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Nachhaltigkeitskommunikation: Droht mit dem Aus der Green Claims-Richtlinie eine Greenwashing-Welle?
Wenn Unternehmen ohne Grundlage das Blaue vom Himmel und das Grüne in ihren Produkten versprechen, dann ist das Greenwashing. Auch ohne Green Claims-Richtlinie.
Die Green Claims-Richtlinie war das wohl ambitionierteste Anti-Greenwashing-Projekt der EU. Gut möglich, dass es begraben wird. Und nun?
So etwas hat er noch nie erlebt. Und Sandro Gozi hat schon viel erlebt während seiner jahrzehntelangen Laufbahn als EU-Politiker. Wenige Stunden vor der dritten und vermutlich letzten Trilog-Verhandlung zur Green Claims-Richtlinie wurde dieses Treffen überraschend abgesagt. Die Kommission kündigte an, die Richtlinie einzukassieren, wenn kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht von ihr ausgenommen würden. „Dabei hat Kommission während des Gesetzgebungsverfahrens kein Vetorecht“, betont Gozi, sie sei verpflichtet, unparteiisch und unabhängig zu bleiben.
Noch ist offen, ob und wie es mit dieser Richtlinie weitergeht, die als ambitioniertes Projekt der EU zur Bekämpfung von Greenwashing gilt. Die Bandbreite der Reaktionen darüber reicht von Erleichterung über den möglichen Wegfall „überbordernden Regulierungswahnsinns“ bis zur Sorge darüber, dass nun ein vermeintlicher Freifahrschein zu einem unkontrollierten Greenwashing-Boom führen könnte.
Fairer Wettbewerb statt Verbote
„Wir sind nicht die Umwelthilfe“, sagt Münker, dem es um Transparenz und fairen Wettbewerb geht. Nicht um Verbote. Mit der Green Claims-Richtlinie wurde er deswegen nie richtig warm. „Wir haben schon 2023 eine kritische Stellungnahme zu der geplanten Richtlinie an die EU-Kommission übermittelt“, so Münker. Die Ziele seien richtig, doch es habe sich von Beginn an die Frage nach der Erforderlichkeit dieser Regelungen gestellt. „Wir sind vor allem kritisch, was den Paradigmenwechsel angeht zu einem Verbot von Umweltaussagen, die nicht vorab zertifiziert sind.“ Dabei könnten schon die bestehenden Regeln vor Greenwashing schützen, betont Münker. Etwa die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie), die schon heute irreführende und intransparente Umweltaussagen untersagt.
Und auch aus Europa kommen mit der Empowering Consumers-Richtlinie, kurz: EmpCo, neue Vorschriften zum Werben mit Umweltaussagen. Unabhängig von der Zukunft der Green Claims. Denn die EmpCo ist beschlossene Sache, muss bis September 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie wird besagte UGP-Richtlinie verschärfen sowie die bestehende Verbraucherrechte-Richtlinie.
EmpCo unterbindet Greenwashing
Beide Richtlinien eine das Ziel, Verbrauchern nachhaltige Kaufentscheidungen zu erleichtern und Greenwashing zu unterbinden. „Aber sie setzen an unterschiedlichen Stellen an. Die EmpCo will Verbraucher vor irreführender Werbung mit Umweltversprechen schützen und untersagt deshalb alle allgemeinen, unspezifischen Umweltversprechen und selbstkreierte Nachhaltigkeits-Label. Sie will erreichen, dass diese Claims konkreter und substanzieller werden“, erklärt Gebhard.
Was steht wo?
Kern: Vorab-Prüfung jedes Claims durch akkreditierte Zertifizierer
Weiterer Zeitplan: unklar
EmpCo-Richtlinie
Kern: Verbot allgemeiner, unspezifischer Umweltversprechen und selbstkreierter Nachhaltigkeitslabels
Weiterer Zeitplan: Die Richtlinie ist am 26. März 2024 in Kraft getreten. Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten muss bis zum 27. März 2026 erfolgen und wird ab dem 27. September 2026 Anwendung finden.
Die Green Claims Directive lege den Fokus auf auf deren Belegbarkeit und verlangt, dass alle Umweltversprechen auf Basis anerkannter wissenschaftlicher Standards belegt und unabhängig überprüft werden. „Insofern kann die EmpCo nicht leisten, was die Green Claims-Directive verspricht. Aber sie kann sie ganz wesentlich dazu beitragen, dass Greenwashing unterbunden wird“, sagt Gebhard.
Katrin Schmuck steht dem Brüsseler Hickhack um die Green Claims recht gelassen gegenüber. „Wir bei Olymp sind schon immer und auch nach wie vor der Überzeugung, dass die Unternehmenskommunikation ehrlichen, fairen und moralisch einwandfreien Grundsätzen folgen muss. Daher halten wir es auch für richtig, dass Unternehmen dazu verpflichtet werden, Umweltaussagen nur dann zu tätigen, wenn diese wahrheitsgemäß und belegbar sind. Die Debatten über eine Abschwächung oder gar Abschaffung der Direktive senden aber kein positives Signal an jene Unternehmen, die heute schon alles dafür tun, ihrer unternehmerischen Verantwortung bestmöglich gerecht zu werden.“
Da der Verwaltungsaufwand für Zertifizierungen und Mitgliedschaften als Basis für valide Nachhaltigkeitsaussagen teilweise sehr hoch sei, begrüßt sie faire Bedingungen für alle. „Aber wir setzen darauf, dass sich die Kunden, ähnlich wie bei den Lebensmitteln, stärker über Produktionsbedingungen informieren und ihre Kaufentscheidung entsprechend tätigen werden.“
Dieser Text erschien zuerst beim HORIZONT-Schwestertitel www.textilwirtschaft.de.