Digital Business & Startups
Wie Robo-Startup Unchained Robotics schnell wächst – ohne viel VC-Geld
Mladen Milicevic möchte mit Unchained Robotics Fabriken automatisieren. Das Startup aus Paderborn gehört zu den am schnellst wachsenden Startups – ohne riesige VC-Summen.
Seinen ersten Roboter baute Mladen Milicevic mit 14 – einen Lego-Roboter, den er durch die Gegend steuern konnte. Er habe sich schon immer für Technik interessiert, sagt er. Trotzdem dachte Milicevic er würde mal Anwalt werden, inspiriert von Sendungen wie „Barbara Salesch“ und „Richter Alexander Hold“. Doch seine Leidenschaft für Wirtschaft und Technik führte ihn stattdessen zum Wirtschaftsingenieurwesen. Er war damit auch der erste in seiner Familie, der studiert hat.
Heute ist Milicevic Gründer von Unchained Robotics, einem Spin-Off der Universität Paderborn. Das Startup hat er 2019 mit seinem Kommilitonen Kevin Freise gegründet. Gestartet sind sie mit Fördergeldern.
Das macht Unchained Robotics
Über die Plattform von Unchained Robotics können Unternehmen weltweit unterschiedliche Teile für Industrieroboter miteinander vergleichen – sowohl technologisch als auch preislich – und kaufen. Das Startup unterstützt bei der Beratung, um die passenden Teile zu finden.
Darüber hinaus bietet Unchained Robotics den sogenannten Malocherbot an – einen Roboterarm. Haben sich Firmen für einzelne Teile entschieden, können diese bei Bedarf in dem Malocherbot integriert werden.
Das Herzstück von Unchained Robotics ist die Software Luna. Die sorgt dafür, dass Roboter direkt einsatzbereit sind, indem sie die einzelnen Teile miteinander verbindet. Zu den Kunden des Startups gehören Vorwerk, Seeberger, Pringles.
Erfahrungen aus China
Mit seinem Startup will Milicevic Robotik schneller, einfacher und besser zugänglich machen. Die Inspiration dazu kam ihm in chinesischen Fabriken. Parallel zum Studium machte er sich als Freelancer selbstständig, beriet Unternehmen in Sachen Vertrieb und Marketing. Mit 21 Jahren wurde er Aufsichtsrat in einem kleineren mittelständischen Unternehmen. Das brachte ihn nach Peking, wo er für Beijing Automotive Prozesse optimierte. „Dort habe ich gesehen, wie pragmatisch die Chinesen automatisieren und wie viele Schritte sie uns voraus sind, wie viele Roboter sie schon installiert haben“, sagt Milicevic. Dieses Mindset begleitete ihn zurück nach Deutschland.
Das große Ziel von Unchained Robotics? „Wir wollen eine 100 Millionen Revenue Company werden“, sagt Milicevic. Bisher hat das Startup laut eigenen Angaben mehr als 100 Roboter in Fabriken gebracht. Bis 2030 sollen es 1000 sein.
Markt und Expansion nach USA
Das Potential für Robotik sei laut dem Gründer also riesig. „Die traurige Wahrheit ist, dass 80 Prozent aller Fabriken noch keine einzigen Roboter haben. Wir sehen viele Prozesse, die manuell laufen.“ Das gelte auch für die USA wo das Startup nun expandiert ist. „Die USA hat deutlich weniger Roboter installiert als die EU“, sagt Milicevic.
Lest auch
20 Roboter habe er dort bislang in Fabriken untergebracht. Weil sich unter „malochen“ in den USA niemand etwas vorstellen konnte, heißt der Malocherbot dort Workabotic. „Wir wollen im nächsten Jahr mit US-Investoren daran arbeiten, den US-Markt zu erobern“, sagt Milicevic. „Wir wollen zeigen, dass es mit geringen Mitteln möglich ist, wirklich effizient zu wachsen – und das auch aus Deutschland heraus.“
Seit der Gründung bis zur Series A hat Unchained Robotics knapp 16 Millionen Euro an Geldern eingesammelt – darunter VCs und Business Angels. Aber auch D11Z.Ventures, das Family Office von Dieter Schwarz, das auch in Aleph Alpha investiert ist. Laut der Liste „Sifted 250“ aus 2024 gehört Unchained Robotics zu den am schnellsten wachsenden Startups in Europa. Wie geht das, ohne eine riesige Menge an VC Geld? Zum Vergleich: Das Startup Neura Robotics sammelte in einer Series B 120 Millionen Euro ein.
Das ist die Wachstumsstrategie von Unchained Robotics
Nahe Zusammenarbeit, direkt am Kunden
Von Anfang an war für Milicevic und sein Team klar: Der Fokus liegt auf den Kunden und ihren konkreten Bedürfnissen in der Fabrik – und nicht auf großen, technologischen Robo-Visionen, sagt er. Ursprünglich wollte Unchained Robotics Fabrik-Robotern das Sehen und Sprechen beibringen. Ein Produktionsbeauftragter brachte sie davon ab, erzählt Milicevic.
Denn er meinte zu ihnen: „Wenn Roboter in der Fabrik reden müssen, läuft was falsch. Dann sind die Prozesse nicht abgestimmt und nicht automatisierungsfähig.“ Tschüss, rosarote Technologie-Brille. Ein Korb für den Gründer, aber ein hilfreicher. So wusste er, dass er mit dem Bereich Automatisierung anfangen und das Produkt direkt am Kunden bauen muss, sagt er. Transparenz war dabei entscheidend. „Wir haben offen gesagt, wenn sie Pilotkunden waren und dass etwas schieflaufen kann.“
Lest auch
Gemeinsamen mit Fabriken schafft das Startup Use-Cases für den Alltag. Fabriken kommen auf Unchained Robotics zu und fragen nach Lösungen für ihre Logistikprobleme, sagt Milicevic. „Wir gehen mit den Unternehmen in den Austausch, besuchen sie vor Ort, schauen uns mit ihnen die Prozesse an und helfen ihnen dabei den passenden Roboter zu suchen, zu finden und zu integrieren.“ Kommt der erste Roboter in die Fabrik, kommt laut Milicevic auch der zehnte. Für die Fabriken geht es darum, Prozesse zu optimieren, für das Startup zu skalieren.
Langfristiges Geschäftsmodell
Das Geschäftsmodell von Unchained Robotics ist eine Mischung aus Hardware-Verkauf durch Leasing und Software-Subscription. Die Leasing-Rate liegt laut dem Gründer bei 2100 Euro. Ziel des Startups ist es, sie auf 1000 Euro zu senken. Die Hardware ist langlebig. Fabriken können durch die Software ohne großartige Neuinstallation einzelne Teile von Robotern austauschen. Laut Milicevic ein USP. Bedeutet: lange Laufzeiten. Das hat laut Milicevic wiederum den Vorteil: „Du hast nicht wie bei einem klassischen SaaS eine hohe Churn, sondern du hast nachhaltige Systeme, die den Kunden sehr lange gewinnen.“
Gegenwert bei Investitionen berechnen
„Im Venture Capital wirft man gerne mit Geld auf Probleme“, sagt Milicevic. Das sei für den Gründer nicht der Weg zu Wachstum. Jede Ausgabe und jede Investition sollten hingegen kritisch betrachtet und im Hinblick auf den realen Mehrwert überprüft werden. Ergo: Wie viel mehr Umsatz bringt die Entscheidung? Hier gilt es laut Milicevic ganz nüchtern wirtschaftlich zu bleiben und sich zu fragen: Sind die zusätzlichen Ressourcen für das Wachstum notwendig oder kann Wachstum auch durch internen Fokus erzielt werden? Denn bis Startups ihren tatsächlichen Product-Market-Fit finden, dauert es, so der Gründer.