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„Splinter Cell: Deathwatch“ auf Netflix: Nostalgisches Blutbad


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

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Spielefans der frühen 2000er Jahre schauen in jedem engen Flur prüfend nach oben: Vielleicht lauert dort ein dreiäugiger Froschmann im Spagat. „Splinter Cell“ hat die Perspektive auf Videospiele verändert. Es ist ein heimlicher, halb vergessener Meilenstein der Spielegeschichte. Kein Spiel sah 2002 auf der ersten Xbox so gut aus, kein Titel erzählte derart finstere Spionagethriller, und kein Sprecher konnte so fies knurren wie Michael Ironside als Sam Fisher.

Geschlichen wird in vielen Spielen, aber keine Serie fing die Vorstellung eines tödlichen Schattenspiels so gut ein. Als athletischer Superspion mit Nachtsichtgerät und High-Tech-Gadgets durch Botschaften, Banken und Büros zu schleichen, fühlte sich gefährlich an. Drei Spiele lang war die Serie richtig gut, überzeugte mit kniffligen Missionen und beeindruckend realistischer Grafik. Damit waren Fishers beste Zeiten aber auch schon vorbei. Auf den Höhepunkt „Splinter Cell: Chaos Theory“ folgten technische Probleme, unfokussierte Action und schließlich ein anderer Sprecher, mit dem der Veteran Fisher plötzlich wieder jünger klang.

Und nun erscheint über ein Jahrzehnt nach dem letzten Spiel mit „Splinter Cell: Deathwatch“ eine lange angekündigte Fortsetzung der Geschichte als Zeichentrickserie auf Netflix. Der inzwischen 75-jährige Ironside hat in einem Podcast selbst eingeschätzt, dass er für die Rolle „auf keinen Fall“ mehr geeignet sei. Und so spricht der 58 Jahre junge Liev Schreiber einen gealterten, bärtigen Fisher, der zu Beginn der Serie Holz hackt und Kühe hält.



Fisher ist noch im Training, meidet aber den Friseur.

(Bild: Netflix)

Anfangs sieht es noch so aus, als müsste er nur einen Staffelstab weitergeben, doch das ändert sich schnell. Die neue Protagonistin Zinnia McKenna (Kirby Howell-Baptiste) ist jung, kann ebenfalls gut schleichen, erlebt aber gleich zu Beginn der Serie eine Katastrophe, die Motivation für mindestens eine Staffel voll mörderischer Rache liefert. Das ist nicht subtil, aber durchaus typisch für „Splinter Cell“.

Und dann tritt auch noch Familie Shetland auf und mit ihr das private Militärunternehmen Displace International. Das ist ein fast schon anbiedernder Rückgriff auf gute, alte Zeiten. Denn was Sam und sein alter Kumpel Douglas Shetland 2005 in „Chaos Theory“ erlebten, wird in „Deathwatch“ zu einem Knackpunkt. Um den Plot dieses Achtteilers zu verstehen, muss man das alte Spiel aber nicht auspacken.

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Wer bei den alten „Splinter Cell“-Spielen immer so unsichtbar wie möglich unterwegs war, der erlebt allerdings ein anderes Genre. Sam und Zinnia fangen jede Mission leise an, doch in jeder der acht ca. 25-minütigen Folgen muss es auch mal richtig krachen. Öffnet sich plötzlich die falsche Tür, lädt Sam nicht den letzten Checkpunkt, sondern wechselt den Modus. Über weite Strecken ist der Stil eher James Bond als Stealth Action; die junge Frau und der alte Mann beseitigen zahllose Schergen.

Der globetrottende Plot spielt über weite Strecken in Europa, auch wenn die optische Abwechslung etwas im Dunkelgrau der Spionage absäuft; in Gdansk liegt Schnee, in Hamburg hat die Autobahn kein Tempolimit. Dazu gibt es die eine oder andere Gebäudesilhouette zum Wiedererkennen.



Die Actionszenen nehmen es mit dem Realismus nicht so genau.

(Bild: Netflix)

Das kann man enttäuschend finden. Doch wer von der Geschichte zuviel erwartet, der ist hier so falsch wie in einem B-Movie. Schrecklich viel Sinn ergibt der doppelbödige Verschwörungsplot nie, und wenn ein geheimnisvolles Projekt „Xanadu“ heißt, ist womöglich ein Augenzwinkern der Autoren erkennbar. Die kryptischen Untertitel und Codenamen von „Splinter Cell“ haben spätestens seit dem zweiten Spiel „Pandora Tomorrow“ immer auch Spott auf sich gezogen. In dieser Spionagewelt gibt es immer noch einen Schnörkel, noch eine mögliche Überraschung, mit der Dinge noch einmal in einem neuen Licht erscheinen. Das war in den Spielen schon so und ist auch hier nicht anders.

Dazu passen auch Schusswechsel in klassischer Actionfilmlogik. Sam und Zinnia erleiden eher symbolische Fleischwunden, es sei denn ein gefährlicher Endboss greift zur Waffe. Auch der Plot hält sich nicht lange mit Sam als väterlichem Freund der verbissenen Zinnia auf. Ein bisschen Charakterentwicklung muss reichen, dann geht es weiter zum nächsten Einsatz, der höchstwahrscheinlich wieder eskaliert.

Optisch bleibt die Serie eher nüchtern. Einerseits passt der realistische Stil gut zu den „Splinter-Cell“-Spielen, andererseits geht damit ein Reiz von früher verloren. Ein technisches Schaustück waren die Spiele, dieser Zeichentrick dagegen geht im animierten Netflix-Programm unter. Die Regie ist effektiv, die Geschichte kommt immer schnell zur Sache, doch sie greift ständig auf dramaturgische und visuelle Klischees zurück. Das Ziel ist gute Unterhaltung, nicht irgendetwas Originelles oder Neues.



Zinnia ist ungefähr so zynisch und verbissen wie Sam.

(Bild: Netflix)

Immerhin steht am Ende auch wirklich kurzweilige Unterhaltung. Nach mehr als einem enttäuschenden Spiel und diversen abgebrochenen Folgeprojekten ist das durchaus eine Überraschung. In dieselbe Kategorie gehört auch die Performance von Liev Schreiber: Er spricht seinen älteren Fisher so überzeugend, dass nur Ironside-Ultras enttäuscht sein dürften. Die deutsche Synchronisation wirkt ebenfalls sauber.

Schreiber funktioniert als Fisher, und „Deathwatch“ funktioniert als eine Fortsetzung von „Splinter Cell“. Klein und bescheiden fällt die Zeichentrickserie aus, mit einem linearen Plot und einer Lauflänge für ein bis zwei Fernsehabende. Doch immerhin ist „Splinter Cell: Deathwatch“ ein Lebenszeichen.


(dahe)



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