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Verfassungsbeschwerde gegen DNA-Probe zur künftigen Strafverfolgung erfolgreich


Das Bundesverfassungsgericht hat Wegweiser zur klaren Durchsetzung bestehender Grundrechtsgarantien bei der Strafverfolgung mithilfe von DNA-Proben aufgestellt. Es betont in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil vom 12. August: Das Anordnen einer DNA-Entnahme zur Identitätsfeststellung ist ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Maßnahme muss daher verhältnismäßig sein und auf nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruhen (Az.: 2 BvR 530/25).

Die Karlsruher Richter rügen zugleich die Fachgerichte deutlich und stellen Weichen für deren Praxis. Sie betonen, dass diese die Bedeutung des Eingriffs durch das Feststellen und Speichern eines DNA-Musters ernst nehmen und sich intensiv mit aktuellen, entlastenden Lebensumständen wie einem Bewährungsverlauf auseinandersetzen müssen.

In dem Fall legte ein Verdächtiger Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen insbesondere des Amtsgerichts Hildesheim ein, das die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zur Feststellung seines DNA-Identifizierungsmusters für künftige Strafverfahren gemäß Paragraf 81g Strafprozessordnung (StPO) angeordnet hatte. Der Beschwerdeführer war zuvor wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Es bestand die Annahme, dass künftig erneut Strafverfahren von erheblicher Bedeutung gegen ihn zu führen sein würden (sogenannte Negativprognose).

Der Betroffene hielt diese Prognose des Gerichts für unzureichend begründet. Er forderte die Beachtung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, die Berücksichtigung seiner aktuellen Lebenssituation und seines beanstandungsfreien Bewährungsverlaufs. Land- und Amtsgericht wiesen die Eingabe zurück und stützten die Negativprognose auf die Art und Ausführung der Gewalttaten sowie die Persönlichkeit des Verurteilten.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde an und gab ihr nun statt. Die angefochtenen Beschlüsse hob es auf und wies die Sache an das Amtsgericht zurück. Laut dem höchstrichterlichen Urteil haben die niederen Instanzen es versäumt, die Bewährungshefte einzubeziehen. Damit seien relevante Umstände wie der aktuelle Bericht des Bewährungshelfers nicht in die Abwägung einbezogen worden. Die Prognose müsse aber auf einer zureichenden Sachaufklärung beruhen.

Schon das Landgericht habe die positive Sozialprognose, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, nicht ausreichend gewürdigt, monieren die Karlsruher Richter. Bei gegenläufigen Vorhersagen sei eine erhöhte Begründungstiefe erforderlich. Die Fachgerichte hätten aber keine besonderen Umstände darlegen können, die die Annahme künftiger erheblicher Straftaten trotz des positiven Bewährungsverlaufs rechtfertigten.

Weiterer Vorwurf: Die anordnenden Richter hätten nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Anlasstaten bereits knapp vier Jahre zurücklagen und warum die damals verhängten Strafen ausgesetzt wurden. Ein pauschaler Hinweis auf frühere Verurteilungen genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenprognose nicht.

Insgesamt wendet der zuständige 2. Senat mit der Entscheidung die strengen verfassungsrechtlichen Maßstäbe in diesem sensiblen Umfeld konsequent an. Er erzwingt zugleich eine qualitativ bessere Auseinandersetzung der Fachgerichte mit der informationellen Selbstbestimmung.


(vbr)



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