Datenschutz & Sicherheit
Kinderhilfswerk stellt sich gegen Handyverbot an Schulen
Ob lustige Sticker im Klassenchat, aufregende Clips auf TikTok oder seltene Skins für Fortnite: Smartphones haben Schüler*innen eine Menge zu bieten, was sie vom Unterricht ablenkt. Deshalb haben die meisten Schulen in Deutschland Regeln, um Kinder und Jugendliche vom Bildschirm zu lösen. Aktuell gibt es eine Debatte, ob die Bundesländer selbst gesetzliche Verbote verhängen sollen.
Bremen hat das jüngst getan, Hessen auch. Bayern wiederum hat sein landesweites Verbot bereits 2022 wieder verworfen. Nun sprechen sich vier Organisationen in einem offenen Brief gegen pauschale Smartphone-Verbote aus: das Deutsche Kinderhilfswerk, der Bundeselternrat, der gemeinnützige Verein D64 sowie die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur.
Nicht über die Köpfe der Schüler*innen hinweg
„Pauschale Verbote entmündigen Kinder und Jugendliche“, sagt Kai Hanke, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks. Solche Verbote stünden „in krassem Widerspruch zu ihrem in der UN-Kinderrechtskonvention garantierten Recht auf digitale Teilhabe“.
Die Organisationen plädieren deshalb dafür, dass Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte die Regeln gemeinsam vor Ort aushandeln. „Schulische Medienbildung darf nicht über die Köpfe der Schüler*innen hinweg entschieden werden“, heißt es im offenen Brief. In der Diskussion müssten Schüler*innen selbst gehört werden, weil es sie unmittelbar betreffe. „Regeln werden besser akzeptiert und befolgt, wenn sie gemeinsam entwickelt und von allen vorgelebt werden.“
Die Organisationen verweisen hierbei auch auf die Vorbildrolle der Eltern. Wer würde sich schon als erwachsene Person einem pauschalen Smartphone-Verbot beugen wollen? „Von Kindern und Jugendlichen ein medienfreies Verhalten zu erwarten, das Erwachsene selbst nicht konsequent vorleben, ist weder zielführend noch glaubwürdig.“
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Schulen haben Bildungsauftrag
Ein weiteres Argument aus dem offenen Brief betrifft Kinder, die außerhalb der Schule keine Gelegenheit haben, Medienkompetenz zu erlernen. „Viele Kinder aus benachteiligten Familien verfügen zu Hause weder über passende Infrastruktur noch über pädagogische Unterstützung.“ Ein Handyverbot an der Schule würde ihnen die Chance zum Lernen nehmen.
Schulen haben bei dem Thema einen Bildungsauftrag, wie aus dem Brief hervorgeht. „Nur wer Informationen einordnen, Algorithmen hinterfragen und eigene Beiträge verantwortungsvoll veröffentlichen kann, ist befähigt zur Teilhabe“, schreiben die Organisationen. Pauschale Verbote würden dem Bildungsauftrag entgegenstehen. Kinder und Jugendliche müssten lernen, mit Ablenkung und digitalem Stress umzugehen.
Leopoldina sieht Mangel an Fachpersonal
Jüngst hat auch die Leopoldina ein Diskussionspapier zu dem Thema vorgelegt. Das ist eine vom Bund und dem Land Sachsen-Anhalt finanzierte Gelehrtengesellschaft, die Politik und Öffentlichkeit berät. Anders als beim offenen Brief von Kinderhilfswerk und Co. geht es in diesem Papier nicht allein um Handy-Nutzung an der Schule, sondern generell um Risiken durch soziale Medien.
Die Forscher*innen der Leopoldina sehen ebenso ein Problem bei der Medienbildung in Deutschland. Demnach mangele es zwar nicht an Absichtserklärungen und Materialien. „Häufig scheitert schlicht die Umsetzung in den Schulen“, schreiben die Forschenden. Die Gründe dafür seien vielfältig. Es fehle unter anderem an Fachpersonal, Zeit und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte.
Ein Knackpunkt sind also offenbar Geld und Personal. Im Vergleich dazu sind gesetzlich verankerte Verbote billig zu haben, lösen aber nach Einschätzung der Fachleute keine Probleme. In ihrem offenen Brief fordern die vier Organisationen rund um das Kinderhilsfwerk, dass der Staat Geld in die Hand nimmt – für „Infrastruktur, Fortbildung und Kooperationen mit der außerschulischen Medienpädagogik“.