Künstliche Intelligenz
Studie: Die EU wird ihr Ladeziel 2030 für E-Autos deutlich verfehlen
Die Europäische Union wird ihr selbst gestecktes Ziel für den Ausbau der Infrastruktur für E-Autos auf 3,5 Millionen Ladepunkte bis 2030 voraussichtlich krachend verfehlen. Aktuell sind in allen Mitgliedsstaaten zusammen nur rund 910.000 Stromzapfstellen zugänglich – weniger als ein Viertel der Vorgabe der EU-Kommission. Das geht aus einer Studie zur E-Mobilität von Motointegrator und DataPulse Research hervor, die die gravierenden Lücken und Defizite im europäischen Ladenetz beleuchtet.
Bei der derzeitigen Ausbaurate von etwa 150.000 neuen Ladepunkten pro Jahr wird die EU bis 2030 voraussichtlich nur etwa 1,7 Millionen erreichen. Um das 3,5-Millionen-Ziel noch zu schaffen, müssten jährlich über 500.000 neue Anschlüsse zum Stromtanken installiert werden – mehr als das Dreifache des aktuellen Tempos. Der europäische Automobilherstellerverband ACEA hält das Kommissionsziel sogar für zu niedrig und fordert 8,8 Millionen Ladepunkte bis 2030, was einen jährlichen Ausbau von rund 1,5 Millionen erfordern würde.
Das Problem ist laut der Analyse nicht nur die reine Menge, sondern auch die Verteilung der Ladepunkte und deren Ladegeschwindigkeit. Während Städte tendenziell gut versorgt sind, zeigen sich auf dem Land, an Nebenstraßen, grenzüberschreitenden Verbindungen und in einigen Regionen große weiße Flecken. Insbesondere in Nordskandinavien, Teilen Zentral-Deutschlands, dem ländlichen Frankreich und dem spanischen Landesinneren weisen viele Streckenabschnitte 40 km oder mehr ohne zugänglichen Ladepunkt auf. Diese Distanz gilt als kritische Komfortschwelle, da die meisten E-Autos bei einer Restreichweite von etwa 50 km warnen.
Mangelhafte Verteilung und Geschwindigkeit
Die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe ist zwar die gemeinsame Basis und fordert unter anderem schnelle Standorte mit über 150 kW alle 60 km auf dem Straßenkernnetz bis 2025. Die tatsächliche Abdeckung aller zugänglichen Ladepunkte zeigt aber große regionale Unterschiede.
Um das Netz effektiv zu verbessern, raten die Forscher dazu, nicht nur „mehr Punkte“ zu bauen, sondern gezielt die 40-Kilometer-Zonen zu verkleinern. Entscheidend sei die Platzierung von Hochleistungs-Hubs mit über 150 kW auch an wichtigen Nebenverkehrsadern, um das Vertrauen der E-Auto-Fahrer zu stärken und die Reichweitenangst zu mindern.
Der Supermarkt-Effekt
Die nationalen Ziele der EU-Länder sind uneinheitlich: Deutschland strebt 1 Million Ladepunkte bis 2030 an und will den Ausbau laut dem jüngsten Autodialog im Kanzleramt beschleunigen. Frankreich peilt dagegen nur 400.000 solcher Zapfanschlüsse an. Viele andere Länder konzentrieren sich allein auf die Leistungs- und Korridorabdeckung gemäß den EU-Vorgaben, statt auf eine feste Zahl von Punkten.
Als unerwarteter Lückenfüller entwickelt sich der Einzelhandel. Die Parkplätze von Supermärkten und Handelsketten eignen sich ideal, da die Verweildauer der Kunden passt, der Zugang einfach ist und die Netzkapazität oft in der Nähe liegt. Handelsriesen wie die Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland) haben Tausende von Ladepunkten in ganz Europa errichtet. Allein Lidl betreibt mit 8855 Ladepunkten doppelt so viele wie ganze Länder. Irland etwa kommt derzeit auf 4842, Slowenien auf 3336. Private Ausbauten können Lücken laut den Autoren schneller schließen als staatliche Programme, insbesondere wenn der Zugang offen ist und kontaktloses Bezahlen möglich ist.
Um die Lücke zu schließen, sind den Verfassern zufolge auch raschere Genehmigungsverfahren, stärkere Netzanschlüsse und eine höhere Konzentration von Schnelllade-Hubs erforderlich. Zudem sollten eine garantierte Betriebszeit und eine klare Preisgestaltung gewährleistet werden, um ein fragmentiertes Angebot zu vermeiden, das Fahrer zum Jonglieren mit zu vielen Apps und Tarifen zwingt. Die besten Märkte zeigten eine gesunde Mischung aus einigen großen Anbietern wie TotalEnergies, Vattenfall und Enel sowie einem gesunden Randbereich, gestützt durch echtes Roaming und transparente Preise.
(mki)