Datenschutz & Sicherheit

Trump-Regierung lässt Anti-Abschiebe-App viral gehen


Üblicherweise dominieren die immer gleichen Apps die Ranglisten von App Stores: große soziale Netzwerke, Chatbots oder Spiele. In den USA belegt seit ein paar Tagen mit ICEBlock ein Neueinsteiger die Spitzenplätze. Die iPhone-App ging über Nacht viral, seit die Trump-Regierung mit Drohungen gegen sie und den Entwickler um sich wirft.

Unter dem Motto „See something, tap something“ – eine Anspielung auf eine langjährige Anti-Terror-Kampagne des Heimatschutzministeriums DHS – können Nutzer:innen über die App Aktivitäten der Abschiebebehörde ICE in ihrer Umgebung melden. Dabei können sie angeben, wie viele Agent:innen im Einsatz sind, welche Kleidung sie tragen oder welche Autos sie fahren. Umgekehrt schickt die App Benachrichtigungen an Interessierte, wenn ICE-Razzien innerhalb eines Fünf-Meilen-Radius stattfinden.

Veröffentlicht hatte der Entwickler Joshua Aaron die App bereits im April. Ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit ist ICEBlock erst durch einen Bericht des Senders CNN am Wochenende geraten. „Als ich sah, was in diesem Land passiert, wollte ich etwas tun, um mich zu wehren“, erklärte Aaron gegenüber CNN. Die Abschiebepraxis der Trump-Regierung erinnere ihn Nazi-Deutschland, sagte der Entwickler: „Wir sehen buchstäblich, wie sich die Geschichte wiederholt.“

Unbeliebte Massenabschiebungen

Zur Wahl war US-Präsident Trump unter anderem mit dem Versprechen des „größten Abschiebeprogramms in der amerikanischen Geschichte“ angetreten. Täglich sollen mindestens 3.000 Menschen ohne Papiere festgenommen werden, lautet die Zielvorgabe aus dem Weißen Haus. Das trifft auch viele, die alle Regeln befolgen, selbst bei Migrant:innen mit gültigen Papieren greift die Angst um sich. „Wir werden euch jagen“, tönte Heimatschutzministerin Kristi Noem und meinte damit wohl weniger Kriminelle, sondern vielmehr Menschen mit der „falschen“ Hautfarbe.

Vor allem in Gegenden mit hohem Anteil an Zuwanderern hat das für Proteste und zivilen Ungehorsam gesorgt. Im kalifornischen Los Angeles etwa hatte die Eskalation durch ICE zu Demonstrationen und letztlich sogar zu einem von Trump angeordneten Militäreinsatz geführt. Das rücksichtslose Vorgehen von ICE wird zunehmend unpopulär, inzwischen lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung die Massendeportationen ab.

Vor dem CNN-Bericht soll die App rund 20.000 Nutzer:innen gehabt haben, viele davon in Los Angeles. ICEBlock sei als „Frühwarnsystem“ konzipiert, sagte der Entwickler dem Sender. Es gehe nicht darum, Konfrontationen mit der Abschiebebehörde auszulösen, sondern umgekehrt darum, ICE aus dem Weg gehen zu können, so Aaron. Dabei würden keine personenbezogenen Daten gesammelt, alles laufe anonym ab.

Regierung schüchtert Entwickler ein

Das stellt die Trump-Administration anders dar. „Das sieht eindeutig nach Behinderung der Justiz aus“, schrieb DHS-Chefin Noem auf Elon Musks Kurznachrichtendienst X. „Tapfere ICE-Agent:innen“ würden einen Anstieg der Gewalt gegen sie um 500 Prozent beobachten, behauptete sie ohne Beleg. Ins gleiche Horn stießen unter anderem der amtierende ICE-Chef Todd Lyons, „Grenz-Zar“ Tom Homan und die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt.

Ins Visier der Regierung gerät zum einen die Presse. So gefährde die Berichterstattung von CNN das Leben von ICE-Agenten und helfe Kriminellen, sagte Behördenchef Lyons. „Handelt es sich hier einfach nur um rücksichtslosen ‚Journalismus‘ oder um offenen Aktivismus?“, so Lyons in einer Stellungnahme.

Zum anderen droht die Regierung dem Entwickler Aaron. Seine App würde Kriminelle benachrichtigen, sagte Justizministerin Pam Bondi. „Das kann er nicht tun, wir beobachten das, wir beobachten ihn, und er sollte sich lieber in Acht nehmen“, warnte Bondi. „Das ist keine geschützte Meinungsäußerung, das bedroht das Leben unserer Polizeibeamten im ganzen Land, und Schande über CNN!“, so die Justizministerin.

Streisand-Effekt macht App bekannt

Bislang hatte die Einschüchterungstaktik den gegenteiligen Effekt. Der Streisand-Logik nach ist die App so bekannt wie noch nie, und Entwickler Aaron setzt sich in sozialen Medien weiter offen für die Abschaffung der Abschiebebehörde ICE ein. Ob die dünnhäutige Trump-Regierung Druck auf Apple ausüben wird, der App den einzigen Distributionskanal abzuklemmen, könnte sich bald zeigen.

Bis auf Weiteres gibt es ICEBlock nur für das iOS-Betriebssystem von Apple. Dem Entwickler zufolge müsste die App unter Android potenziell sensible Daten sammeln und würde so Nutzer:innen gefährden. „Wir wollen weder Geräte-ID noch IP-Adresse oder Standort“, sagte Aaron gegenüber CNN. „Wir wollen nicht, dass irgendetwas auffindbar ist. Deshalb ist es 100 % anonym und kostenlos für alle, die es nutzen möchten.“

Die Vorsicht ist durchaus angebracht, zumal sich viele Tech-Bosse an die Trump-Regierung angebiedert haben, um sich Vorteile zu verschaffen. Zudem laufen die Verhaftungs- und Abschiebewellen zunehmend datengetrieben ab, in riesigen Datenbanken werden Informationen aus allen nur erdenklichen Quellen zusammengeführt und ausgewertet. Die USA verwandelten sich in einen von Künstlicher Intelligenz befeuerten Überwachungsstaat, warnte jüngst die liberale Nichtregierungsorganisation Freedom House.



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