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Kanadische Arbeitsbehörde kritisiert Amazon.com heftig
„Das stellt Missbrauch der Verfahren der Arbeitsbehörde dar“, kritisiert die Arbeitsbehörde der kanadischen Pazifikprovinz Britisch-Kolumbien den Online-Händler Amazon.com in einer aktuellen Entscheidung (2025 BCLRB 155). Das Unternehmen habe arbeitsrechtlichen Schutz seiner Mitarbeiter eines Lagerhauses im Raum Vancouver „absichtlich untergraben“. Amazon hat die Liste der Mitarbeiter künstlich aufgebläht, um zu verhindern, dass die Gewerkschaft ausreichend Unterschriften für eine Abstimmung über gewerkschaftliche Organisation sammeln kann.
Um in den Genuss gewerkschaftlicher Vertretung zu gelangen, müssen 45 Prozent der Mitarbeiter eines Betriebes entsprechende Absichtserklärungen unterzeichnen, die dann von der Gewerkschaft bei der Arbeitsbehörde (British Columbia Labour Relations Board) eingereicht werden. Stellt die Behörde ausreichende Unterstützung fest, kommt es im Betrieb zu einer Abstimmung, bei der mehr als die Hälfte für die Gewerkschaft stimmen muss.
Durch plötzliches Einstellen eigentlich nicht benötigter Mitarbeiter hat Amazon.com laut Behörde versucht, die 45-Prozent-Hürde für die Gewerkschaft zu erhöhen. Das sei „beispiellos, betrügerisch und unnötig“ gewesen, hat der zuständige Vizevorsitzende im Juli festgestellt (2025 BCLRB 131).
Kampagne gegen die Gewerkschaft
Zusätzlich habe das Management eine „lange und allgegenwärtige Anti-Gewerkschafts-Kampagne“ gefahren, um Mitarbeiter unter Druck zu setzen, nachdem es von den Anstrengungen zu gewerkschaftlicher Organisation erfahren hatte. Dazu gehörten mehr Präsenz von Managern, mehr Aufsicht über Arbeit, Einzelgespräche mit Mitarbeitern, Anti-Gewerkschafts-Mitteilungen auf Postern, Tischaufstellern, Bildschirmen und anderen täglich üblichen Kommunikationswegen; hinzu kamen tägliche Versammlungen und individuelle Telefonanrufe sowie plötzlich weniger harsche Arbeitsbedingungen und andere Anreize.
Genau solche Einmischung verbiete das Gesetz (BC Labour Code) Arbeitgebern. Die verhängte Strafe: Die Kollegen des Lagerhauses werden fortan von der Gewerkschaft Unifor vertreten; die Stimmzettel einer bereits erfolgten Abstimmung werden nicht ausgezählt. Im gegebenen Umfeld sei nämlich keine freie Abstimmung möglich, so die Aufsichtsbehörde.
Berufung
Dagegen hat Amazon Rechtsmittel eingelegt. Die von einem Dreiersenat abgefasste Berufungsentscheidung weist die Berufung nicht nur ab, sondern kritisiert den Konzern noch heftiger als die erste Instanz. Gewerkschaften würden zwar häufig den Vorwurf erheben, Arbeitgeber hätten die Belegschaftslisten künstlich aufgebläht, doch der Nachweis gelinge selten. In diesem Fall sei das gelungen.
Das Argument, die Anti-Gewerkschafts-Kampagne sei vom Recht auf freie Rede gedeckt, weist der Dreiersenat ab: Sobald die Gewerkschaft das Verfahren offiziell eröffnet habe, müsse sich der Arbeitgeber neutral verhalten. Amazon habe aber erst dann überhaupt mit der Anti-Gewerkschafts-Kampage begonnen.
Die am Dienstag veröffentliche Entscheidung erkennt eine „direkte Attacke“ auf die freie Wahl der Mitarbeiter, sich zu organisieren. Amazon habe die arbeitsrechtlichen Verfahren missbraucht. Dass Amazon trotz allem in Berufung gegangen ist und der Behörde damit zusätzliche Arbeit gemacht hat, kommt dort nicht gut an.
Reaktionen
„Wir haben vor dem Labour Board klar gezeigt, dass Amazon vor nichts zurückschreckt, um die demokratischen Rechte Werktätiger zu untergraben“, reagiert Gewerkschafter Gavin McGarrigle. „Amazon hat jetzt keine andere Wahl, als dem Recht zu folgen und ernst gemeinte Verhandlungen mit den Arbeitern im (Lagerhaus) YVR2 aufzunehmen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.“
heise online hat Amazon zu einer Stellungnahme eingeladen. Anfang des Jahres hat sich ein Amazon-Standort in der kanadischen Provinz Québec gewerkschaftlich organisiert. Daraufhin hat der Konzern angekündigt, alle Amazon-Lager in Québec zu schließen.
Unifor-Chefin Lana Payne sieht Signalwirkung der Entscheidung über den Einzelfall hinaus: „Das ist eine Nachricht an alle Arbeitgeber in Britisch-Kolumbien: Mischen Sie sich in das Verfahren zur gewerkschaftlichen Organisation nicht ein, oder tragen Sie die Konsequenzen.“ Überhaupt verdienten die Kollegen an allen Amazon-Einrichtungen, von einer Gewerkschaft geschützt zu werden.
(ds)