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Dobrindt kündigt Gesetzentwurf „in den nächsten Wochen“ an
Das aktuelle „Bundeslagebild Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen 2024“ (PDF) ist nun öffentlich. Teil der Pressekonferenz waren neben BKA-Präsident Holger Münch auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und die Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, Kerstin Claus.
Laut dem Bericht ging die Zahl der Betroffenen im Zusammenhang mit Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen für das Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr leicht zurück.
Dobrindt und Münch nutzten die gestrige Pressekonferenz dazu, einmal mehr die rasche Einführung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Die Verständigung auf einen Gesetzestext zwischen dem Justiz- und Innenministerium erfolge laut Dobrindt bereits „in den nächsten Wochen“.
Zahl der Betroffenen leicht rückläufig
Dem Bundeslagebild zufolge ist die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen 2024 im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant geblieben. Die Zahl der registrierten Opfer beim Verdacht des sexuellen Kindesmissbrauchs sank dagegen im gleichen Zeitraum um 2,2 Prozent. Beim sexuellen Missbrauch von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren ging sie um 1,4 Prozent zurück.
Auch wenn damit ein Rückgang zu verzeichnen ist, liegen diese Zahlen über dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre, betont das BKA.
Die Bundeslagebilder des BKA basieren auf einer Auswertung der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Sie erfasst alle Fälle, die der Polizei bekannt sind und von ihr bearbeitet werden. Die Zahlen sind daher auch vom Anzeigeverhalten beeinflusst.
Aufgehelltes Dunkelfeld durch mehr Personal
Dass die Zahl der erfassten Straftaten insgesamt weiterhin hoch ausfällt, hängt laut BKA auch mit einem wachsenden Fahndungs- und Ermittlungsdruck zusammen. So sei „die Anzahl der Mitarbeitenden, die sich in den Polizeibehörden von Bund und Ländern mit Fällen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen befassen, in den vergangenen Jahren merklich erhöht worden“.
Die zusätzlichen Kapazitäten hätten dazu beigetragen, die polizeiliche Arbeit zu intensivieren und das sogenannte Dunkelfeld etwa im familiären Umfeld aufzuhellen. „Der weiterhin starke Fokus der Strafverfolgungsbehörden in diesem Bereich kann daher mit ein Grund für die nach wie vor hohen Fallzahlen sein“, schreibt das BKA. Laut Bundeskriminalamt bestand in knapp 57 Prozent der Fälle zwischen der betroffenen Person und den jeweiligen Tatverdächtigen nachweislich eine Vorbeziehung.
Hinzu kommt, dass 14- bis 17-Jährige bei sogenannten jugendpornografischen Inhalten fast die Hälfte der Tatverdächtigen ausmachen. In diesen Fällen dürfte es sich vornehmlich um selbsterstellte Aufnahmen handeln, die sich Minderjährige untereinander zuschicken. „Straffällige Kinder und Jugendliche sind häufig dem Phänomen der ‚Selbstfilmenden‘ zuzurechnen“, schreibt das BKA und ergänzt: „Solche Motive können Teil einer normalen jugendlichen Entwicklung sein.“
Forderung nach Vorratsdatenspeicherung
Ungeachtet dessen forderte Dobrindt gestern erneut, die Speicherung für IP-Adressen einzuführen – „als zentrales Werkzeug, um Kinder besser zu schützen und Täter vor Gericht zu bringen“.
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Bereits in ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, eine Vorratsdatenspeicherung für Telekommunikationsdaten einzuführen. Demnach sollen Internetanbieter für einen Zeitraum von drei Monaten protokollieren, welche IP-Adresse und Portnummer zu einem bestimmten Zeitpunkt einzelnen Kund:innen zugewiesen war. Die Kombination aus IP-Adresse und Portnummer ermöglicht es, Internetzugriffe individuellen Anschlussnutzer:innen zuzuordnen, auch wenn mehrere Kund:innen über sogenannte „Shared IPs“ (geteilte IP-Adressen) eine gemeinsame öffentliche Adresse nutzen.
Die allgemeine und wahllose Speicherung von Verkehrsdaten ist juristisch hoch umstritten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte sie erstmals im Jahr 2010 für verfassungswidrig; hohe europäische Gerichte haben ihr enge Grenzen gesetzt. Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2024 hält im Grundsatz an der Position fest, dass eine allgemeine, anlasslose Vorratsdatenspeicherung europarechtswidrig ist.
Lagebild stützt Forderung nach Massenüberwachung nicht
Die Zahlen des aktuellen Bundeslagebildes rechtfertigen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht. So gibt es beim „sexuellen Missbrauch zum Nachteil von Kindern“ in mehr als drei Viertel aller Fälle einen Tatverdächtigen. Bei anderen Deliktfeldern liegt die Zahl sogar weit über 80 Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Aufklärungsquote aller Straftaten in Deutschland liegt laut PKS bei etwa 58 Prozent.
Auf Nachfrage zeigte sich der Bundesinnenminister gestern optimistisch, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorratsdatenspeicherung bald umgesetzt werde. Federführend für das Thema ist hier das Bundesjustizministerium, die Gespräche zwischen Innen- und Justizministerium verliefen „sehr positiv“, so Dobrindt.
Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) äußert sich derweil zurückhaltender als ihr Kabinettskollege. Laut Medienberichten ist sie zuversichtlich, „dass wir beim Schutz von Kindern und Jugendlichen in dieser Wahlperiode Wichtiges erreichen können“.