Datenschutz & Sicherheit

Klare Absagen zur Nutzung von Palantir in Sachsen


Über den US-Konzern Palantir und seine Polizeianalysesoftware wird gerade heftig gestritten. Anlass ist die Verfassungsbeschwerde gegen die bayerische Regelung zur automatisierten Datenanalyse in der letzten Woche sowie aktuelle Pläne von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) zur bundesweiten Nutzung von Palantir. In Sachsen kocht nun die Diskussion ebenfalls hoch.

Seit die Sächsische Zeitung berichtete, dass der dortige CDU-Innenminister Armin Schuster ebenfalls gern Palantir nutzen wolle, regt sich Widerstand. Der Ressortchef hatte sich für eine „Sicherheitsoffensive“ ausgesprochen, um die Möglichkeiten automatisierter Datenanalyse für die Polizei nutzen zu können.

Dabei gelten wegen eines Urteils aus Karlsruhe verfassungsrechtliche Anforderungen, die der polizeilichen Datenanalyse eigentlich quantitative und qualitative Grenzen setzen sollten. In den drei Bundesländern, die aktuell Palantir einsetzen, sind jeweils Verfassungsbeschwerden gegen die Polizeigesetze noch anhängig.

Die politischen Diskussionen und Beschlüsse in den restlichen Ländern sind durchwachsen: In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt soll die Polizei die Palantir-Analysesoftware einsetzen dürfen, falls die dort aktuell diskutierten Polizeigesetze durch die Parlamente kommen. Dagegen hat Hamburg Palantir gestern der Überwachungssoftware eine deutliche Absage erteilt.

Palantir

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Die politische Situation in Sachsen ist durch die Minderheitsregierung aus CDU und SPD geprägt, die bei Gesetzesänderungen mit anderen Parteien zusammenarbeiten muss. Ohne Zweifel wäre eine Nutzung von Palantir mit einer Änderung des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes verbunden, da in hohem Maße in Grundrechte eingegriffen wird. Das Polizeigesetz ist seit einem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes (pdf) in Teilen verfassungswidrig und muss ohnehin bis Mitte 2026 überarbeitet werden.

Aber wird mit dieser Novellierung auch eine Regelung zur automatisierten Datenanalyse kommen? Auch wenn Sachsen über einen bestehenden Rahmenvertrag die in „VeRA“ umgetaufte Palantir-Software nutzen wollte, müsste eine Rechtsgrundlage im Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz geschaffen werden. Wir haben daher nachgefragt, wie die Chancen für den nach Europa expandierenden US-Konzern in Sachsen stehen.

Klare Absage an Schuster

Albrecht Pallas, Innenexperte und Vizepräsident des Sächsischen Landtags. CC-BY-SA 4.0 Julian Hoffmann

Der Sprecher für Polizeifragen bei der SPD und Vizepräsident des Sächsischen Landtags, Albrecht Pallas, erteilt Ressortchef Schuster eine klare Absage, wenn es um Verträge mit dem milliardenschweren US-Konzern geht, der seit 2020 an der New Yorker Börse gehandelt wird.

Die sächsische Regierung habe die Nutzung von „VeRA“ nicht geplant, es gäbe auch keine Absichtserklärung. Die Äußerungen des sächsischen Innenministers seien lediglich „als CDU-Debattenbeitrag einzuordnen“, so Pallas. Die SPD im Bund und den Ländern habe sich „bereits mehrfach gegen die Nutzung von Palantir ausgesprochen“.

Sachsen hatte im Bundesrat für den Einsatz einer technologieoffenen polizeilichen Analysemöglichkeit gestimmt. Als Zielrichtung hatte das sächsische Innenministerium im April gegenüber netzpolitik.org angegeben, „auf Bundesebene bis 2030 ein gemeinsames Datenhaus zu implementieren“. Auf die Frage, ob sich der sächsische Innenminister für die Nutzung von Palantir oder „VeRA“ für die Polizei in Sachsen einsetze, gibt ein Sprecher aus Schusters Haus nur eine ausweichende Antwort. Der Freistaat plane „gegenwärtig keine eigenständige Beschaffung“. Man sehe aber „den Bedarf einer bundeseinheitlichen Lösung, bei der es sich herstellerunabhängig nicht um Palantir handeln muss“.

Auf die Frage danach, ob bis 2030 auf eine Palantir-„Zwischenlösung“ gesetzt werden sollte, antwortet Pallas knapp, aber deutlich: „Das wäre nicht sinnvoll.“

Das sieht das sächsische Innenministerium etwas anders. Eine Palantir-„Zwischenlösung“ schließt ein Sprecher nicht aus, allerdings würden „die internen Prüf- und Abstimmungsprozesse“ noch laufen.

Töten auf Basis von Metadaten

Keine Daten an „fragwürdige US-Tech-Oligarchen“

Valentin Lippmann, Innenexperte der Grünen im Sächsischen Landtag.

Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der oppositionellen grünen Fraktion im Landtag, hatte gegenüber der Sächsischen Zeitung von einem „Irrweg“ gesprochen, den der Innenminister einschlage. Gegenüber netzpolitik.org nannte der Innenpolitiker besonders zwei Gründe, die gegen den Einsatz derartiger Analysewerkzeuge sprechen würden. Zum einen handele es sich „um massenhaftes Data-Mining“ durch die Polizei, bei dem „auch die Daten von Bürgerinnen und Bürgern nach unklaren Kriterien verarbeitet werden, die sich vollkommen unverdächtig verhalten“. Das leiste „der Massenüberwachung Vorschub“. Lippmann hält dies „für verfassungsrechtlich unzulässig“.

Zum anderen sieht der Grüne darin eine „gefährliche Aufgabe der digitalen Souveränität“, wenn die Daten der Bürgerinnen und Bürger „in die Hände fragwürdiger US-Tech-Oligarchen“ gelangen würden, „ohne klar zu wissen, was mit diesen Daten geschieht“.

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion in Sachsen. – Alle Rechte vorbehalten Die Linke Sachsen

Der Fraktionsvorsitzende und innen- und rechtspolitische Sprecher der Linken in Sachsen, Rico Gebhardt, lehnt Schusters Ansinnen zur Nutzung von Palantir ebenfalls ab. Er betont gegenüber netzpolitik.org: „Hochsensible Daten müssen besonders geschützt werden.“ Auch „unabhängig vom konkreten Anbieter“ gebe es weitere Fragen, etwa was genau solche Software leistet. Gebhardt gibt bei Software zur automatisierten Datenanalyse zu bedenken: „Gibt es über Marketing-Behauptungen hinaus einen Nachweis, dass sie bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Strafverfolgung wirkt?“

Er erklärt, dass er zwar noch keinen Entwurf für das zu überarbeitende Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz kenne. „Aber es kann gut sein, dass der Innenminister mit neuen Befugnissen liebäugelt und die Gelegenheit nutzt, hier die KI-Nutzung einzubeziehen.“ Der Palantir-Konzern wirbt damit, in seiner Software auch Künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen.

Auch Lippmann befürchtet, dass die notwendige Anpassung des Polizeivollzugsdienstgesetzes von der schwarz-roten Minderheitskoalition genutzt werden wird, um „auch die Rechtsgrundlage für Palantir zu schaffen“.

Dafür bräuchte Schuster allerdings Stimmen der Opposition. Die könne er seitens seiner Fraktion „aktuell nicht in Aussicht stellen“, sagt der Linke Gebhardt. Aber der Innenminister hätte bisher auch noch nicht darum geworben.

Milliardäre „mit zweifelhafter politischer Agenda“

SPD-Mann Pallas weiß über das neue Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz: „Aktuell wird ein Gesetzentwurf durch die Sächsische Staatsregierung erarbeitet.“ Danach gefragt, ob er die Nutzung von Palantir für die Polizei in Sachsen für sinnvoll hält, wird der SPD-Innenexperte deutlich: „Wenn es um die Sicherheit unseres Landes und den Schutz der Bevölkerung geht, lehnen wir den Einsatz kommerzieller Software grundsätzlich ab, auch weil der Staat keine effektive Kontrolle ausüben kann.“

Ein Vertragspartner wie der US-Konzern, der zweifellos kommerzielle Software anbietet, kommt also für Pallas nicht in Frage. Mit Bezug auf die zwei Milliardäre, nämlich Peter Thiel als Palantir-Mitgründer und Alexander Karp als Palantir-CEO, erklärt der SPD-Mann unzweideutig: „In diesen sensiblen Bereichen dürfen wir uns nicht von Milliardären mit zweifelhafter politischer Agenda abhängig machen.“

Innenminister Schuster muss wohl nicht nur um die Stimmen die Opposition buhlen, sondern auch um die des eigenen Koalitionspartners. Sein Ministerium erklärt gegenüber netzpolitik.org: „Eine Änderung der Rechtsgrundlage für eine Befugnis zur anlassbezogenen automatisierten Datenanalyse ist in Vorbereitung.“

SPD-Man Pallas hingegen betont gegenüber netzpolitik.org, dass für die Gesetzesnovellierung eine neue Rechtsgrundlage für eine solche Analysesoftware in der Minderheitskoalition aus CDU und SPD „nicht vereinbart“ sei.



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