschaft läuft zusammen mit dem Breitbandverband Anga, der traditionell viele Kabelnetzbetreiber wie Vodafone vertritt, Sturm gegen die Überlegung. Grundsätzlich positiv äußert sich jetzt der Verband der Anbieter im Digital- und Telekommunikationsmarkt (VATM), bei dem neben Vodafone auch Anbieter wie Deutsche Glasfaser, Deutsche Giganetz oder DNS:Net und andere Konkurrenten der Deutschen Telekom Mitglied sind.
Das Digitalministerium erwägt laut Eckpunkten von Mitte Juli, ein Recht auf Anschluss aller Wohnungen eines Mehrfamilienhauses zu schaffen, anstatt lauter Einzelinstallationen, um „effizienten Ausbau gebäudeinterner Netze zu ermöglichen“. „Denkbare Voraussetzungen“ sollen etwa sein, dass das ausbauwillige Unternehmen schon mindestens einen Endkundenvertrag geschlossen hat. Zudem könnte die Zustimmung des Gebäudeeigentümers erforderlich sein, wenn Wohnungen angeschlossen werden, für die noch kein Vertrag besteht. Der Ausbau sollte zudem möglichst binnen neun Monaten abgeschlossen sein.
VATM angetan
Ein Vollausbaurecht für Netzbetreiber unter klar definierten Voraussetzungen könnte „einen wichtigen Beitrag leisten, um die Glasfaserversorgung bis in die Wohnungen nachhaltig zu beschleunigen“, sagt der VATM in einem Positionspapier zum Glasfaserausbau der Gebäude-Netze (Ebene 4). Nach aktueller Rechtslage gibt ein Endkundenvertrag dem Netzbetreiber das Recht zum sogenannten Wohnungsstich in die jeweilige Wohnung, aber sonst nirgends.
Das gebührenfrei auch gleich beim Nachbarn vorzunehmen, damit der später einfacher auf Glasfaser upgraden kann, würde ermöglichen „die Inhaus-Verkabelung vorausschauend und gebäudeweit umzusetzen“. Alle Wohnungen auf einmal anzuschließen, brächte auch Vorteile für Mieter und Eigentümer: „Mehrfachanfahrten entfallen, die Lärmbelastung im Gebäude wird reduziert und Eingriffe in die Bausubstanz können auf ein Minimum beschränkt werden.“
Intakte Kooperationen nicht gefährden
Diese potenziellen Vorteile eines Vollausbaurechts und die damit mögliche „Signalwirkung“ müssten aber „durch wettbewerbssichernde Maßnahmen flankiert“ und eingeschränkt werden, um „bestehende und funktionierende Kooperationsmodelle“ nicht zu unterlaufen, heißt es beim VATM. So könnte etwa erst eine verbindliche Pflicht vorgesehen werden, einen ernsthaften Einigungsversuch mit dem Gebäudeeigentümer zu unternehmen. Es gelte also zunächst, einen „kooperativen Weg zu suchen“. Flankierend nötig seien Informationskampagnen, administrative Erleichterungen, gezielter Bürokratieabbau sowie mehr Transparenz der Telekom bei der Kupfer-Glas-Migration.
VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer begrüßt ausdrücklich, dass Wildberger den Netzausbau in den großen Mehrfamilienhäusern in den Fokus rücke: „Der Glasfaserausbau muss als gesamtwirtschaftliches Projekt verstanden werden – mit dem Ziel“, allen Mietern Zugang zu moderner digitaler Infrastruktur zu erlauben. Aktuell stocke die Glasfaserversorgung in Häusern, wenn private Eigentümer oder Gemeinschaften den Ausbau nicht mittrügen. Dies zeige eine aktuelle Marktanalyse. Langwierige Abstimmungsprozesse, Probleme bei der Zuständigkeit, fehlendes technisches Wissen oder rechtliche Unsicherheiten verzögerten zeitgemäßes Handeln.
Anga & Co: Alles OK, Regulierung unnötig
Die Immobilienverbände Haus & Grund, GdW und BFW sowie der Anga sehen hingegen „kein Problem, das einer gesetzgeberischen Intervention bedürfte“. Zusätzliche Regulierung von Inhaus-Netzen in Form von Mitnutzungsrechten und erweiterter Duldungspflicht für Gebäudeeigentümer „würde den Ausbau nicht fördern, sondern vielmehr Investitionen hemmen oder sogar verhindern“, halten sie in einem heise online vorliegenden Brief an Digitalstaatssekretär Markus Richter dagegen. Kommunikation und Verhandlung auf Augenhöhe zwischen den verschiedenen Parteien stellten angemessene Lösungen im Einzelfall sicher.
(ds)