Künstliche Intelligenz
„Marvel’s Deadpool VR“ ist ein schwer auszuhaltendes Feuerwerk für Meta Quest 3
Wo „Deadpool“ draufsteht, ist eines klar: Es wird schmutzig. Comic-Fans lieben den großmäuligen Marvel-Antihelden mit Hang zu übertriebener Gewalt und Witzen unter der Gürtellinie schon seit seinem ersten Auftritt im Jahr 1991. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er schließlich durch die mittlerweile drei Teile umfassende Filmreihe mit Ryan Reynolds bekannt, und jetzt schafft es Wolverines bester und schlechtester Freund auch noch in die Virtual Reality. Schon während eines Anspieltermins auf der diesjährigen Gamescom bemerkten wir, dass „Marvel’s Deadpool VR“ absurd, brutal und vor allem schnell ist. Im Test zeigte sich nun, dass die Entwickler von Twisted Pixel auch abseits der Action genau wissen, mit wem sie es hier zu tun haben.
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Fans müssen stark sein
„Marvel’s Deadpool VR“ ist kein Spiel für VR-Neulinge oder Spieler mit schwachem Magen. Der Kampf mit Katanas und Knarren ist äußerst rasant und funktioniert ausschließlich mit flüssiger Fortbewegung per Joystick. Selbst an erfahrenen Spielern dürfte das Tempo während der Arenakämpfe nicht spurlos vorübergehen. Wilde Ausweichmanöver, schnelle Sprints und Drehungen, Doppelsprünge mit Richtungswechsel und auf dem Boden schlittern gehören zum Pflichtprogramm. Das ist auf Dauer körperlich und visuell ungeheuer anstrengend. Klar, auch die Kämpfe in „Batman: Arkham Shadow“ waren nicht ohne, aber Camouflaj setzte dabei auf Nahkämpfe, die sich eher an Rhythmus- und Fitness-Spielen wie „Beat Saber“ oder „Les Mills Bodycombat“ orientieren und größtenteils ohne künstliche Fortbewegung auskommen.
Die Action in „Marvel’s Deadpool VR“ ist rasant und könnte für einige Spieler belastend werden.
(Bild: Meta Platforms, Inc.)
Zwar gibt es zwischendurch kleine Nebenaufgaben zum Verschnaufen, doch auch außerhalb der Action bewegt sich Deadpool schon bei der leisesten Joystick-Berührung sehr schnell voran. Der Antiheld rennt Wände entlang, hüpft von Plattform zu Plattform, weicht Fallen aus und muss immer wieder gegen unzählige Gegner antreten, die aus allen Richtungen angreifen. Nur mit schnellen und abwechslungsreichen Kombo-Angriffen füllt sich das Highscore-Rating, das Spezialfähigkeiten und Geld für neue Ausrüstung freischaltet. Neben Deadpools Standardarsenal, bestehend aus je zwei Katanas und Pistolen, stehen auch Granaten in unterschiedlichen Formen sowie von Gegnern fallengelassene Wurf- und Schusswaffen aller Art zur Verfügung.
Wer die Katanas ziehen will, greift über die Schultern, die Pistolen sitzen am Gürtel und auf Höhe des unteren Rückens steckt die Greifhakenpistole – eine ungünstige Platzierung, wie sich herausstellte. Wir landeten immer wieder auf der Nase oder zielten ungewollt mit der Pistole statt mit dem Greifhaken, da die beiden Trigger-Punkte zu nah beieinander liegen. In den Komfortoptionen können Spieler, die mit Motion Sickness zu kämpfen haben, immerhin skalierbare Vignetten und Snap-Turning (stufenweise Drehungen) aktivieren. Die für viele VR-Spieler wichtige Teleport-Option fehlt allerdings. Ein Pluspunkt: Enorm fordernde Szenen können ohne Fortschrittsverlust übersprungen werden.
Kickstart My Heart
Wer mit der schnellen Spielweise grundsätzlich klarkommt, darf sich allerdings auf ein bombastisches Action-Feuerwerk freuen – und das ist nicht übertrieben. Twisted Pixel hat allein mit dem spielbaren Intro einen der ikonischsten Momente der jüngeren VR-Geschichte geschaffen. Zu den Klängen von Mötley Crües „Kickstart My Heart“ kracht und scheppert es während einer rasanten Verfolgungsjagd im Sekundentakt. Als schießwütiger Beifahrer haut Deadpool im Kugelhagel einen lockeren Spruch nach dem anderen heraus, bis am Ende nur noch das lose Mundwerk des Söldners übrig ist. Die Entwickler zeigen sich auch im weiteren Spielverlauf äußerst kreativ, was die Einbindung von Deadpools Selbstheilungskräften angeht, und setzen den Katana schwingenden Antihelden immer wieder stückweise in Szene. Mal dirigiert der Kopf den Körper aus der Ferne, mal hilft der eigene abgetrennte Arm als Knüppel im Nahkampf. Die Gewalt bleibt stets comichaft überspitzt, eine USK-18-Einstufung setzt es dennoch.
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Deadpool wird beauftragt, Marvel-Bösewichte für eine Gladiatoren-Show zu rekrutieren. Freiwillig folgen sie ihm allerdings nicht.
(Bild: Meta Platforms, Inc.)
In seiner Mission, die Einschaltquoten von MojoTV durch blutrünstige Kämpfe in die Höhe zu treiben, muss sich Deadpool während der Kampagne immer wieder bekannten Bösewichten aus dem Marvel-Universum stellen, um sie als Gladiatoren für eine intergalaktische Show zu rekrutieren. Denn freiwillig will sich niemand dem mächtigen Mojo unterordnen. „Lady Deathstrike“ und Co. erwarten Deadpool in teilweise imposant und kreativ umgesetzten Boss-Kämpfen am Ende ihrer jeweiligen Levels und haben alle ihre ganz besonderen Eigenheiten. Aus Spoilergründen gehen wir hier nicht weiter darauf ein, nur so viel vorweg: Wir hatten tierisch Spaß.
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Wer den Highscore in den jeweiligen Leveln möglichst innovativ in bester „Devil May Cry“-Manier hochjagt, darf sich in der Basis von Mojo TV mit neuen Waffen, Anzügen und Spezialfähigkeiten ausrüsten. Dadurch bleiben die Kämpfe trotz sich wiederholender Muster über viele Stunden hinweg motivierend. Der Langeweile trotzt auch das kreative Level- und Gegner-Design von Twisted Pixel. Die komplett linearen Levelschläuche (von geheimen Abschnitten mal abgesehen) bieten zwischen den Kämpfen immer wieder neue Anreize und keine Welt gleicht der anderen. Wer nach der ersten Ninja-Welt noch nicht überzeugt ist, sollte unbedingt dranbleiben. „Marvel’s Deadpool VR“ steigert sich mit jedem Level und von Bosskampf zu Bosskampf. Dazwischen sorgen kurzweilige Arena-Kämpfe auf Mojo World für Abwechslung, in denen Spieler im Team mit Deadpool-Varianten wie „Lady Deadpool“ oder „Headpool“ gegen KI-Gegner in teils absurden und teils aus Multiplayer-Shootern bekannten Spielen wie „Capture the Flag“ oder einer Art „Handball mit Knarren“ antreten dürfen. Hier gilt allerdings die gleiche Warnung: Es wird anstrengend.
Ohne Punkt und Komma
Was den Show-Appeal angeht, gibt sich Deadpool auch in VR keine Blöße. Fans der Comic- und Filmvorlagen werden mit der Inszenierung, den Dialogen und der Story ihre Freude haben. Es gibt unzählige Referenzen an das Marvel-Universum und Comic- und Videospiel-Klischees, sammelbare Cover von originalen Deadpool-Bänden und Gastauftritte bekannter Figuren. Wer mit typischem Humor der Reihe, der irgendwo zwischen urkomisch und spätpubertär angesiedelt ist, nichts anfangen kann, sollte sich den Kauf allerdings gut überlegen. „Marvel’s Deadpool VR“ ist eines der geschwätzigsten VR-Spiele, die ich bisher erlebt habe.
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Marvel’s Deadpool VR | Official Story Trailer | Meta Quest Platforms
Protagonist Wade Wilson, a. k. a. „Deadpool“, der hier von einem hervorragend aufgelegten Neil Patrick Harris („How I Met Your Mother“) synchronisiert wird, plappert ohne Strich und Komma und kommentiert beinahe jede Bewegung. Zwischen den Kämpfen liefert er sich Wortgefechte über Funk, schwadroniert über die eigene Vergangenheit oder durchbricht Deadpool-typisch die vierte Wand. Dabei zündet nicht jeder Witz, aber insgesamt haben die Autorinnen und Autoren den Ton der Vorlage nahezu perfekt getroffen und halten die Gag-Dichte hoch.
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Spieler dürfen mit zehn bis zwölf Stunden rechnen, bis die Credits über den VR-Bildschirm flackern. Wirklich schwierig wird es dabei aber selten – im Gegenteil. Deadpools Selbstheilungsfähigkeiten sind Teil des Spielerlebnisses. Der Söldner hält sehr viel aus und abgetrennte Gliedmaßen wachsen wieder nach. Sollte Spieler dennoch der Bildschirmtod ereilen, sind die Checkpoints mehr als fair gesetzt. Technisch ist Deadpool nicht ganz auf Augenhöhe mit „Batman: Arkham Shadow“ oder „Asgard’s Wrath 2“. Weder der Sound noch die Grafik erreichen das Niveau des Dunklen Ritters. Allerdings passt der gewählte Comic-Stil wie die Faust aufs Auge und kaschiert die Limitierungen der Standalone-VR-Brille hervorragend. Die Entwickler haben in sich stimmige Welten geschaffen, die nur selten mit Pop-ins, flackernden Texturen oder stockenden KI-Gegnern zu kämpfen haben. Die rasante Action läuft fast immer flüssig und die Ladezeiten halten sich in Grenzen.
Fazit: Aus dem Schatten von Arkhams dunklem Ritter
„Marvel’s Deadpool VR“ ist ein Spiel, das mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Einerseits ist es grandios inszeniert, abwechslungsreich, irrsinnig komisch und auf einem ähnlich hochwertigen Produktionsniveau wie Metas letzter Quest-Exklusiv-Titel „Batman: Arkham Shadow“. Andererseits ist es deutlich weniger zugänglich und verzichtet teilweise auf wichtige Hilfsmechanismen, die in modernen VR-Spielen eigentlich Standard sein sollten. Während Camouflaj genau verstanden hat, wie man Action in VR für ein möglichst breites Publikum umsetzt, hat Twisted Pixel Games ein Feuerwerk erschaffen, das nur schwer auszuhalten ist. Wer den körperlichen und visuellen Anforderungen gewachsen ist, darf sich allerdings auf eine rasante Achterbahnfahrt und den wohl unterhaltsamsten VR-Blockbuster für die Meta Quest 3 freuen.
„Marvel’s Deadpool VR“ ist ab dem 18. November 2025 für Meta Quest 3 und Quest 3S verfügbar und ist ab 18 Jahren freigegeben. Der Preis liegt bei knapp 50 Euro.
(joe)