Künstliche Intelligenz

Wirtschaftsinstitut: IT-Fachkräfte sind in Deutschland deutlich weniger gefragt


Gesamtwirtschaftlich sinke die Nachfrage nach IT-Personal „rasant“. Das schreibt Jurek Tiedemann, Ökonom mit Schwerpunkt Fachkräftesicherung, in einer am Montag veröffentlichten Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Der Trend wirkt sich demnach insbesondere bei hochqualifizierten IT-Experten aus. Dass gelte aber nicht für alle Branchen: Etwa im Bereich Rechts- und Steuerberatung inklusive Wirtschaftsprüfung verlaufe die Entwicklung entgegen diesem Trend.

Die Zahl der offenen Stellen für qualifizierte Arbeitskräfte ist in Deutschland zwischen 2023 und 2024 um 4,3 Prozent gesunken, geht aus der Untersuchung hervor. Bei den IT-Berufen war dieser Rückgang mit 26,2 Prozent jedoch deutlich stärker. In absoluten Zahlen sank die durchschnittliche Zahl der offenen IT-Stellen im vorigen Jahr um 16.500 auf 46.431.

Der deutliche Rückgang ist der Studie zufolge eine Folge der schwachen allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sowie wachsender konjunktureller Unsicherheiten. Unternehmen sparen bei Investitionen und schieben viele Projekte auf, was direkt die Nachfrage nach IT-Personal senkt. Obwohl auch andere Branchen betroffen sind, schwächelt der IT-Sektor hier überdurchschnittlich.

Am stärksten traf der Rückgang IT-Experten mit Master- oder Diplomabschluss. Die Zahl der offenen Stellen für diese hochspezialisierten Fachkräfte sank innerhalb eines Jahres um 33,7 Prozent auf nur noch 26.753. Besonders drastisch war der Einbruch bei Informatikern und Wirtschaftsinformatikern (minus 46,2 beziehungsweise 38,2 Prozent). Das liegt wahrscheinlich daran, dass hiesige Firmen bei komplexen IT-Projekten, die viel Expertenwissen erfordern, besonders zurückhaltend sind.

Auch auf anderen Anforderungsniveaus waren IT-Arbeitskräften deutlich weniger gefragt. Die Zahl offener Stellen für ausgebildete IT-Fachkräfte sank zwischen 2023 und 2024 um 19,6 Prozent. Etwas geringer fiel das Minus mit 8,6 Prozent bei sogenannten IT-Spezialisten aus. Gemeint sind damit Experten, die eine breite Palette von technischen Aufgaben im Zusammenhang mit Hardware, Software, Netzwerken und IT-Systemen durchführen.

Je nach Branche entwickelte sich die Nachfrage nach IT-Fachkräften aber unterschiedlich, heißt es weiter. Einige wenige Bereiche verzeichneten sogar einen Anstieg. Am deutlichsten war das in der Rechts-, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, wo die Zahl der offenen IT-Stellen um 518,4 Prozent beziehungsweise 1770 Stellen stieg. Dieses Plus hänge mit der vordringlichen Digitalisierung dieser Sektoren zusammen, etwa durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), erläutert Tiedemann. Auch im Tiefbau, der Energieversorgung und der Versicherungswirtschaft gab es einen leichten Anstieg. Insgesamt nahm die Nachfrage nach IT-Experten aber nur in 25 der 88 vom Statistischen Bundesamt erfassten Wirtschaftszweige zu.

Der größte Rückgang zeigte sich im IT-Dienstleistungssektor, in dem die meisten Fachkräfte arbeiten. Hier wurden 5821 Stellen weniger ausgeschrieben, was einem Minus von 31,6 Prozent entspricht. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Unternehmen IT-Aufgaben zunehmend intern oder ins Ausland verlagern. Auch in der Automobilbranche sank die Zahl der offenen IT-Stellen um mehr als ein Drittel (36,8 Prozent), was die aktuelle Krise in diesem Sektor widerspiegelt.

Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Rückgang offener Stellen und dem Einsatz von KI sei nicht nachweisbar, meint der Autor. Aktuelle Studien deuteten eher darauf hin, dass die Schlüsseltechnik den Bedarf an IT-Fachkräften künftig sogar erhöhen könnte. Sie werde momentan eher als Unterstützung und nicht als Ersatz für menschliche Arbeit gesehen. Langfristig dürften sich die Anforderungen an IT-Mitarbeiter indes ändern: Der Umgang mit KI werde wichtiger, während Routineaufgaben automatisiert würden.

Geht es nach einer aktuellen Untersuchung des Zahlungsdienstleisters RationalFX, werden die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt immer deutlicher. Zahlreiche Firmen ersetzen demnach Hunderte von Mitarbeitern durch Automatisierungstools, Chatbots und sogar KI-Programmierung. Das Forscherteam begutachtete seit Anfang 2025 Entlassungsankündigungen aus den US-amerikanischen Mitteilungen, dem Jobportal TrueUp, TechCrunch und dem Tracker Layoffs.fyi. Zwischen Anfang des Jahres und dem 5. August kündigten Unternehmen im globalen Technologiesektor demnach 149.140 Entlassungen an. Etwa 71 Prozent davon betrafen US-Firmen. Zu den Spitzenreitern gehören Intel und Microsoft.

Obwohl die Nachfrage nach IT-Fachkräften zurückgegangen ist, bleibt der Fachkräftemangel in vielen Bereichen hoch, ist der IW-Analyse zu entnehmen. 2024 konnten demnach rein rechnerisch über 13.500 offene IT-Stellen nicht besetzt werden. Besonders groß war der Mangel bei Informatikexperten, von denen 6920 Stellen unbesetzt blieben. Das bedeutet, dass fast sieben von zehn (69,9 Prozent) offene Stellen rechnerisch nicht besetzt werden konnten.

Prognosen zeigten, dass sowohl die Beschäftigung als auch der Fachkräftemangel in IT-Berufen bis 2028 neue Höchststände erreichen dürften, weiß Tiedemann. Um gegenzusteuern, seien weiterhin Maßnahmen wie die Ausbildung von Nachwuchskräften, die Förderung von Quereinsteigern sowie die Rekrutierung und Bindung internationaler Fachkräfte entscheidend.


(vbr)



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