Künstliche Intelligenz
Verband: Deutschland liegt beim Quantencomputing zwei bis drei Jahre zurück
Führende Experten auf dem Gebiet der Quantentechnologien ziehen ein gemischtes Fazit zum Stand Deutschlands auf diesem Zukunftsgebiet. Die Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung und jungen Unternehmen funktioniere in etablierten regionalen Ökosystemen wie München, Stuttgart/Ulm, Jülich und Braunschweig sehr gut, betonen die Wissenschaftler in einem Positionspapier, das der Elektrotechnik- und IT-Verband VDE im Vorfeld des Kongresses MikroSystemTechnik in Duisburg veröffentlicht hat. Erste Produkte für Quantensensorik und IT-Sicherheit seien bereits auf dem Markt. Im internationalen Vergleich liege Deutschland beim Quantencomputing allerdings zwei bis drei Jahre zurück.
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Die größte Herausforderung ist laut der Analyse derzeit nicht primär technologischer Natur, sondern die zurückhaltende Nachfrage und das mangelnde Wissen aufseiten der Anwender in vielen Branchen. Zudem bewerten die Insider die Forschungsförderung, insbesondere mit Blick auf die Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien, als nicht immer kohärent und zielgerichtet genug. Jenseits der Schwächen bei Quantenrechnern befinde sich Deutschland bei der Quantensimulation, der Quantenkommunikation mit ersten Versuchsnetzen sowie der Quantensensorik auf Augenhöhe mit der internationalen Spitze.
„Die Quantentechnologien machen derzeit erkennbare Fortschritte“, schreiben die Verfasser. Aber der Weg zu erfolgreichen, auch massentauglichen Produkten sei lang: „Wir brauchen einen langen Atem.“ Aus dem Status quo leiten die Experten, denen auch Führungskräfte aus Konzernen wie IBM, Infineon, Bosch und Trumpf angehören, sieben Impulse ab. Diese sollen helfen, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Deutschland bis 2026 als führenden Standort für industrielle Anwendungen im Quantensektor zu etablieren.
Ruf nach nationaler Quanteninitiative
Die Zuständigen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sollen demnach eine von allen getragene „Moonshot“-Vision und Technologie-Fahrpläne mit messbaren Zielen entwickeln. Es gelte, die regionalen Quanten-Ökosysteme strategisch zu stärken. Öffentlich geförderte Pilotlinien müssten mit Einbindung der Wirtschaft betrieben werden, der Staat soll als Ankerkunde und durch Forschungskäufe den Markt fördern. „Das heißt zum Beispiel, dass darin geförderte Hightech-Infrastrukturen nach festgelegten Regeln auch für andere Projekte niederschwellig zugänglich sind“, erklärt Thomas Becks vom VDE. „So können wir Investitionsmittel effizient einsetzen.“
Die Förderung soll fokussierter, kohärenter und thematisch auf kritische Pfade ausgerichtet werden. Eine Trennung von Hard- und Software nach Ressorts sei zu vermeiden, ist dem Papier zu entnehmen. Die Mittelvergabe müsse auf messbaren Zielen basieren, um Projekte agil anpassen oder bei Misserfolg ohne Sanktionen stoppen zu können. Zudem seien Anreize für etablierte Unternehmen und eine intensivierte, finanziell aufgestockte Startup-Förderung nötig.
Deutschland müsse im globalen Wettbewerb um exzellente Wissenschaftler und Nachwuchs durch attraktive Angebote und die Reduzierung bürokratischer Hürden punkten, fordern die Fachleute. Die größte Herausforderung sei die Akzeptanz. Neue Veranstaltungsformate und die finanzielle Unterstützung für Erstanwendungen in der Industrie sollen die Nachfrage stimulieren und Lernkurven ermöglichen. Auch die aktive Begleitung der Standardisierung und Normung sei essenziell, insbesondere bei der Integration von Quantentechnologien in bestehende Systeme wie das Internet der Dinge oder Hochleistungsrechnen.
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Die Verfasser schlagen vor, eine nationale Quanteninitiative aufzubauen. Diese müsse alle relevanten Fachdisziplinen und Unternehmensgrößen einbinden. Ein solcher Schritt könne die erforderliche Koordination und eine Roadmap liefern.
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