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Drei Lehren für unser aller Demokratie


Es war ein regelrechter Schockmoment für die US-Medienwelt: Ausgerechnet Jimmy Kimmel, einer der bekanntesten Late-Night-Moderatoren, verschwindet plötzlich vom Sender. Sein Vergehen? Ein Monolog, in dem er Donald Trump und dessen Unterstützer:innen hart kritisierte – wie er es seit Jahren tut. Doch diesmal folgte eine Kettenreaktion, die zeigt, wie verletzlich die US-Medienlandschaft geworden ist.

Was aber nach einer schrillen Episode im Kampf zwischen Comedy und Politik klingt, ist mehr als das: Es ist ein böses Omen für demokratische Gesellschaften weltweit. Wenn politische Empörung, Konzerninteressen und regulatorischer Druck ausreichen, um eine prominente Stimme zum Schweigen zu bringen – was bedeutet das für weniger bekannte Journalist:innen? Und was heißt das für Länder wie Deutschland, die mit anderen Strukturen, aber ähnlichen Bedrohungen ringen?

Die Chronologie der Causa Jimmy Kimmel

Wühlen wir uns erst einmal durch das, was da gerade in den US of A passiert ist. Auslöser war die Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk (… und lasst uns nicht streiten, ob „rechter Aktivist“ ausreichend ist, um Kirk zu beschreiben). In seinem darauffolgenden Montagsmonolog sprach Jimmy Kimmel nicht nur über die Tat, sondern verband sie mit scharfer Kritik an Trumps Rhetorik und der Gewaltbereitschaft innerhalb der MAGA-Bewegung. Wortwörtlich übersetzt sagte er:

Wir haben am Wochenende neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes darzustellen als einen von ihnen und alles tut, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

Seine Worte entfachten sofort Empörung in konservativen Kreisen und stellten eine Art Kickstart für das dar, was denn folgen sollte.

Schritt 1: Rechte Empörung

Zunächst erfolgte die rechte Gegenoffensive: Innerhalb weniger Stunden griffen Fox News und einschlägige Online-Portale den Monolog auf. Kimmel – so das Framing – sei „respektlos gegenüber einem Mordopfer“ und „Feind der Meinungsfreiheit“.

Schritt 2: Die Medienaufsicht positioniert sich

Was dann folgte, war Druck durch die FCC: Brendan Carr, republikanisches Mitglied der US-Medienaufsicht FCC, verschärfte die Lage signifikant: In der von Benny Johnson moderierten „Benny Show“ sagte der von Donald Trump ins Amt gehievte Carr Folgendes:

Dies ist derzeit ein sehr, sehr ernstes Problem für Disney. Wir können dies auf die einfache oder auf die harte Tour angehen. Diese Unternehmen können Wege finden, gegen Kimmel vorzugehen, oder es wird zusätzliche Arbeit für die FCC geben.

Schritt 3: Die Sender sind eingeschüchtert

Das erzeugte mächtig Druck auf Nexstar – einem Unternehmen, dem Hunderte kleine US-Sender gehören. Die ersten dieser lokalen Sender unter dem Nexstar-Dach verzichten darauf, die Show auszustrahlen. Disney-Tochter ABC, auf der die Show läuft, zieht die Reißleine, nachdem die Boykottaufrufe sich häufen: Man nimmt Kimmel für unbestimmte Zeit aus dem Programm. 

Schritt 4: Trump triumphiert

Präsident Donald Trump jubelt und verkündet über die sozialen Medien, dass das noch längst nicht das Ende der Fahnenstange wäre. Er lobte ABC für die Entscheidung, machte sich über Kimmel und auch Stephen Colbert lustig. Dessen Show wurde bereits vor Wochen Opfer dessen, was in den US-Medien derzeit passiert. 

Donald Trump gratulierte ABC zum „Mut“, der Show von Jimmy Kimmel den Stecker zu ziehen. / © Screenshot: nextpit

Mit Jimmy Fallon und Seth Meyers knöpfte sich Trump zwei weitere Late-Night-Hosts vor und forderte deren Sender NBC auf, ebenfalls aktiv zu werden.

Die US-Medienlandschaft: Konzentration als Risiko der Demokratie

Late-Night-Shows wie die von Carson, Letterman oder Colbert waren nie nur Unterhaltung – sie haben das politische Klima der USA über Jahrzehnte kommentiert. Doch inzwischen stehen diese Stimmen unter massivem Druck. Grund: die enorme Medienkonzentration. Konzerne wie Nexstar oder Sinclair kontrollieren Hunderte Lokalsender und können damit die Tonlage der Berichterstattung landesweit prägen. Statt Vielfalt entsteht Gleichschritt – und politische Einflussnahme fällt leichter.

Zudem macht Werbeabhängigkeit die Sender erpressbar. Kontroverse Inhalte riskieren Einnahmen, also beugen sich Manager schneller dem Druck von Politik, Lobbygruppen oder eben der Aufsichtsbehörde FCC. Sie ist längst ein Machtinstrument im politischen Spiel. Das Ergebnis: Unterhaltung, Journalismus und Politik verschmelzen – auf Kosten der demokratischen Debatte.

Am Beispiel Kimmel sieht man jetzt sehr schön, wie das in den USA (schief) läuft: Die großen Networks wie ABC oder NBC werden über die vielen lokalen TV-Sender ausgestrahlt. Da kommen dann Unternehmen wie Nexstar ins Spiel, die den ersten Druck auf den Kimmel-Sender ABC erzeugten: Fliegt Kimmel nämlich aus diesen lokalen Programmen, wird kein Geld mit Werbung verdient.

Nexstar will aber wachsen. Für über 6 Milliarden US-Dollar möchte man sich Tegna Media einverleiben. Das Unternehmen hat schon eingewilligt, aber es fehlt noch die Zusage der FCC. Ja genau, das ist die Behörde mit Trump-Freund Carr an der Spitze, der ABC empfohlen hat, bei Jimmy Kimmel besser mal flott einzugreifen. Ihr seht, wie das Spiel funktioniert.

Deutschland im Fokus: Öffentlich-Rechtliche unter Beschuss

Schauen wir mal aufs eigene Land: Deutschland hat mit den Öffentlich-Rechtlichen ein anderes Modell – gebührenfinanziert, föderal organisiert, historisch als Learning aus der Zeit des Nationalsozialismus entstanden. Das schützt grundsätzlich vor den Abhängigkeiten, die US-Medien ausbremsen. Aber: Auch hier wächst der Druck.

Rechte Parteien wie die AfD sprechen gezielt von „Staatsmedien“ und versuchen, das Vertrauen in die Institutionen zu zerstören. Gleichzeitig gibt es Beitragsverweigerer und politische Vorstöße, die Gebühren massiv zu kürzen. „GEZ abschaffen“ lautet hier das Credo. Die Sender stehen dabei zunehmend unter Rechtfertigungszwang – eingekeilt zwischen Dauerempörten, Reformdebatten und Sparforderungen.

Das alles hat konkrete Folgen: Journalist:innen wie Elmar Theveßen und Dunja Hayali geraten verstärkt unter Druck, weil sie Dinge sagen, die ein vor allem der AfD zugewandtes Publikum immer seltener hören will. Sie werden persönlich attackiert und sollen so eingeschüchtert werden. Vor allem Dunja Hayali muss diese Erfahrung aktuell (wieder) machen. Sie wird mit so viel unangemessenen Kommentaren und einer Vielzahl von Morddrohungen vom Pöbel bedrängt, dass sie sich bis auf Weiteres aus Social Media zurückzog. Für mehr Kontext werft einen Blick auf das Video, das die Vorwürfe um Hayali und Theveßen einordnet: 

Der Unterschied zu den USA: Noch gibt es keine private Konzernmacht, die das System dominieren kann. Aber auch hier zeigt sich: Medienpluralismus ist keine Selbstverständlichkeit, sondern muss immer wieder verteidigt werden.

Drei Lehren für unsere Demokratie

1. Öffentlich-rechtliche Medien sind Teil der demokratischen Infrastruktur

Ein funktionierender Journalismus darf nicht vom Werbemarkt abhängig sein. Gebührenfinanzierte Sender sichern uns allen Unabhängigkeit und garantieren Meinungsvielfalt – auch dort, wo allein über Quoten nichts laufen würde. Damit das so bleibt, müssen die Öffentlich-Rechtlichen selbstbewusst(er) auftreten und ihren Auftrag offensiv verteidigen. 

2. Medienkonzentration gefährdet die Vielfalt

Wenn wenige Konzerne über hunderte Sender bestimmen, schrumpft der Raum für unterschiedliche Perspektiven. Das schwächt nämlich nicht nur den Lokaljournalismus, sondern macht die Berichterstattung anfälliger für politischen Druck – wie Ihr oben am Beispiel der USA nachlesen könnt. Demokratie braucht nicht nur inhaltliche Vielfalt, sondern auch strukturelle – durch föderale Systeme, unabhängige Redaktionen und verlässliche Finanzierungsmodelle.

3. Medienfreiheit muss aktiv verteidigt werden

Rechtliche Schutzmechanismen allein reichen aber längst nicht aus. Demokratien – und ich hoffe doch, dass wir alle diese bewahren wollen – sind darauf angewiesen, dass wir als Zivilgesellschaft und Publikum unsere unabhängigen Medien unterstützen – sei es durch Vertrauen, Kritik oder Engagement. Und diese Medien brauchen internationale Solidarität: Angriffe auf freie Presse in den USA, Deutschland oder ganz egal wo sind nie ein nationales Problem, sondern immer ein Warnsignal für alle Demokratien.

„… aber mir können die Systemmedien gestohlen bleiben!“

Ja, sowas lese ich ständig. Über den Unsinn der Begrifflichkeit mag ich gar nicht diskutieren, sondern möchte viel eher eine Lanze für den ÖRR brechen. Wir alle profitieren von dem Angebot dieser Sender. Jeder, der sich durch die breite Palette von TV-Sendern, Radiosendern und Mediatheken baggert, müsste das erkennen können. 

Auch, wenn viel – und teils zu Recht – über ARD und ZDF geschimpft wird: Hier wird keine Show abgesetzt, nur weil in der Regierung jemand den Daumen senkt. Und seriöse Informationen, wenn es Notsituationen wie Wetterkatastrophen gibt, finden wir alle zuerst und zuverlässig in der Regel beim ÖRR.

Dass die Sendergruppen trotzdem auch Mist bauen, Geld sinnlos verballern und manchmal merkwürdige Personaldebatten führen, ist doch auch klar. Aber wollen wir das tatsächlich alles opfern, um eine Art von TV zu etablieren, bei der nur noch Konzerne u.a. aus Big Tech das Sagen haben? Oder möchtet Ihr, dass irgendwann nur eine einzige Partei ansagt, was wir sehen? Damit genau das nicht passiert, brauchen wir ein Gebührenmodell. Wie man das reformiert bekommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Mein Fazit: Lasst uns den Kimmel-Moment als Weckruf sehen

Ich hoffe, ich konnte Euch aufzeigen, dass das, was in den USA derzeit abgeht, deutlich mehr ist als nur eine Medienposse. Wenn ein Moderator dort von einer Behörde angezählt und abgeschossen wird, weil er etwas gegen die Regierung und gegen Konzerne sagt, dann wird schwer an der Demokratie gesägt. 

Wir dürfen nicht dahin kommen, dass die Politik entscheidet, was gesendet werden darf und was nicht. Für uns in Deutschland sollte das ein Weckruf sein. Auch hier steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer wieder unter Beschuss – teils aus berechtigter Kritik, oft aber mit dem Ziel, ihn zu schwächen oder ganz abzuschaffen. Dabei ist er eine tragende Säule unserer Demokratie: unabhängig finanziert, der Vielfalt verpflichtet, nicht dem Profit.

Wir sollten uns bewusst machen: Eine freie und vielfältige Medienlandschaft ist kein Naturgesetz. Sie braucht Schutz – durch Institutionen, durch klare Strukturen, aber auch durch unsere Unterstützung als Gesellschaft. Ernsthaft, Freunde, wir müssen da alle mitmachen, verdammt!

Wer unsere Medienlandschaft schwächt, riskiert, dass am Ende nur noch wenige Stimmen übrigbleiben – die lautesten, die reichsten und einflussreichsten, nicht die vielfältigsten. Der Kimmel-Moment zeigt, wie dünn das Eis mittlerweile ist. Es liegt jetzt auch an uns: Bleiben wir wachsam? Stärken wir diese Pluralität auch dann, wenn das Gesagte dort mal nicht unserer Meinung entspricht? 

Helft bitte mit, dass unsere demokratische Medieninfrastruktur verteidigt und gefestigt werden kann. Wie gesagt: Das Eis in den USA ist dünn und die Entwicklung nicht so weit von Deutschland entfernt, wie wir es gerne hätten. Wehren wir uns nicht, werden wir mit unseren schnuckeligen Ärschen in dieses Eis einbrechen – und niemand weiß besser als wir Deutschen, wie schwer es ist, eine Demokratie zu retten, wenn sie uns erst einmal entglitten ist. 



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