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Analyse: Verbraucher haben mit dem Digital Markets Act größere Auswahl
Kaum ein gutes Haar lassen US-Tech-Riesen wie Apple und Google am Digital Markets Acts (DMA) der EU. Auch Nutzer und der Mittelstand gehörten zu den Verlierern, so ihre Einwände. Der Dachverband der europäischen Verbraucherorganisationen, Beuc, bricht dagegen nun eine Lanze für die neuen, seit 2024 geltenden Wettbewerbsregeln. In den vergangenen Jahrzehnten litten Verbraucher ihm zufolge unter missbräuchlichen Praktiken von Big-Tech-Unternehmen wie geschlossenen Ökosystemen (Walled Gardens), der Bindung an bestimmte Dienste (Lock-ins), eingeschränktem Zugang zu Alternativen und höheren Preisen. Der DMA sei entstanden, um diese unfairen Praktiken effektiver anzugehen und von vornherein zu verhindern.
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Das traditionelle Wettbewerbsrecht habe sich auf den schnellen Technologiemärkten als zu langsam und wenig schlagkräftig erwiesen, schreibt Beuc in einem Bericht zu den „ersten Blüten“ der Wettbewerbsverordnung. Kartellverfahren dauerten oft Jahre und der Schaden sei in der Zwischenzeit längst eingetreten. Digitale Märkte seien parallel für das tägliche Leben der Konsumenten essenziell geworden – etwa für den Zugang zu Informationen, den Einkauf von Produkten oder die Kommunikation.
Achtzehn Monate nach Inkrafttreten des DMA ist es laut den Brüsseler Verbraucherschützern noch zu früh für eine abschließende Bilanz: Viele der erfassten Gatekeeper („Torwächter“) hielten sich noch nicht vollumfänglich an die Vorschriften. Dennoch hätten sich bereits konkrete Vorteile für die Verbraucher ergeben. Ein wichtiger Erfolg sei etwa, dass iOS-Nutzer nun einen Auswahlbildschirm erhalten, um ihren Standardbrowser festzulegen. Seit dem Apple-Update 18.2 im Oktober 2024 könnten Nutzer aus einer Liste der meistgeladenen Internet-Navigationswerkzeuge wählen. Darunter seien auch Wettbewerber wie Ecosia, DuckDuckGo, Opera und Brave. Das sei ein bedeutender Fortschritt im Vergleich zur Zeit vor dem DMA, als Nutzer zum vorinstallierten und -eingestellten Safari gedrängt wurden.
Gmail nicht mehr für Android nötig
Ferner könnten Verbraucher auf iOS- und iPadOS-Geräten nun auch Standard-Apps für eine Vielzahl von Kategorien frei wählen, ist der Analyse zu entnehmen. Mit dem Update 18.4 seien Nutzer in der Lage, von Drittanbietern installierte Apps für Navigation, Übersetzung, E-Mail, Anrufe, Messaging, Kamera oder Fotos als Standard festzulegen und sogar vorinstallierte Apple-Apps zu entfernen. Zuvor seien eigene Anwendungen des iPhone-Bauers oder von ihm bevorzugte Drittanbieter-Apps voreingestellt gewesen.
Im Bereich der kontaktlosen Zahlungen auf iPhones sind Verbraucher ebenfalls nicht mehr gezwungen, Apple Pay zu nutzen, lobt Beuc. Alternative Zahlungsdienstleister konnten so seit Anfang 2025 erstmals ihre Dienste für iPhone-Nutzer einführen. Schließlich sei auch der Zwang zur Nutzung von Gmail für die Erstellung eines Google-Kontos etwa für den Einsatz der Mobilplattform Android Geschichte. User könnten nun stattdessen eine E-Mail-Adresse eines Drittanbieters verwenden. Hierzulande untersagte es das Landgericht Mainz Google vor wenigen Monaten ausdrücklich auf DMA-Basis, den eigenen E-Mailservice Gmail bei der Einrichtung eines Android-Smartphones zu bevorzugen.
Die nächsten Stufen für den DMA
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Trotz dieser ersten Erfolge sieht Beuc noch Bereiche, in denen Gatekeeper mutmaßlich gegen den DMA verstoßen. Um die volle Einhaltung des Gesetzes zu gewährleisten, fordert der Verband die EU-Kommission dringend auf, die Durchsetzung der Vorschriften auf die nächste Stufe zu heben. Dies erfordere schnellere Verfahren, ausreichende Ressourcen und die formelle Eröffnung von Untersuchungen in den noch offenen Verdachtsfällen. Dabei soll die Kommission auf eine Kombination aus Dialog und entschiedenen Sanktionen setzen, um eine schnelle Einhaltung zu erzwingen.
Die Verbraucherschützer kritisieren, dass Torwächter unvollständige oder nicht konforme Lösungen einführten, bevor sie eine finale Einigung mit der Kommission erzielten. Das führe zu Frustration bei den Anwendern. Die Brüsseler Regierungsinstitution sollte daher die Befugnis erhalten, die Einführung neuer Compliance-Lösungen einzufrieren, bis sie von Dritten geprüft und freigegeben worden sind. Ferner müssten Gatekeeper verpflichtet werden, die Neutralität ihrer Lösungsansätze zu testen und die Ergebnisse der Kommission und Dritten zugänglich zu machen.
Zudem empfiehlt Beuc, den DMA an neue Technologien anzupassen. Dazu gehöre die Prüfung der Benennung von Cloud-Diensten wie iCloud und OneDrive als zentrale Plattformdienste, da diese oft standardmäßig auf neuen Geräten voreingestellt seien und Lock-in-Effekte erzeugen könnten. Auch Systeme für generative KI wie ChatGPT, Gemini, Meta AI und Copilot sollten als solche wichtigen Services eingestuft werden, möglicherweise unter der Kategorie der virtuellen Assistenten. Dies soll verhindern, dass Gatekeeper ihre bestehenden Dienste missbrauchen, um ihre eigenen Chatbots wettbewerbswidrig zu fördern. Nicht zuletzt unterstützt der Verband die Prüfung von Interoperabilitätsanforderungen für Social-Media-Dienste von Gatekeepern, um Netzwerkeffekte aufzubrechen, die Verbrauchern Wechsel erschweren.
(nen)