Datenschutz & Sicherheit
Weiterhin scharfe Kritik am neuen Berliner Polizeigesetz
Die Berliner Schwarz-Rote Landesregierung möchte der Hauptstadt ein neues Polizeigesetz (ASOG) verpassen. An diesem gab es schon bei der Sachverständigenanhörung Ende September viel Kritik. Dort sprachen Expert:innen von einer „Abkehr von der grundrechtsfreundlichen Politik“: So soll neben einem automatischen Datenabgleich mit biometrischen Daten auch er Einsatz von Videoüberwachung mit Verhaltensscannern sowie der Einsatz von Staatstrojanern möglich werden.
Heute fand die 2. Lesung im Berliner Innenausschuss statt. Eingeflossen ist die Kritik der Sachverständigen in einen aktualisierten Vorschlag jedoch kaum, laut Opposition hat sie die Koalition in ihrem Änderungsantrag nicht ausreichend berücksichtigt. Von Kosmetik ist die Rede.
Besonders brisant: Eine Änderung erweitert nun sogar die Befugnisse der Polizei noch einmal. Demnach soll die Polizei künftig biometrische Daten zu Gesichtern und Stimmen auch von Kontakt- und Begleitpersonen der Verdächtigen mittels automatisierter Anwendungen biometrisch mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet abgleichen dürfen.
„Grundrechtsbeeinträchtigungen unbeteiligter Personen“
In einer Stellungnahme (PDF) kritisiert die Berliner Datenschutzbeauftragte, dass die ausdrückliche Einbeziehung von Kontakt- und Begleitpersonen den Personenkreis der Betroffenen erheblich erweitere. Damit würde die Streubreite des ohnehin intensiven Eingriffs weiter erhöht. Die Polizei erlange einen „erheblichen Beurteilungsspielraum“. Entsprechend berge das Gesetz das Risiko, dass Personen einbezogen werden, die tatsächlich in keiner Weise an der Straftatenbegehung beteiligt sind.
Dabei verweist die Datenschützerin, dass dies im Kontext der biometrischen Fernidentifizierung, die bereits aufgrund der Nutzung künstlicher Intelligenz und der Vielzahl durchsuchter Internetquellen eine hohe Streubreite aufweist, zu einer „Potenzierung der Grundrechtsbeeinträchtigungen unbeteiligter Personen“ führe. Die Datenschutzbeauftragte hält dies für nicht verhältnismäßig.
„Abkehr von der grundrechtsfreundlichen Politik“
Einfallstor für eine Superdatenbank
Kritik kam in der Ausschusssitzung von den Grünen und der Linken. Gegenüber netzpolitik.org mahnte der grüne Innenpolitiker Vasili Franco, dass die Kritik aus der Sachverständigenanhörung nicht genug berücksichtigt worden sei. „Stattdessen wird der biometrische Abgleich im Internet von Kontakt- und Begleitpersonen und die weitgehende Verwendung von Verkehrs- und Nutzungsdaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen möglich gemacht. Durch das Polizeigesetz kann zukünftig jedermann in Berlin zur Gefahr gemacht werden, sobald man in das Visier der Polizei gerät“, so Franco weiter.
Dass in der Vergangenheit Informationen durch Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig zusammengeführt wurden, dürfe nicht als Einfallstor für eine Superdatenbank und Datenanalysen mit unklarer Zweckbestimmung dienen, so Franco. „Ein gutes Polizeigesetz muss konkrete Antworten darauf geben, was die Polizei darf und was sie nicht darf.“
„Grundrechtseingriffe von extremer Intensität“
Auch der linke Innenpolitiker Niklas Schrader sagt, dass die Koalition mit ihrem Änderungsantrag vor allem redaktionelle und kosmetische Änderungen vorgenommen habe. „Insgesamt bleibt es bei einem massiven Überwachungsausbau, den CDU und SPD planen“, sagt Schrader gegenüber netzpolitik.org.
Mit neuen Instrumenten wie der KI-gestützten Videoüberwachung mit Verhaltensanalyse oder der Verknüpfung und automatisierte Auswertung von Polizeidaten könnten potentiell alle Berliner:innen polizeilich erfasst werden, so Schrader weiter. Das geplante ASOG enthalte „verfassungsrechtlich bedenkliche Regelungen und Grundrechtseingriffe von extremer Intensität und Streubreite“. Sein Fazit fällt dementsprechend kritisch aus: „SPD und CDU in Berlin oder CSU in Bayern, das nimmt sich in der Innenpolitik mittlerweile nichts mehr.“
Protest von Bürgerrechtsorganisationen
Mehrere Bürgerrechtsorganisationen hatten zuletzt die Pläne für das neue Polizeigesetz kritisiert und einen Stopp des Gesetzgebungsverfahrens gefordert. In einem offenen Brief monieren die Organisationen den möglichen Einsatz einer orts- und verhaltensübergreifenden Analyseplattform zum biometrischen Abgleich mit über das Internet öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten und die automatisierte Verhaltensmustererkennung.
Zudem lasse das Polizeigesetz zu, dass Datenbestände der Polizei losgelöst von konkreten Anlässen dauerhaft zusammengeführt werden könnten. Hierdurch entstünde eine Superdatenbank mit „Möglichkeiten zum Erstellen von Bewegungsprofilen, Verhaltensmuster- und Sozialkontaktanalysen“. In einem Interview mit der taz kritisierte Lukas Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwalt:innenverbandes (RAV), der Gesetzentwurf solle der Polizei gläserne Bürger:innen ermöglichen.
Das neue Polizeigesetz soll am 4. Dezember im Berliner Angeordnetenhaus beschlossen werden.