Künstliche Intelligenz
Länder wollen Urheberpauschale für KI
Die Rundfunkkommission der Länder hat ein Diskussionspapier für einen „Digitale-Medien-Staatsvertrag“ (DMStV) vorgelegt, das umfassende Maßnahmen zur Sicherung der kommunikativen Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft vorsieht. Im Zentrum der Initiative, auf die sich die Rundfunkreferenten am Donnerstag verständigt haben, steht die Bewältigung der Herausforderungen des KI-Zeitalters.
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Ein zentrales in den Eckpunkten skizziertes Vorhaben ist die Einführung eines eigenständigen, gesetzlichen Vergütungsanspruchs für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke beim Training und Einsatz von Systemen für generative KI wie ChatGPT, Gemini oder Claude. Ziel ist ein Lizenzmodell, das durch kollektive Wahrnehmung über Verwertungsgesellschaften einen fairen Ausgleich zwischen Innovation und den Interessen der Rechteinhaber, insbesondere aus dem journalistisch-redaktionellen Bereich, schafft.
Gleichzeitig sollen die Transparenzpflichten für KI-Anbieter verschärft werden. Diese müssten detailliert offenlegen, welche Werke konkret für das Training großer Sprachmodelle zum Einsatz kamen, sobald die Nutzung über eine bloße Zusammenfassung hinausgeht. Eine klare Kennzeichnungspflicht soll auch für Crawler und Bots gelten.
Was darf fürs KI-Training genutzt werden?
Im Rahmen der jüngsten großen Urheberrechtsnovelle hat die EU Ausnahmen vom exklusiven Verwertungsrecht für Text- und Data-Mining (TDM) festgelegt. Der Bundestag hat diese Vorgaben im Urheberrechtsgesetz umgesetzt. Demnach ist die Vervielfältigung von rechtmäßig zugänglichen digitalen Werken etwa zum Training von Algorithmen erlaubt, um „daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen“.
Diese Berechtigung gilt für Forschungseinrichtungen, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: Diese dürfen keine kommerziellen Zwecke verfolgen, müssen sämtliche Gewinne in die Wissenschaft reinvestieren oder im Rahmen eines staatlich anerkannten Auftrags im öffentlichen Interesse tätig sein. Das soll verhindern, dass Institute umfangreich Daten im Dienste von Unternehmen schürfen.
Angesichts der zunehmenden Verbreitung von generativen KI-Systemen wollen die Länder prüfen lassen, ob die bestehenden TDM-Regeln angemessen sind. Ein wichtiger Punkt ist der Nutzungsvorbehalt der Rechteinhaber: Ihnen ist es sowohl nach nationalem als auch nach europäischem Recht gestattet, die Nutzung ihrer Werke für TDM ausdrücklich auszuschließen.
Damit diese Sperre wirksam und rechtssicher funktioniert, braucht es laut dem Papier klare formelle Vorgaben zur Erklärung und Wirkung des Vorbehalts. Letztlich müsse ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Urheberschutz und der Innovationsförderung gewährleistet werden, um ein stabiles Medienumfeld und verlässliche Vergütungsstrukturen zu sichern. Zuvor forderte schon der Deutsche Kulturrat eine angemessene Vergütung für die KI-Nutzung geschützter Werke. Er verweist auf deutliche Stimmen, wonach die TDM-Schranke hier nicht greife.
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Quellenangaben und Plausibilitätscheck
Die Länder drängen zudem darauf, Chatbot-Betreiber in die medienrechtliche Verantwortung zu nehmen, insbesondere wenn ihre Systeme einem eigenen Inhalteangebot gleichkommen. Dafür sollen verpflichtende Quellenangaben und Verlinkungen sowie Plausibilitätschecks anhand verlässlicher Berichte eingeführt werden.
Um Inhalteanbieter zu stärken und ihre Refinanzierung zu sichern, strebt die Rundfunkkommission ein ausgeglichenes Regulierungsumfeld an. Dies erfordere eine Überprüfung von Werbevorschriften, um zusätzliche Reklameverbote vor allem im Fernsehen zu vermeiden und ein Gleichgewicht beim Zugang zu Werbeerlösen zwischen traditionellem Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien und konkurrierenden Vermittlungsdiensten (Plattformen) herzustellen.
Anbieter, die nach journalistischen Standards arbeiten und in diese investieren, sollen im Online-Umfeld besonders geschützt werden. Die Länder erwägen hier, Diskriminierungsverbote zu konkretisieren, etwa indem die Auffindbarkeit nicht wegen Paywalls oder externer Links benachteiligt werden darf. Es soll mindestens ein gleichberechtigtes Ausspielen eigenständig recherchierter und redaktionell verantworteter Inhalte gegenüber ausschließlich KI-generierten Inhalten auf Plattformen gewährleistet werden.
Regeln nicht von Big Tech diktieren lassen
Um die Auffindbarkeit journalistischer Inhalte zu fördern, sollen die bestehenden Regeln für Benutzeroberflächen evaluiert und fortentwickelt werden. Die Kriterien für einen öffentlichen Mehrwert der Berichterstattung sollen geschärft werden, um den Zugang zu verlässlichen Inhalten zu sichern und Anreize für entsprechende Investitionen zu bieten. Die Sichtbarkeit von Medieninhalten in Suchergebnissen, Feeds und Timelines soll steigen. Dafür könnten Anbieter verlässliche Inhalte mit Labels kennzeichnen, um eine bevorzugte Auswahl durch Algorithmen zu ermöglichen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Schutz freier Kommunikationsräume. Dazu zählt der Schutz vor manipulativen Verbreitungstechniken. Praktiken wie Fake Accounts, Social Bots und intransparente Bezahlung von Posts oder Klicks müssten unterbunden werden, heißt es. Ferner soll die Sicherung der redaktionellen Unabhängigkeit und Transparenz verbessert werden.
Die Länder erwägen auch, die Medienaufsicht beim Löschen unzulässiger Inhalte zu verschärfen und weitere Straftatbestände etwa zu Doxxing, Belohnung und Billigung von Rechtsverstößen oder das Beleidigen von Personen des politischen Lebens in den Medien-Staatsvertrag und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufzunehmen. Das soll einen Gleichlauf zwischen Medienregulierung und Strafverfolgung gewährleisten. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) betonte als Kommissionsvorsitzender: „Wir wollen in Europa und in Deutschland die Regeln unserer gesellschaftlichen Debatten auch im digitalen Zeitalter selbst erarbeiten und nicht von Tech-Giganten bestimmen lassen.“ Erste Vorschläge für einen DMStV, bei denen es vor allem ums Umsetzen europäischer Rechtsakte geht, machten die Länder schon im Sommer.
(nen)