Datenschutz & Sicherheit
Protest gegen die Chatkontrolle: So geht Demokratie
Der Protest gegen die Chatkontrolle zeigt, dass zivilgesellschaftliches Engagement, Aktionen, Petitionen, Anrufe und Briefe eine Wirkung haben. Alle, die sich in den letzten Tagen, Wochen und Jahren engagiert haben, spüren gerade Selbstwirksamkeit.
Sie belegen, dass mit Fakten, guten Argumenten und zivilgesellschaftlichen Bündnissen Änderungen möglich sind. Das ist eine wichtige demokratische Erfahrung, die wir in letzter Zeit viel zu selten machen. Und die Erfahrung, dass es sich lohnt, sich zu verbünden und eine wache Gesellschaft wichtige politische Anliegen auch durchsetzen kann. Lasst Euch nichts anderes erzählen.
Seit vergangenem Mittwoch ist ein Sturm über die Bundesregierung in Sachen Chatkontrolle hereingebrochen. Die hatte sich, nicht wie die Vorgängerregierung gegen die Überwachungspläne der EU positioniert – und man konnte aus Regierungskreisen sogar hören, dass eine Zustimmung zur Chatkontrolle geplant war.
Das ist nun vorbei. Noch nie war die Ablehnung der Chatkontrolle in Deutschland so breit wie heute, über alle Parteien hinweg. Man musste sich ja fast ungläubig die Augen reiben, wer jetzt alles gegen die Chatkontrolle ist. Das ist ein wunderbarer Erfolg, der die elementare Wichtigkeit privater, vertraulicher und verschlüsselter Kommunikation und ihre Bedeutung für die Demokratie untermauert. Das war ein guter Tag für Grund- und Freiheitsrechte.
Wenn viele Leute an vielen Orten…
Dass wir heute so dastehen und die Chatkontrolle weiterhin verhindern, ist das Verdienst von europäischen Bürgerrechts- und Digitalorganisationen, von Abgeordneten im Europaparlament und im Bundestag sowie ihren Mitarbeiter:innen, von Menschen, die Informationen durchstechen und Jurist:innen, welche die Finessen der Gesetzestexte erklären.
Es ist das Verdienst von Wissenschaftler:innen, die die Gefahr der Technologie erläutern und von den unterschiedlichsten Verbänden, die mit Vernunft und Weitsicht für Grund- und Freiheitsrechte kämpfen. Es ist das Verdienst von Menschen, die einfach voller Tatendrang losgelegt haben, Kampagnenseiten gebaut oder Protestplakate gemalt haben. Es ist das Verdienst der Unermüdlichen, die am Ball bleiben und der Spontanen, die einfach wütend sind.
Manche Menschen arbeiten seit mehr als vier Jahren an der Chatkontrolle, als das Thema das erste Mal aufkam. Sie fingen an, als sich niemand dafür interessierte, sie aber die Gefahr dieser Pläne sahen. Sie haben zusammen das Thema so groß und wichtig gemacht, so dass wir alle heute verstehen, was es bedeuten würde, wenn WhatsApp, Signal und alle andere digitale Kommunikation durchleuchtet würde.
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Dass wir heute noch keine Chatkontrolle haben, verdanken wir Bündnissen, die es geschafft haben von der Hackerin über den Kinderschützer bis hin zum Fußballfan Menschen zu versammeln und die Brisanz des Themas zu erklären. Menschen, die sich zu gemeinsamem Tun anstecken.
So geht Demokratie, und es ist Ehre und ein Vergnügen, einen Teil dazu beizutragen. Es ist dabei egal, ob Du schon seit Jahren dabei bist oder gerade erst vor 20 Minuten die Petition unterschrieben hast. Das Zusammen der Vielen in Unterschiedlichkeit, das ist eine Stärke. Da kommen Regierungen ins Schwitzen.
Nur ein Spiel in einer langen Saison
Der Kampf um die Chatkontrolle ist noch lange nicht vorüber. Aber immerhin ist klar, dass Deutschland auf längere Sicht einem standardmäßigen anlasslosen Durchleuchten unserer privaten Kommunikation in der EU erst einmal nicht zustimmen wird. Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern: Die Sache ist erst sicher, wenn wir die Bundesregierung dazu bringen, dass sie jegliche Form von Hintertüren oder Client-Side-Scanning dezidiert ausschließt.
Dennoch ist das Erreichte ein toller Erfolg für eine Zivilgesellschaft, die an einem Strang gezogen hat – gegen einen Angriff auf Grundrechte und Demokratie. Wir haben ganz schön ordentlich Druck gemacht!
In der EU ist die Chatkontrolle deswegen noch lange nicht vom Tisch. Derzeit steht im EU-Rat nur eine Sperrminorität von einigen Ländern, die sich der Chatkontrolle verweigern. Es wird also nötig sein, dass wir viel europäischer denken und unsere europäischen Nachbarn in Frankreich, Italien und Schweden überzeugen, dass auch sie gegen die Chatkontrolle stimmen. Politik und gemeinsame Proteste, das müssen wir in der EU viel größer zu denken als in sonst so kleinen deutschen Debatten.
Chapeau, danke und weiter so.