Künstliche Intelligenz
Studie: Warnung vor Engpässen bei Lithiumversorgung in Europa, China und USA
Forscher aus China, Schweden und Norwegen warnen vor möglichen Engpässen in der Lithium-Versorgung in Europa, China und den USA – drei großen Märkten für Elektromobilität. Trotz geplanter Produktionssteigerungen zwischen 2025 und 2030 könnten die Kapazitäten nicht ausreichen, zeigt demnach die Studie „Long on expectations, short on supply: Regional lithium imbalances and the effects of trade allocations by China, the EU, and the USA“, die am heutigen Donnerstag im Fachmagazin „Cell Reports Sustainability“ veröffentlicht wurde.
Europa und USA auf Importe angewiesen
Aus der Analyse von 16 Szenarien zur Produktion und zum Bedarf von Lithium und seinen Zwischenprodukten geht hervor, dass insbesondere Europa und die USA auf Importe angewiesen bleiben. Nur China könnte laut der Modellierungsstudie von Xia Q et al. mit kleineren Batteriekapazitäten seinen Bedarf weitgehend selbst decken. Fachleute betonen, dass die Wertschöpfungskette komplexer ist als in der Studie modelliert, und empfehlen, Lithium effizienter einzusetzen – etwa durch kleinere Batterien oder mehr geteilte Mobilitätsangebote.
Zur Einschätzung der Produktion wurden Informationen zu Abbauprojekten aus Pressemitteilungen, Machbarkeitsstudien und Statistiken gesammelt und daraus verschiedene Szenarien für die Produktion von Lithium erstellt. Um den zukünftigen Bedarf abzuschätzen, wurden zwei Szenarien der Internationalen Energieagentur (IEA) zu den Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen mit vier unterschiedlichen Annahmen zur Batteriekapazität kombiniert.
Prof. Dr. Christoph Helbig, Professor für Ökologische Ressourcentechnologie an der Universität Bayreuth, kritisiert an der Studie, dass deren Autoren sich „ausschließlich auf den Handel mit Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid, zwei Zwischenprodukten“, konzentriert haben. „Der verfolgte Modellierungsansatz der Autoren ist auf die Produktion und den Handel mit Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid beschränkt. Die Autoren erwähnen zwar den für die globale Versorgung sehr wichtigen Handelsstrom von Lithiumgestein zur weiteren Verarbeitung von Australien nach China textlich, werten diesen allerdings nicht quantitativ aus. Damit fehlt in den modellierten Szenarien ein wesentlicher Baustein der globalen Lithium-Lieferkette und die Ergebnisse dieses Fachaufsatzes sollten daher nicht überinterpretiert werden“, so Helbig.
„Die Autoren der Studie entwerfen Szenarien für die Nachfrage und Produktion von Lithium auf Grundlage international anerkannter Prognosen und den Ankündigungen der Produzenten. […] Die Bandbreite der berücksichtigten Szenarien deckt jedoch einige mögliche Entwicklungen ab und scheint damit recht robust. Das Kernergebnis der Studie steigender Lithium-Nachfrage und unklarer Versorgungslage sollte also ernst genommen werden“, so Dr. Christoph Neef, wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, auf Nachfrage vom Science Media Center. Er weist zudem darauf hin, dass auch Alternativtechnologien wie Natrium-Ionen-Batterien besonders im Elektrofahrzeugmarkt bis 2030 noch keinerlei Entlastung bringen werden.
Auch Neef äußert Kritik daran, dass die Wertschöpfungs- und Lieferkette in der Studie „stark auf die Inverkehrbringung der Fahrzeuge, also die Nachfrage, sowie die Gewinnung von Lithium, also das Angebot, verkürzt [wird]“. Doch bereits jetzt komme „eine große Zahl der in Europa in Verkehr gebrachten Batterien aus Asien, das darin enthaltene Lithium aber aus Australien oder Südamerika. Besteht deshalb in Europa eine Versorgungsknappheit mit Lithium? Offenbar nicht, denn darum müssen sich nicht zuletzt die Zulieferer in der Materialindustrie kümmern, und die sitzen überwiegend in China oder Südkorea“.
Dennoch räumt Neef ein, dass Europa, die USA und in Teilen Chinas abhängig von Rohstoffen anderer Länder sind. Der Lithiummangel betreffe zuerst die Märkte, in denen die Kunden weniger zahlungskräftig sind. „Dies ist erfahrungsgemäß nicht in Europa oder den USA der Fall und hat mit den eigenen Produktionskapazitäten für Rohstoffe wenig zu tun“, so Neef. Die eigene Rohstoffförderung spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle.
(mack)