Apps & Mobile Entwicklung
Fünf Gründe, wieso Streaming in einer Sackgasse gelandet ist
Wir erkennen gerade die bittere Ironie unserer Streaming-Welt: Dienste, die einst antraten, Piraterie durch Komfort und ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis auszumerzen, sind heute der Hauptgrund für ihr Comeback. Ein paar Zahlen dazu: 2020 befand sich die Piraterie an ihrem Tiefpunkt. „Nur“ 130 Milliarden Seitenaufrufe gab es da zu verzeichnen. 2024, nur vier Jahre später, ist diese Zahl wieder auf 216 Milliarden Seitenaufrufe angestiegen. Das ist ein sattes Plus von 66 Prozent!
Das zeigt uns: Dieses goldene Zeitalter, in dem ein einziges Netflix-Abo Zugang zu einer wundervollen, fast kompletten Welt aus Filmen und Serien bot, ist vorbei. Und nicht etwa die Piraten haben diesen Frieden gebrochen – es waren die Anbieter selbst. Zurück blieb ein fragmentiertes, teures und frustrierendes System, das viele von uns direkt in die Arme der Piraterie treibt.
Dieser Wandel ist kein Zufall, er ist das Ergebnis einer Reihe strategischer Fehlentscheidungen, die das Vertrauen der Nutzer:innen massiv untergraben haben. Im Folgenden zeige ich Euch fünf entscheidende Gründe, warum Piraterie nicht nur zurück ist, sondern oft sogar besseren Service bietet – und warum das einstige Bequemlichkeits-Versprechen gebrochen wurde.
1. Piraterie bietet heute oft besseren Service
Das vielleicht überraschendste Eingeständnis: Illegale Plattformen schaffen in vielen Bereichen eine bessere Nutzererfahrung. Während legale Dienste Euch oft mit künstlichen Hürden frustrieren, setzen Piraterie-Angebote konsequent auf maximale Bequemlichkeit. Das ist der ultimative Beweis dafür, dass es nicht nur um den Preis geht, sondern um Service.
Konkret bedeutet das für uns:
Ihr habt (wieder) alles an einem Ort. Statt zwischen fünf oder sieben Apps zu wechseln und mühsam zu suchen, wo ein Film gerade verfügbar ist, findet Ihr auf Piraterie-Plattformen alles zentral. Und vergesst die abenteuerlichen Designs früherer Piraten-Seiten! Mittlerweile ist die Bedienung der Portale mindestens ebenso angenehm, als würdet Ihr durch Netflix oder durchs Menü Eures Smart-TVs navigieren. Ihr seht hier nichts anderes als die Wiederherstellung des ursprünglichen Netflix-Versprechens – nur illegal.
Thema technische Qualität: Illegale Plattformen stellen oft unkomprimierte Kopien in 4K und zu herausragend hohen Datenraten bereit. Dolby-Atmos-Sound und mehrere Sprach- und Untertitelspuren sind oft Standard. Legale Anbieter schneiden hier oft deutlich schlechter ab: Streams werden auf etwa 15 Mbit/s beschränkt, die beste Qualität gibt es nur auf bestimmten Geräten oder Browsern.
Zudem gibt es keine künstlichen Sperren. Geoblocking, DRM-Einschränkungen oder fehlende Optionen für Sprachen und Untertitel gibt es bei Piraterie nicht. Der Service ist global und barrierefrei.
Schon Gabe Newell, Mitgründer von Valve (Half-Life, Spieleplattform Steam), formulierte es 2011 prägnant: „Piraterie ist fast immer ein Serviceproblem und kein Preisproblem.“ Heute ist das relevanter denn je, wenn Ihr mich fragt.
2. Streaming wurde zu dem, was es ersetzen sollte: Kabelfernsehen 2.0
Ursprünglich war Streaming als eine Art „One-Stop-Shop“ gedacht. Ein Ort, an dem Ihr alles findet – jederzeit und unkompliziert. Dieses Versprechen wurde durch Marktfragmentierung zerstört. Große Studios wie Disney (Disney+), Warner Bros. (HBO Max) oder Paramount (Paramount+) zogen Inhalte zurück und gründeten eigene, exklusive Dienste. Das Ergebnis: Ihr müsst Eure Fühler in viele Richtungen ausstrecken, um überhaupt an Eure Filme und Serien zu kommen.
Das hat auf unschöne Weise das alte Modell des Kabelfernsehens wiederbelebt – nur teurer. Für Euch bedeutet das oft mehrere Abos: drei, vier oder noch mehr Plattformen, Kosten übersteigen für uns dabei mit Leichtigkeit 60 Euro im Monat. Und das nur, um die wenigen Inhalte zu sehen, die Euch wirklich interessieren.
Andere Branchen zeigen, wie es besser geht. Die Musikindustrie etwa bündelt mit Spotify fast alles an einem Ort. Die Gaming-Branche hat mit Steam Piraterie nicht durch Klagen, sondern durch besseren Service besiegt: automatische Updates, Sales, zentrale Bibliotheken. Beide Beispiele beweisen: Kunden zahlen für Bequemlichkeit. Die derzeitige Fragmentierung des Streaming-Marktes zeigt uns, dass Anbieter die Nutzer:innen aktiv in die Piraterie treiben.
3. Die Leute zahlen sogar für illegales Streaming
Das klassische Argument, Piraten seien einfach nur zu geizig, stimmt längst nicht mehr. Ein wachsendes Phänomen widerlegt das: sogenannte „Debrid-Dienste“. Dabei handelt es sich quasi um Vermittler, die den Zugriff auf zahlreiche Filehoster bündeln – Ihr zahlt einmal und könnt so Dateien schneller und ohne Werbung laden oder streamen. Das beweist: Nutzer:innen zahlen bereitwillig, wenn der Service stimmt.
Das Prinzip: Ihr zahlt drei bis sechs Euro im Monat an einen Anbieter. Der Dienst lädt die Inhalte aus Torrent-Netzwerken herunter, speichert sie auf eigenen Servern und stellt Euch diese über eine sichere Verbindung zur Verfügung – ohne Wartezeiten, mit hoher Qualität. Das funktioniert wie Netflix – nur bequemer und umfassender.
Dieser Punkt verschiebt die gesamte Debatte. Nutzer:innen wollen Service. Wenn der illegale Service bequemer, schneller und vollständiger ist, entscheiden sich Film- und Serien-Fans immer öfter, genau dafür zu zahlen. Geld, das nicht den Streaming-Konzernen zugutekommt, sondern den Betreibern dieser Grauzonen-Dienste. Ihr zahlt für Bequemlichkeit – und das trotz aller Legalitäts-Risiken, die damit verbunden sind.
4. Euch gehört faktisch nichts! Inhalte verschwinden einfach
Ein wachsendes Misstrauen gegenüber Streaming-Diensten resultiert aus einer bitteren Erkenntnis: Eure Abos und selbst digitale Käufe garantieren Euch kein Eigentum. Inhalte können jederzeit verschwinden – ohne Vorwarnung. Damit bricht das zentrale Serviceversprechen der Verfügbarkeit.
Ein Beispiel: Warner Bros. Discovery entfernte Westworld von HBO Max – allein aus finanziellen Gründen. Auch Filme, die Ihr digital gekauft habt, können verschwinden, wenn Lizenzen auslaufen. Dieses Gefühl von Unsicherheit zerstört Vertrauen. Viele Nutzer:innen kommen zu einer neuen Haltung: „If buying isn’t owning, then piracy isn’t stealing.“
Ich hoffe inständig, dass Ihr Euch dessen bewusst seid: Blättert Ihr bei Amazon oder sonst wo fünf, sechs oder zehn Euro für einen Film auf den Tisch, gehört er Euch deswegen noch längst nicht. Ihr erwerbt lediglich eine Lizenz, die es Euch gestattet, den Film jederzeit auf den Amazon-Servern abzurufen. Ob der Film dort verbleibt, oder ob Euch aus anderen Gründen der Zugriff entzogen wird? Das entscheidet in dem Fall Amazon ganz allein!
Heruntergeladene Dateien hingegen gehören Euch. Ihr habt Kontrolle. Sie verschwinden nicht über Nacht. In einer Welt, in der alles so schrecklich flüchtig ist, wird diese Eigenschaft zu einem Service-Faktor, den Piraterie oft besser erfüllt als legale Anbieter.
5. Die Gier der Konzerne
Letztlich ist es eine Kombination aus als gierig wahrgenommenen Praktiken, die unser Vertrauen zerstört. Fachleute sprechen hier von „Enshittification“. Damit ist gemeint, dass Unternehmen ihre Dienste bewusst verschlechtern, um kurzfristig ihre Gewinne zu erhöhen. Jeder einzelne dieser Schritte verschlechtert also unsere Experience auf der Plattform und treibt uns somit förmlich zurück zur Piraterie.
Dabei sind mir drei besonders kritische Punkte aufgefallen:
- Da sind zunächst einmal die Preiserhöhungen: Die Kosten steigen kontinuierlich. Das Premium-Abo von Netflix kostet heute 19,99 €, und damit fast 67 Prozent mehr als 2017. Disney+ und auch andere Anbieter ziehen ebenso aggressiv an.
- Nervt ebenso: Werbung in bezahlten Abos! Das ursprüngliche Versprechen eines werbefreien Angebots ist lange schon dahin. Werbung reißt uns natürlich aus der Serien- oder Filmwelt, in die wir eben noch glücklich versunken waren.
- Das Ende des Passwort-Sharings: Der Schritt von Netflix, Account-Sharing zu verbieten, wird gemeinhin als Zeichen von Kundenfeindlichkeit gewertet. Schließlich hatte das Unternehmen ironischerweise selbst 2017 in einem Tweet genau das Gegenteil versprochen.
All diese Maßnahmen machen Streaming unbequem. Sie signalisieren Euch: Kundenloyalität zählt nichts, es geht nur um Profit. Und wenn Anbieter Regeln ständig zu ihrem Vorteil ändern, warum solltet Ihr Euch dann daran halten? Das ist zumindest die Frage, die offensichtlich immer mehr Menschen im Kopf herumschwirrt.
Fazit: Alles zurück auf Anfang?
Die Streaming-Industrie steht vor einem hausgemachten Problem. Fragmentierung, Preiserhöhungen, Werbung, Einschränkungen – all das hat den Service verschlechtert und brachte uns auf die Palme. Das Ergebnis: Piraterie erlebt ein Revival. Bequemlichkeit, faires Preis-Leistungs-Verhältnis und Vertrauen sind keine Selbstverständlichkeit mehr.
Nachdem die Streaming-Branche dem Kino eine volle Breitseite verpasste, von dem sich die Kinokassen bis heute nicht erholen konnten, schuf man nun ein Vakuum, das Piraten jetzt mit einem besseren Angebot füllen. Die Frage ist nicht, ob Piraterie zurückkommt. Sie feiert längst ihr Comeback. Die Frage ist vielmehr, wie lange wir noch bereits sind, zu viel für zu wenig zu zahlen. Oder anders: Was können die Streaming-Unternehmen tun, um uns zurückzugewinnen?
Wie geht es Euch? Akzeptiert Ihr zähneknirschend, was uns Netflix und Konsorten zumuten? Oder schielt Ihr auch schon heimlich Richtung irgendwelcher Alternativen? Und welche Auswege aus dem Dilemma könnt Ihr Euch vorstellen?