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Flüssigkühlung im Prozessor: Microsoft will Mikrofluidik salonfähig machen


Microsoft will Prozessoren mit Mikrokanälen in den Siliziumchips deutlich effizienter kühlen als bisher. In mehreren Testläufen hat die Firma die sogenannte Mikrofluidik für eigene Server ausprobiert: Zusammen mit einem ungenannten Fertigungspartner ätzt Microsoft Kanäle in die Oberseite der Chips. Durch sie fließt Kühlflüssigkeit, die ansonsten durch Kupferplatten (Coldplates) oberhalb eines Prozessors oder Beschleunigers läuft.

Kühlflüssigkeit direkt im Chip umgeht mehrere Wärmeübergänge: zwischen Chip und Kühlplatte sowie zwischen Kühlplatte und Wasser. In einem Beitrag geht Microsoft leider nur auf relative Verbesserungen ein: Die Wärmeabfuhr gegenüber bisheriger Wasserkühlung soll dreimal besser sein. „Der maximale Temperaturanstieg des Siliziums im Inneren einer GPU“ soll um 65 Prozent sinken.

Die aktuelle Mikrofluidik-Iteration soll von Pflanzenblättern inspiriert sein: Statt ein einheitliches Gatter in Chips zu ätzen, setzt Microsoft auf asymmetrische Kanäle. Die Anordnung soll Hotspots wie Rechenkerne nochmals besser kühlen. Die feinsten Kanäle sind etwa so breit wie ein Haar.



Mikrokranalstrukturen im Testchip.

(Bild: Microsoft / Dan DeLong)

Hersteller forschen derweil schon seit Jahrzehnten an Kühlkanälen in Chips. IBM etwa veröffentlichte 2006 erste Forschungsarbeiten dazu. Bisher haderte es jedoch an der Umsetzung: Kühlsysteme müssen grundlegend umgestaltet werden, vor allem müssen sie direkten Kontakt zum Chip haben, drumherum aber gründlich abgedichtet sein. Mikrokanäle dürfen nicht durch Unreinheiten verstopfen. Chipauftragsfertiger wie TSMC müssen zudem ihre Produktion anpassen.

Das Thema kommt jetzt wieder auf, weil insbesondere bei KI-Beschleunigern die Energiedichte rasant ansteigt. Nvidias Blackwell-GPUs etwa überschreiten bereits die 1000 Watt; in den nächsten Jahren dürften die 2000- und 3000-Watt-Marken fallen.



Ein Testboard mit einem angepassten Kühler für die Mikrokanäle.

(Bild: Microsoft / Dan DeLong)

Bisher handelt es sich lediglich um Prototypen. Als Nächstes will Microsoft untersuchen, ob und wie sich die Mikrofluidik im großen Stil in die eigenen Chips integrieren lässt. Im Fokus stehen ARM-Prozessoren der Cobalt-Familie und KI-Beschleuniger der Maia-Familie, die TSMC für Microsoft herstellt. Im Idealfall könnten Partner ihre eigenen Chips ebenfalls umstellen, also etwa Nvidia. Bis es so weit ist, dürften allerdings mindestens noch Jahre vergehen.

Langfristig könnten Mikrokanäle die Kühlung in gestapelten Prozessoren erleichtern, schreibt auch Microsoft. Die Hitzeentwicklung ist eins der größten Probleme bei Stapelchips: Bei bisherigen Kühlsystemen muss die Abwärme der untersten Chips erst durch die oberen Lagen gehen, bevor sie abgeführt werden kann. Mikrokanäle im Chip könnten die parallele Kühlung mehrerer Chiplagen ermöglichen – sinnierte auch schon IBM im Jahr 2008. Die Umsetzung wäre allerdings noch komplizierter als bei normalen Prozessoren.


(mma)



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Schweizer Sprachmodell Apertus: So sieht EU-konforme, transparente KI aus


David gegen Goliath, Gallier gegen Römer, Frodo gegen Mordors Mächte. Seit jeher faszinieren Erzählungen, wie die vermeintlich Schwächeren, Unterlegenen die Übermächtigen zu Fall bringen. Nun, in der modernen Fassung: das offene Schweizer Sprachmodell Apertus gegen ChatGPT, Gemini, Llama & Co. Das eine finanziert mit Schweizer Forschungsgeldern und Gesetzestreue by Design, trainiert auf einem mit Ökostrom betriebenen Supercomputer in den Alpen. Die anderen gebaut auf Investorenmilliarden und ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt.

Stolz präsentierten Schweizer Forscher der ETH Zürich, des EPFL aus Lausanne und des CSCS in Lugano Anfang September ihren Gegenentwurf zur künstlichen Intelligenz US-amerikanischen Zuschnitts: ein großes, multilinguales Sprachmodell mit 70 Milliarden Parametern, das die Urheberrechte respektiert sowie Offenheit und Transparenz zur Maxime erhoben hat. Obgleich für mittelgroße LLMs wie Apertus nicht die strengsten Anforderungen der europäischen KI-Verordnung gelten, haben sich die Wissenschaftler rund um Projektleiter Martin Jaggi diesen freiwillig unterworfen. Damit liefern sie den ersten Proof of Concept für ein DSGVO- und AI-Act-konformes Sprachmodell.

Es ist unter den großen Sprachmodellen eines der wenigen reinen Open-Source-Projekte (PDF), die alles Wesentliche komplett offenlegen: nicht nur die Trainingsgewichte wie Metas Llama (Open Weights) oder den Quellcode nebst Gewichten wie das chinesische Deepseek. Apertus dokumentiert auch die verwendeten Trainingsdaten, die Art, wie diese gefiltert wurden, die Checkpoints der Trainingsläufe, die Finetuning- und Alignment-Prozeduren und mehr. Kurzum, der aus dem Lateinischen stammende Name ist Programm und wer nachvollziehen möchte, wie das Sprachmodell funktioniert und warum es bestimmte Antworten gibt oder wirres Zeug erzählt, der kann alle möglichen und unmöglichen Ursachen bis hinab zu den Trainingsdaten untersuchen.


Das war die Leseprobe unseres heise-Plus-Artikels „Schweizer Sprachmodell Apertus: So sieht EU-konforme, transparente KI aus“.
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Xiaomi 15T und 15T Pro: Neue Oberklasse mit „Walkie-Talkie“-Funktion


Während in China schon das Xiaomi 17 kurz vor der Premiere steht, bringt der Hersteller in Europa die 15T-Serie auf den Markt, die aus dem 15 T und 15T Pro besteht. Wir konnten einen ersten Blick auf das Pro-Modell werfen, für das Xiaomi ab rund 800 Euro aufruft. Damit sind sie günstiger als die Modellserie ohne „T“, die der Hersteller für den globalen Markt in der Regel zu Anfang eines Jahres in den Handel entlässt.

Bei den neuen T-Modellen setzt Xiaomi wie bei den Vorgängern auf Prozessoren von MediaTek. Jedoch verbaut der Hersteller noch nicht den frisch vorgestellten Topchip Dimensity 9500: Im Pro-Modell kommt der im April eingeführte Dimensity 9400+ und in der Basisversion ein Dimensity 8400 Ultra zum Einsatz.


Xiaomi 15T Pro Rückseite

Xiaomi 15T Pro Rückseite

Das Xiaomi 15T Pro von hinten.

(Bild: Andreas Floemer/heise medien)

Der Dimensity 9400+ besitzt acht Rechenkerne, die aus einem starken Cortex-X925, drei Cortex-X4 sowie vier Cortex-A720 bestehen und im 3-Nm-Verfahren gefertigt werden. Als GPU kommt eine Immortalis-G925 mit zwölf Kernen zum Einsatz. In puncto Leistung kommt der 9400+ teils an Qualcomms Snapdragon 8 Eilte heran, wobei der MediaTek-Chip eine bessere Effizienz haben soll. Der Dimensity 8400 Ultra mit ebenfalls acht Kernen – jedoch dem älteren Cortex-A715 – ist in der Mittelklasse verortet und wird im 4-Nm-Verfahren gefertigt. Als GPU verbaut Xiaomi eine Mali-G720.


Xiaomi 15T Pro – Screenshots von Benchmarks

Xiaomi 15T Pro – Screenshots von Benchmarks

Xiaomi 15T Pro – erste Benchmarks attestieren dem Gerät eine solide Leistung, sie liegt aber unter dem Snapdragon 8 Elite.

(Bild: heise medien)

Beim Speicher gibt es beim 15T und dem 15T Pro Parallelen: Beide setzen auf 12 GByte DDR5X-RAM und 256 oder 512 GByte UFS-4.1-Speicher; zudem bietet der Hersteller das Pro auch mit einem TByte an. Eine Speichererweiterung per MicroSD-Karte gibt es nicht.

Auch die Displays der neuen T-Modelle sind auf dem Papier weitgehend ähnlich: Sie verfügen über eine Diagonale von 6,83 Zoll und damit den bisher größten Bildschirm einer Xiaomi-Serie, so der Hersteller. Das Display mit einer Auflösung von 2772 × 1280 Pixeln und 447 ppi unterstützt eine Bildwiederholrate von bis zu 120 Hertz und kann im Peak punktuell bis zu 3200 cd/m² hell werden.

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Zwar sind die Displays sich ähnlich, jedoch hat Xiaomi die Ränder des Pro-Modells ringsum mit 1,5 mm schmaler als beim Basismodell gemacht. Das sieht man auch an den Abmessungen: Das 15T misst 163,2 x 78 x 7,50 mm und das Pro 162,7 × 77,9 × 7,96 mm – letzteres ist indes eine Spur dicker. Beim Gewicht liegt das Pro mit 210 g vor dem 15T, das 194 g auf die Waage bringt. Beide sind nach IP68 gegen Wasser und Staub geschützt.


Xiaomi 15T Pro – Nahaufnahme der Kamera

Xiaomi 15T Pro – Nahaufnahme der Kamera

Xiaomi 15T Pro mit Triple-Kamera und optischem Zoom.

(Bild: Andreas Floemer/heise medien)

Hinsichtlich der Kameras haben beide drei auf der Rückseite: eine Weit- eine Ultraweit- und eine Telezoom-Optik. Zudem teilen sich die Modelle eine 12-MP-Ultraweitwinkel-Kamera mit 120° Bildwinkel und f/2,2-Blende. Die 50-MP-Weitwinkel-Kamera des 15 Pro ist mit f/1,62 lichtstärker als die f/1,7 des 15T, zudem ist der Sensor des Pro-Modells größer. Beide besitzen eine optische Bildstabilisierung (OIS).

Die 50-MP-Telezoom-Kamera des 15T Pro bietet zudem eine stärkere Vergrößerung von fünffach optisch und einen zehnfachen verlustfreien Zoom so Xiaomi. Laut Hersteller deckt das 15T Pro Brennweiten von 15 bis 230 mm ab, das Xiaomi 15T von 15 bis 92 mm. Videos können beide Modelle in 4K HDR + mit 30 fps; das Pro unterstützt derweil auch 8K-Aufnahmen und 4K mit 120 fps. Für Selfies und Videocalls ist in beiden eine 32-MP-Frontkamera eingebaut.

Größer als im Vorgänger fällt der Akku aus: Im 15T und 15T Pro steckt jeweils ein 5500 mAh großer Energiespeicher – im 14T und Pro setzte Xiaomi noch einen 5000 mAh Akku ein. Unterschiede gibt es beim Laden: Das 15 T Pro kann mit 90 W kabelgebunden und mit 50 W kabellos geladen werden – hierfür sind indes proprietäre Ladelösungen des Herstellers erforderlich. Das 15T kann nur kabelgebunden mit 67W geladen werden – kabelloses Laden unterstützt es nicht.

Weiter bieten beide Dual-SIM-Betrieb an, sogar zwei eSIMs können verwendet werden. Wi-Fi 7 ist derweil nur im 15T Pro, während das 15T nur Wi-Fi 6e unterstützt. Beide 15T-Modelle bieten immerhin mit Bluetooth 6 die neueste Version des Standards an.

Premiere feiert auf den 15T-Geräten die sogenannte „Xiaomi Astral Communication“, mit der Nutzer der Modelle eine Sprachverbindung zwischen zwei Geräten aufbauen können, bei der weder Mobilfunk- noch WLAN-Netz verfügbar sind. Die Reichweite beträgt laut Hersteller bis zu 1,9 km beim Xiaomi 15T Pro und 1,3 km beim Xiaomi 15T. Das System sei besonders für offene Regionen ohne herkömmliche Netzabdeckung wie etwa auf abgeschiedenen Wanderwegen oder Landschaften geeignet, erklärt Xiaomi.

Für diese Art der Kommunikation setzt der Hersteller auf einen hauseigenen „Xiaomi Surge T1S Tuner“, der flexibel verschiedene Signalquellen wie GPS, WLAN, Bluetooth und Mobilfunk wechsle und mithilfe einer Hochleistungsantenne zur Optimierung der Mobilfunkleistung, sowie durch „AI-Smart-Antenna-Switching“ automatisch zwischen den verfügbaren Übertragungstechnologien wechsle.

Auf beiden Smartphones läuft Android 15 mit Xiaomis Geschmacksrichtung HyperOS. Wie bei Xiaomi leider üblich sind die Geräte mit massenweise Bloatware ausgestattet, die immerhin weitgehend entfernt werden kann. Xiaomi unterscheidet bei den beiden Geräten nach der Anzahl der Android-Updates: Das 15 T Pro bekommt fünf Jahre neue Android-Versionen, das 15T nur vier Jahre; beiden Modellen sichert der Hersteller immerhin sechs Jahre Sicherheitspatches zu.


Xiaomi 15T Pro – Screenshots der Software

Xiaomi 15T Pro – Screenshots der Software

Xiaomi 15T Pro kommt noch mit HyperOS 2 und Android 15 ab Werk – in der systemeigenen Bereinigunssoftware stecken offenbar Werbetracker.

Als erstes großes Update sollen die Smartphones Ende Oktober die neue HyperOS-Version 3.0 erhalten, die auf Android 16 basieren könnte. Laut Hersteller umfasst die neue OS-Version eine „überarbeitete Benutzeroberfläche mit erweiterten Multitasking-Funktionen, schnelleren App-Öffnungen und überarbeiteten Interface-Elementen, darunter Sperrbildschirme, Hintergründe, Symbole, Widgets und ein neu gestaltetes Benachrichtigungssystem“.

Für das Xiaomi 15T Pro verlangt der Hersteller ab knapp 800 Euro mit 12 GByte RAM und 256 GByte-Flashspeicher. Es wird in den Farben „Black“ (Schwarz), „Gray“ (Grau) und „Mocha Gold“ angeboten. Das 15T wird ebenso in Schwarz und Grau angeboten, als dritter Farbton steht ein „Rose Gold“ zur Wahl. Es kostet ab 650 Euro. Die Geräte sind ab sofort bestellbar.


(afl)



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Arzttermine und Diagnosen: In diesen Praxen sprechen Patienten mit einer KI


Stellen sie sich vor: Sie fühlen sich unwohl und rufen ihre Arztpraxis an, um einen Termin zu vereinbaren. Zu ihrer Überraschung bekommen sie ihn bereits für den nächsten Tag. Und damit nicht genug: Bei ihrem Besuch werden sie weder vom Arzt oder Ärztin noch von der Sprechstundenhilfe gehetzt, sondern sie haben eine erstaunliche halbe Stunde Zeit, um ihre Symptome und Sorgen sowie alle Details ihrer Krankengeschichte zu schildern. Ihr Gegenüber hört aufmerksam zu und stellt durchdachte Fragen. Sie verlassen die Praxis mit einer Diagnose, einem Behandlungsplan und dem guten Gefühl, einmal endlich ausführlich alles Relevante in dem Termin besprechen zu können.

Der Haken an der Sache? Sie haben gar nicht mit einem Arzt oder einer Ärztin gesprochen, sondern mit einer Künstlichen Intelligenz (KI). Das ist bereits die neue Realität für Patienten in einer kleinen Anzahl von Praxen im südlichen Kalifornien, die von dem medizinischen Startup Akido Labs betrieben werden. Die Patienten – von denen einige die öffentliche US-Krankenkasse Medicaid nutzen – können kurzfristig Termine bei Fachärzten vereinbaren, ein Privileg, das normalerweise nur denen vorbehalten ist, die dafür extra zahlen.

Akido-Patienten verbringen dabei allerdings relativ wenig – oder gar keine – Zeit mit Ärzten. Stattdessen sehen sie medizinische Assistenten, die ihnen zwar ein offenes Ohr entgegenbringen, aber nur über eine begrenzte klinische Ausbildung verfügen. Die Diagnose und den Behandlungsplan erstellt dann ein proprietäres System namens ScopeAI. Dieses große Sprachmodell (LLM) transkribiert und analysiert den Dialog zwischen Patienten und Assistenz. Mediziner genehmigen oder korrigieren dann die Empfehlungen des KI-Systems.

„Unser Fokus liegt darauf, was wir alles tun können, um die Ärzte aus dem Praxisbesuch herauszunehmen“, räumt Jared Goodner, Chief Technology Officer von Akido, freimütig ein. Laut Prashant Samant, CEO von Akido, können Ärzte mit diesem Ansatz vier- bis fünfmal so viele Patienten behandeln wie zuvor. Es gibt gute Gründe, warum Mediziner produktiver sein sollten. Nicht nur die Amerikaner werden älter und gleichzeitig kränker, und viele haben Schwierigkeiten, Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung zu erhalten. Die bevorstehende Kürzung der Bundesmittel für Medicaid um bis zu 15 Prozent wird die Situation nur noch verschlimmern.

Experten sind jedoch nicht davon überzeugt, dass die Verlagerung eines so großen Teils der kognitiven Arbeit in der Medizin auf KI der richtige Weg ist, um den Mangel an Ärzten zu beheben. Es gibt eine große Wissenslücke zwischen Ärzten und KI-gestützten medizinischen Assistenten, sagt Emma Pierson, Informatikerin an der UC Berkeley. Eine solche Lücke zu schließen, kann Risiken mit sich bringen. „Ich bin begeistert vom Potenzial der KI, den Zugang zu medizinischem Fachwissen zu erweitern“, sagt sie. „Ich bin mir nur nicht sicher, ob dies der richtige Weg ist, um dies zu erreichen.“ KI ist in der Medizin zwar längst allgegenwärtig. Computer-Vision-Tools identifizieren Krebserkrankungen bei Vorsorgeuntersuchungen, automatisierte Forschungssysteme, ermöglichen Ärzten eine schnelle Durchsicht der medizinischen Fachliteratur und LLM-gestützte medizinische Schreibkräfte können im Auftrag Notizen machen. Diese Systeme sind jedoch nur darauf ausgelegt, bei typischen medizinischen Routineaufgaben zu unterstützen.

Was ScopeAI laut Goodner auszeichnet, ist die Fähigkeit, die kognitiven Aufgaben, die einen Arztbesuch ausmachen, selbstständig zu erledigen. Von der Erfassung der Krankengeschichte der Patienten über die Erstellung einer Liste möglicher Diagnosen bis hin zur Ermittlung der wahrscheinlichsten Diagnose und dem Vorschlag geeigneter nächster Schritte. Im Hintergrund von ScopeAI arbeitet eine Reihe von LLMs, von denen jedes einen bestimmten Schritt der Visite ausführen kann – von der Generierung geeigneter Folgefragen auf der Grundlage der Aussagen der Kranken bis zur Erstellung einer Liste wahrscheinlicher Störungen. Zum größten Teil handelt es sich bei diesen LLMs um fein abgestimmte Versionen der frei zugänglichen Llama-Modelle von Meta, obwohl Goodner sagt, dass das System auch die Claude-Modelle von Anthropic nutzt.

Während des Termins lesen die medizinischen Assistenzpersonen Fragen von ScopeAI vor – und das System generiert neue Fragen, während es die Aussagen der Patienten analysiert. Für die Ärzte, die die Ergebnisse später überprüfen, erstellt ScopeAI eine kurze Notiz, die eine Zusammenfassung des Patientenbesuchs, die wahrscheinlichste Diagnose, zwei oder drei alternative Diagnosen und empfohlene nächste Schritte wie Überweisungen oder Verschreibungen enthält. Außerdem werden für jede Diagnose und Empfehlung Begründungen aufgeführt.

ScopeAI wird derzeit in der Kardiologie, Endokrinologie und in Kliniken für Primärversorgung sowie vom sogenannten Street-Medicine-Team von Akido eingesetzt, das sich um Obdachlose in Los Angeles kümmert. Dieses Team unter der Leitung von Steven Hochman, einem auf Suchtmedizin spezialisierten Arzt, trifft sich mit Patienten, um ihnen den Zugang zu medizinischer Versorgung, inklusive der Behandlung von Drogenerkrankungen, zu erleichtern. Früher musste Hochman noch die Patienten persönlich treffen, um ein Medikament zur Behandlung einer Abhängigkeit von Opioiden zu verschreiben. Jetzt können Sozialarbeiter, die mit ScopeAI ausgestattet wurden, die Betroffenen selbst befragen, und Hochman kann die Empfehlungen des Systems später genehmigen oder ablehnen. „Dadurch kann ich an zehn Orten gleichzeitig sein“, sagt er.

Seitdem sein Team ScopeAI einsetzt, könne es Patienten innerhalb von 24 Stunden Zugang zu Medikamenten verschaffen, die ihnen bei der Behandlung ihrer Sucht helfen – etwas, das Hochman als bislang „beispiellos“ bezeichnet. Diese Regelung ist nur möglich, weil Obdachlose in der Regel über Medicaid, das besagte öffentliche Versicherungssystem, krankenversichert sind. Während Medicaid es Ärzten erlaubt, ScopeAI-Rezepte und Behandlungspläne sowohl für die Obdachlosenmedizin als auch für Klinikbesuche „asynchron“ zu genehmigen, verlangen viele andere Krankenkassen, dass Ärzte vor der Genehmigung dieser Empfehlungen direkt mit den Patienten sprechen. Expertin Pierson sagt, dass diese Diskrepanz Probleme aufwirft. „Man macht sich Sorgen, dass sich dadurch die gesundheitlichen Ungleichheiten verschärfen könnten“, sagt sie.

Akido-Chef Samant ist sich der Probleme bewusst und sagt, dass diese Diskrepanz nicht beabsichtigt sei – sie ist seiner Ansicht nach lediglich ein Merkmal der derzeitigen Funktionsweise des US-Versicherungssystems. Er merkt an, dass eine schnelle Untersuchung durch einen KI-gestützten medizinischen Assistenten besser sein könne als lange Wartezeiten und eine begrenzte Verfügbarkeit von Praxen, was für Medicaid-Patienten derzeit der Status quo sei. Und alle Akido-Patienten könnten sich auch für traditionelle Arzttermine entscheiden, wenn sie bereit sind, darauf zu warten, sagt er.

Eine der Herausforderungen beim Einsatz von Tools wie ScopeAI besteht darin, sich in einem regulatorischen und versicherungstechnischen Umfeld zurechtzufinden, das nicht für KI-Systeme konzipiert wurde, die selbstständig Diagnosen erstellen können. Glenn Cohen, Professor an der Harvard Law School, sagt, dass jedes KI-System, das effektiv als eine Art „Doctor in a box“ fungiert, wahrscheinlich von der US-Medizinaufsicht FDA zugelassen werden müsse – und gegen die Gesetze zur ärztlichen Zulassung verstoßen könnte, die vorschreiben, dass nur Ärzte und andere zugelassene Fachleute Medizin praktizieren dürfen.

Der California Medical Practice Act besagt tatsächlich, dass KI die Verantwortung von Ärzten für Diagnose und Behandlung von Patienten nicht ersetzen kann. Doch Ärzte dürfen offiziell schon heute KI bei ihrer Arbeit einsetzen und müssen Patienten vor der Diagnose nicht persönlich oder „in Echtzeit“ sehen. Allerdings: Weder die FDA noch der Ärzteausschuss Medical Board of California konnten allein auf der Grundlage einer schriftlichen Beschreibung des Systems sagen, ob ScopeAI auf einer soliden rechtlichen Grundlage steht oder nicht. Samant ist jedoch zuversichtlich, dass Akido alle Vorschriften einhält, da ScopeAI bewusst so konzipiert sei, dass es nicht als vollständiger Arztersatz fungiert. Da das System alle Diagnose- und Behandlungsempfehlungen von einer menschlichen Ärzt:in überprüfen und genehmigen lassen muss, sei keine FDA-Zulassung erforderlich, so Samant.

In einer Akido-Klinik findet dieses Zusammenspiel zwischen KI und ärztlicher Entscheidungsfindung vollständig hinter den Kulissen statt. Der:ie Patient:in sieht die ScopeAI-Schnittstelle nie direkt, sondern spricht mit einer medizinischen Assistenzkraft, die ihm:ihr Fragen stellt, wie es Ärzte bei einem typischen Termin tun würde. Diese Vorgehensweise kann dazu beitragen, dass sich die Patienten wohler fühlen. Zeke Emanuel, Professor für Medizinethik und Gesundheitspolitik an der University of Pennsylvania, der in den Regierungen der US-Präsidenten Obama und Biden tätig war, befürchtet jedoch, dass dies eine Illusion ist. Es könnte im Gegenteil den Umfang verschleiern, in dem ein Algorithmus die Behandlung beeinflusst. KI-Expertin Pierson stimmt dem zu. „Das entspricht sicherlich nicht dem, was traditionell unter menschlicher Nähe in der Medizin verstanden wurde“, sagt sie.

DeAndre Siringoringo, arbeitet als medizinischer Assistent in Akidos Kardiologiepraxis in Rancho Cucamonga. Er sagt, dass er den Patienten zwar mitteilt, dass ein KI-System den Termin mitschreibt, um Informationen für die Ärzte zu sammeln. Er gibt ihnen aber keine Einzelheiten über die Funktionsweise von ScopeAI an die Hand – auch nicht, dass es stets eine Diagnoseüberprüfung durch den Menschen gibt.

Da alle Empfehlungen von ScopeAI von Ärzte überprüft werden, scheint das auf den ersten Blick keine große Sache zu sein – schließlich trifft dieser die endgültige Diagnose, nicht die KI. Es ist jedoch weitgehend dokumentiert, dass Ärzte, die KI-Systeme verwenden, dazu neigen, den Empfehlungen des Systems häufiger zu folgen, als sie sollten – ein Phänomen, das als Automatisierungsbias bekannt ist.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unmöglich zu sagen, ob dies die Entscheidungen der Ärzte in den Akido-Kliniken beeinflusst. Pierson sagt aber, dass dies ein Risiko darstellt – insbesondere, wenn die Ärzte bei den Terminen nicht physisch anwesend sind. „Ich befürchte, dass man dadurch dazu neigt, einfach zuzustimmen – was man vielleicht nicht tun würde, wenn man tatsächlich im Raum wäre und das Geschehen mitverfolgen würde.“

Eine Sprecherin von Akido erklärt, dass solche Probleme bei jedem KI-Tool auftreten, das Ärzte bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt, und dass das Unternehmen Anstrengungen unternommen habe, um diesen Bias zu mindern. „Wir haben ScopeAI speziell entwickelt, um dies zu reduzieren, indem wir proaktiv blinden Flecken im System entgegenwirken, die medizinische Entscheidungen beeinflussen können, die bislang stark von der Intuition und persönlichen Erfahrung der Ärzte abhängen“, sagt sie. „Wir schulen Ärzte auch ausdrücklich darin, ScopeAI umsichtig einzusetzen, damit sie ihre Verantwortung wahrnehmen und eine übermäßige Abhängigkeit von dem System vermeiden.“

Akido bewertet die Leistung von ScopeAI, indem es das System anhand historischer Daten testet und überwacht, wie oft Ärzte die Empfehlungen korrigieren. Diese Korrekturen werden auch zur weiteren Schulung der zugrunde liegenden Modelle verwendet. Bevor ScopeAI in einem bestimmten Fachgebiet eingesetzt wird, stelle Akido sicher, dass das System bei Tests mit historischen Datensätzen in mindestens 92 Prozent der Fälle die richtige Diagnose in seinen drei wichtigsten Empfehlungen einhält.

Das Startup hat allerdings keine strengeren Tests durchgeführt – auch keine Studien, in denen ScopeAI-Termine mit persönlichen oder telemedizinischen Terminen verglichen werden, um festzustellen, ob das System den Gesundheitszustand verbessert oder zumindest aufrechterhält. Erst solche Studien könnten Aufschluss darüber geben, ob der Automatisierungsbias ein ernstzunehmendes Problem darstellt. „Die medizinische Versorgung billiger und zugänglicher zu machen, ist ein lobenswertes Ziel“, meint KI-Expertin Pierson. Dennoch hofft sie auf eine fundiertere Bewertung der Technik vor deren breitem Einsatz.

Dieser Beitrag ist zuerst auf t3n.de erschienen.


(jle)



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