Künstliche Intelligenz

KV-Connect-Aus in NRW: „Digitaldesaster für Ärzte, Papierprivileg für Behörden“


Man stelle sich vor: Im Jahr 2025 sind Ärztinnen und Ärzte längst verpflichtet, elektronische Kommunikationswege vorzuhalten. KIM – Kommunikation im Medizinwesen – ist da, funktionsfähig, erprobt. Gesundheitsämter haben KIM-Adressen, selbst manche Krankenhäuser haben schon KIM-Adressen, Praxen ohnehin, seit Jahren schon. Alles könnte also ganz einfach sein.

Worum geht es? Um Kinderschutz. In vielen Bundesländern wird seit Jahren staatlich nachgehalten, welche Kinder zu den Vorsorgeuntersuchungen von ihren Eltern vorgestellt werden – und welche nicht. Dazu melden die Ärztinnen und Ärzte die Teilnahme. In NRW war das bisher digital möglich – unkompliziert, sicher, fast schon modern: über KV-Connect, den offiziellen Datendienst der Kassenärztlichen Vereinigungen, eigens für genau solche Anwendungen geschaffen.




Michael Achenbach ist Kinderarzt und Vorstandsmitglied im Landesverband der Kinder- und Jugendärzt:innen (BVKJ) Westfalen Lippe

(Bild: 

BVKJ

)

Doch dann tritt das Land NRW auf den Plan. Mit der Grandezza einer Behörde, die die Digitalisierung als exotisches Fremdwort betrachtet, verkündet das Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz sinngemäß: Wir schalten den bisherigen elektronischen Übermittlungsweg ab und stellen selbstverständlich keinen neuen bereit. Stattdessen schicken wir Ihnen Papierformulare und Freiumschläge. Viel Spaß beim Ausfüllen und Wegschicken. Ach ja: wöchentlich bitte. Termine einhalten, sonst droht Bürokratie-Exkommunikation.



Dieser Brief gab Anlass zu dem Kommentar.

(Bild: privat)

Das heißt: Während die Arztpraxen verpflichtet sind, moderne Kommunikationskanäle vorzuhalten, darf sich die Behörde gönnerhaft auf das gute alte Papier zurückziehen. Digitaler Rückfall de luxe. Die Ärztinnen und Ärzte, die ohnehin zwischen Patientenversorgung, Fachkräftemangel und Bürokratielawinen jonglieren, sollen bitte schön die Lücke stopfen und das Desaster ausbaden.

Und weil es bis jetzt nicht grotesk genug ist, kommt der Clou: Das Ganze hat selbstverständlich kostenfrei zu erfolgen. Ein kleines „Sonderopfer“, das man den Kinder- und Jugendärztinnen auferlegt. Denn hier geht es ja um das hohe Gut des Kinderschutzes. Dieses Gut ist allerdings nur solange hoch, wie es kostenlos zu erreichen ist. Kinderschutz zum Nulltarif, einfach per Gesetzesauflage. So kommt man in Deutschland weiter: Leistung ohne Geld.

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Ach ja, „Leistung ohne Geld“ hat sogar einen offiziellen Namen: Dienst-Leistung. Nur dass selbst die Dienenden bei der Bundeswehr immerhin einen Sold bekommen. Beim Land NRW gibt’s dafür nichts, außer neuen Formularstapeln und – man lese und staune – Freiumschlägen.

Dabei zeigen andere Länder, dass es auch anders geht: In Rheinland-Pfalz wird jede Meldung mit 1,– € Aufwandsentschädigung vergütet, im Saarland sogar mit 2,– €. Es gibt eben doch noch vereinzelte Stellen, denen Kinderschutz tatsächlich auch etwas wert ist. NRW gehört offenbar nicht dazu.

Fazit: Willkommen in Faxland NRW. Die Zukunft der Kommunikation liegt im 21. Jahrhundert – nur die Behörden haben beschlossen, lieber im Archiv des letzten Jahrtausends zu bleiben. Oder vielleicht bedeutet die Abkürzung „NRW“ ja in Wirklichkeit gar nicht Nordrhein-Westfalen, sondern einfach: „Nur-Rückwärts-Weg“.


(mack)



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