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Vorratsdatenspeicherung: Pläne der Bundesregierung bedrohen offene WLAN-Netze
Die Bundesregierung will die Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen wieder einführen, ein Gesetzentwurf soll zeitnah entstehen. Solche Pläne könnten aber Konsequenzen für offene WLAN-Anbieter haben, warnt Freifunk München.
Ein zentraler Punkt im Gesetz ist laut den bisher bekannten Plänen, dass sich Nutzer eindeutig einer IP-Adresse zuordnen lassen und diese Zuordnung protokolliert wird. Bei modernen öffentlichen WLAN-Netzen ist das technisch kaum noch möglich, schreibt Freifunk München in einer Stellungnahme, auf die Heise Online verweist.
Eines der Kernprobleme ist laut den Freifunkern: Moderne Endgeräte erzeugen ihre IPv6-Adressen selbst über SLAAC, der Betreiber weist selbst keine Adressen aktiv zu. Durch Privacy-Erweiterungen ändern sich IPv6-Adressen zudem regelmäßig. Und selbst im IPv4-Betrieb würden viele Endgeräte ihre MAC-Adressen heute bereits rotieren, was die Nachverfolgbarkeit erschwert.
Die Folgen in der Praxis wären Anmeldepflichten. „Die Umsetzung der Speicherpflicht wäre nur über eine verpflichtende Nutzeridentifikation mit personenbezogenen Daten realisierbar“, heißt es in der Stellungnahme. Das würde „spontane, niederschwellige WLAN-Nutzung“ erheblich erschweren.
Sorge: Freifunk könnte in der heutigen Form nicht mehr existieren
Vor allem für kleinere und ehrenamtliche Betreiber von WLAN-Netzen wären solche Auflagen ein harter Schlag. Denn die gesetzlichen Anforderungen für die Datenspeicher sehen komplexe Speicher- und Sicherheitsinfrastrukturen sowie umfangreiche Datenschutzkonzepte vor, die allesamt laufend gepflegt werden müssen. Damit entstehen Kosten für Hardware, Betrieb und die rechtliche Absicherung, die kleinere Initiativen und kommunale Projekte nicht tragen können.
Offene WLAN-Netze könnten damit verschwinden. Und wenn sie noch bestehen, würden verpflichtende Nutzeridentifikation oder komplexe Anmeldeverfahren den barrierefreien Zugang zum Internet im öffentlichen Raum deutlich erschweren, so Freifunk München. Ähnlich äußert sich Dieter Winkler, Vorstandsmitglied bei Freifunk Rheinland, gegenüber Heise Online. Wenn das Gesetz wie geplant umgesetzt werde, könnte es sein, dass „Freifunk in der heutigen Form nicht mehr existieren“ werde.
Eco warnt ebenfalls vor hohen Kosten für Netzbetreiber
Vor den Kosten der Vorratsdatenspeicherung warnt auch der Internetwirtschaftsverband Eco. Um Vorgaben wie in den alten Gesetzentwürfen umzusetzen, müssten Netzbetreiber eine zusätzliche Speicher- und Serverinfrastruktur aufbauen, höhere IT-Sicherheitsstandards umsetzen und bestimmte Dienste wie einen 24/7 Rechts- oder Compliance-Service bereitstellen. „Aus Erfahrungen früherer Vorhabensphasen lässt sich ableiten, dass solche Maßnahmen oft zu Preiserhöhungen für Endkund:innen, Wettbewerbsnachteilen für kleinere Anbieter und erhöhtem bürokratischem Aufwand führen“, so der Eco.
Nötig wären bei der Einführung der Vorratsdatenspeicherung daher ein Kostenausgleich für betroffene Anbieter sowie praktikable Umsetzungsfristen. „Wenn Kosten und Aufwand über das hinausgehen, was Unternehmen sinnvoll tragen können, drohen negative Nebenwirkungen für Infrastruktur, Preise und Marktvielfalt“, schreibt der Verband. Generell sieht der Eco die Vorratsdatenspeicherung kritisch und verweist auf Risiken im Bereich Datenschutz sowie die Zweifel an der Effektivität.
Laut dem Koalitionsvertrag plant die schwarz-rote Bundesregierung eine Vorratsdatenspeicherung, bei der IP-Adressen und Portnummern für drei Monate gespeichert werden. Man will dafür die Spielräume nutzen, die der Europäische Gerichtshof geschaffen hat. Inwieweit die Pläne mit dem EU-Recht in Einklang stehen, ist aber zweifelhaft.
Es ist jedoch nicht allein die Bundesregierung, die an der Vorratsdatenspeicherung festhält. Auch auf EU-Ebene arbeitet man derzeit an einer Neuauflage, die auch Messenger-Dienste wie WhatsApp umfassen soll.