Künstliche Intelligenz
Justiz: Einführung der E-Akte wird verschoben
Die gesamte Justiz soll überall auf die elektronische Aktenführung in allen Bereichen umgestellt werden. Während ein Teil der Anwender bereits von der E-Akte profitiert und Papier und Zeit spart, läuft es nicht überall rund. Aktuell sind viele Länder dabei die „E-Akte in Strafverfahren“ einzuführen. Jetzt soll die Frist verlängert werden und zwar auf Anfang 2027. Die Pilotphase für die E-Akte startete bereits 2016. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, den das Bundeskabinett nun beschlossen hat.
Laut BMJV wird es eine Opt-out-Regelung geben, „die es Bund und Ländern ermöglicht, bei Bedarf im Verordnungswege ausnahmsweise auch nach dem 1. Januar 2026 die Anlage und (Weiter-)Führung von Straf-, Bußgeld- und Zivilakten, Akten in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, arbeits- und sozialgerichtlichen Akten sowie gerichtlichen Akten im Strafvollzugsverfahren in Papierform zu gestatten“. Eigentlich sollten die Bundesländer zur Nutzung der elektronischen Akte zum 1. Januar 2026 verpflichtet werden. Außerdem soll es „einzelfallbezogene Ausnahmen“ von der elektronischen Form geben, etwa wenn der Aufwand ansonsten zu hoch wäre.
Ende Juli forderte Verdi, den Rollout der E‑Akte zu verlängern. Medien wie der Bayerische Rundfunk berichteten von häufigen Systemabstürzen und Verzögerungen bei den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten und auch bei den Staatsanwaltschaften. Gefordert wurden zudem offizielle Fehlermeldungen. Zuvor berichtete der Rundblick, dass das Niedersächsische Ministerium eine Verschiebung trotz Problemen nicht für notwendig halte. Seit Anfang September gibt es einen Hinweis: „Wir stellen unsere Verfahren auf die E-Akte um und bitten um Verständnis für vorübergehende Verzögerungen“.
In Hessen verlaufe die Umstellung ebenfalls nach Plan. Auf Nachfrage hatte ein Sprecher des hessischen Justizministeriums gegenüber heise online am 2. September angekündigt, die E-Akte zum Startdatum fristgerecht umsetzen zu können. Eine Herausforderung sei jedoch „die elektronische Zulieferung der bundesweiten Ermittlungsbehörden (Hauptzollamt, Bundespolizei, Bundeskriminalamt) sowie der Finanzverwaltung dar, welche sich gegenwärtig noch im Aufbau befindet“. Darauf könne die Justiz aber „nur im eingeschränkten Umfang“ Einfluss nehmen, „da die betreffenden Ermittlungsbehörden in der Zuständigkeit anderer Ressorts stehen“.
E-Akte und E-Verfahrensakte
Aus dem schleswig-holsteinischen Ministerium für Justiz und Gesundheit kam die Rückmeldung, dass die „Einführung der elektronischen Verwaltungsakte in der Justiz“ abgeschlossen sei und die der elektronischen Verfahrensakte „planmäßig voran[schreite]“. Ende 2025 werde „die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz abgeschlossen sein“. Aktuell rolle man die E-Akte in „Straf- und Bußgeldsachen“ aus.
Die elektronische Verfahrensakte betrifft die verschiedenen Gerichtsbarkeiten und wird je nach Bundesland in unterschiedlichem Tempo bei den verschiedenen Gerichten und den dortigen Fachbereichen eingeführt. Betroffen sind:
- Ordentliche Gerichtsbarkeit (Zivil-, Straf-, Familiensachen, freiwillige Gerichtsbarkeit, Strafvollzug)
- Arbeitsgerichtsbarkeit
- Verwaltungsgerichtsbarkeit
- Finanzgerichtsbarkeit
- Sozialgerichtsbarkeit
„Mit Ausnahme des Straf- und OWi-Bereichs (Anm. d. Red: OWi steht für Ordnungswidrigkeiten) ist die Einführung der elektronischen Verfahrensakte in den Fachgerichten und in der ordentlichen Gerichtsbarkeit abgeschlossen“, so der Sprecher des Justizministeriums. Die Arbeit mit der E-Akte in Strafsachen sei „insbesondere von der elektronischen Zulieferung der Polizei abhängig“, so der Sprecher, der in dieser Angelegenheit auf das dortige Innenministerium verwies.
„Besondere Schwierigkeiten bei der E-Akte Verwaltung“ sind laut schleswig-holsteinischem Innenministerium nicht aufgetreten. „Die elektronische Akte in Strafsachen ist derzeit in vier Polizeidirektionen der Landespolizei Schleswig-Holstein in Betrieb und es arbeiten ca. 3000 Mitarbeitende der Schutz- und Kriminalpolizei damit“, so eine Sprecherin des Innenministeriums. Die Anwendung sei sehr anwenderfreundlich, werde aber noch optimiert.
„Ende August 2025 wurde eine Kommunikationskomponente beschädigt“, erklärte die Sprecherin gegenüber heise online. Um Datenverluste zu vermeiden, habe „unter anderem die Landespolizei Schleswig-Holstein den Versand von elektronischen Akten in Strafsachen an die Staatsanwaltschaften für einige Tage stoppen“ müssen. Inzwischen sei die Störung vollständig behoben. Datenverluste habe es nicht gegeben.
Bananensoftware für die Polizei?
Darum hatte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Schleswig-Holstein gefordert, Software-Fehler zu beseitigen und den Betrieb zu stabilisieren. „Für umfangreiche Verfahren zeichnet sich ab, dass die Software für die sich stellenden Anforderungen noch nicht hinreichend ausgereift ist“, so der BDK. An zu vielen Stellen gelte das Motto „Workaround statt Workflow“. „Nicht durchdachte oder fehlende Funktionen“ würden zudem Umwege erzwingen, um Ziele zu erreichen.
Darüber hinaus wünscht der BDK „die zügige Implementierung weiterer notwendiger Funktionen, wie beispielsweise Texterkennung, einer benutzerfreundlichen Zitierfunktion zur einfachen Verlinkung direkt zu den Fundstellen oder einem Aktenreader zum durchgängigen Lesen der Gesamtakte und nicht nur einzelner Dokumente“. Dennoch wolle der Verband konstruktiv bleiben „und sich für eine praktikable Lösung einsetzen, die den Anforderungen einer modernen Kriminalpolizei entspricht und nicht nur dem Namen nach ergonomisch ist“.
Demnach arbeiten in der hessischen Justiz „mittlerweile alle Amtsgerichte in Zivil-, Familien-, Insolvenz-, Betreuungs-, Nachlass-, Mobiliarvollstreckungs-, Zwangsversteigerungs- sowie Zwangsverwaltungssachen mit der führenden eAkte“, hieß es. „Ebenso arbeiten alle Landgerichte in Zivilverfahren und alle hessischen Fachgerichte mit der führenden eAkte. Auch bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist die Umstellung auf die führende eAkte in Zivil- und Familiensachen erfolgreich umgesetzt“, so der Sprecher.
(mack)