Datenschutz & Sicherheit
Marokko zieht gegen deutsche Spyware-Berichterstattung vor BGH
Das Königreich Marokko zieht vor den deutschen Bundesgerichtshof (BGH). Praktisch zu Faschingsbeginn, am 11. November 2025 um 11:30 Uhr, wird in Karlsruhe darüber verhandelt, ob ausländische Staaten inländische Medien auf Unterlassung von Verdachtsäußerungen klagen können. Den Termin hat die BGH-Pressestelle am Montag verlautbart. Spaßig ist der Anlass nicht: Es geht um Medienberichte über die Spyware Pegasus, deren Kunden und deren Opfer.
Marokko hat im Jahr 2021 sowohl das Nachrichtenportal Zeit Online als auch die Süddeutsche Zeitung verklagt. Die Klagen sollen erreichen, dass deutsche Medien nicht mehr über den Verdacht berichten, eine Behörde des Königreichs Marokko habe die Spyware gegen Menschenrechtler, Journalisten und führende europäische Politiker eingesetzt, darunter Emmanuel Macron, Präsident Frankreichs und Co-Regent Andorras, sowie Charles Michel, damals Präsident des Europarates. Die Monarchie bestreitet, überhaupt eine Pegasus-Lizenz erworben zu haben.
Die Pegasus-Spyware nutzt geheim gehaltene Sicherheitslücken aus, um aus der Ferne in fremde Smartphones einzudringen, dann Daten auszuwerten und die Handybesitzer samt Aufenthaltsort und Kommunikation zu überwachen. Finanziert wird das aus Steuergeld jener Länder, deren Dienste Pegasus-Lizenzen kaufen, darunter auch deutsche Behörden. Hersteller Pegasus‘ ist die israelische Firma NSO Group. Sie hält Kundenlisten wie Opferlisten geheim, stellt aber in Abrede, Macron ausspioniert zu haben. Inzwischen soll Israel die Liste jener Länder, in welche die Spyware verkauft werden darf, deutlich zusammengestutzt haben.
Infizierte Handys in 2 Labors untersucht
Bei einem Datenleak ist vor einigen Jahren eine Liste mit mehr als 10.000 Telefonnummern durchgesickert, die von NSO-Kunden für potenzielle Überwachung mittels Pegasus eingegeben worden sein dürften. Ein Recherchekollektiv mit NDR, Süddeutscher, WDR, Zeit und Journalisten aus anderen Ländern, koordiniert vom Verein Forbidden Stories und technisch unterstützt vom Security Lab amnesty internationals (ai), machte sich an die Arbeit. Einige der Telefonnummern hat das Recherchekollektiv Anwälten, Journalisten, Menschenrechtlern und eben Politikern, darunter Macron und Michel, zugeordnet. Macrons Telefonnummer sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von „jemandem im Sicherheitsapparat Marokkos“ eingeben worden, berichtete Zeit Online im Juli 2021.
Auch Angriffe auf das Handy der damaligen Journalistin Dominique Simmonot und des Pariser Menschenrechtsanwalts Joseph Breham wurden dokumentiert. 37 betroffene Smartphones konnte das ai-Labor physisch untersuchen. 23 waren erfolgreich mit der Schadsoftware infiziert, die anderen 14 zeigten Spuren eines versuchten Angriffs. Die Ergebnisse wurden in einer unabhängigen Untersuchung durch das kanadische IT-Sicherheitslabor Citizen Lab der Universität Toronto bestätigt.
Zeit und Süddeutsche Zeitung berichteten über den Verdacht, dass jemand in staatlichen Diensten Marokkos hinter diesen Attacken stecke. Das Königreich erachtet sich als zu unrecht verdächtigt und hat den Verlag der Süddeutschen sowie den Betreiber von Zeit Online auf Unterlassung geklagt.
Marokkos Klagen
Bislang ohne Erfolg. Sowohl vor dem Landgericht Hamburg (LG) als auch dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) hat Marokko beide Prozesse verloren. Dabei mussten die Medienunternehmen den Wahrheitsbeweis gar nicht antreten. Denn ausländische Staaten könnten äußerungsrechtliche Ansprüche gar nicht geltend machen. Aus dem Leitsatz des Hamburger OLG: „Ausländische Staaten gehören nicht zu dem Kreis von Rechtssubjekten, die von dem Tatbestand der üblen Nachrede geschützt werden. Sie verfügen als solche auch nicht über ein allgemeines Persönlichkeitsrecht.“
Höchstgerichtliche zu dieser Fragestellung im Medienrecht gibt es bislang nicht. In einem strafrechtlichen Fall wegen Verunglimpfung der Bundesrepublik hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass „dem (deutschen) Staat kein grundrechtlich geschützter Ehrenschutz“ zukomme. Einzelperson und unterstaatliche Organisation sind unstrittig geschützt, egal ob Inländer oder Ausländer; für Staaten als solche soll das aber nicht gelten, sofern es im deutschen Recht keine speziellen Bestimmungen dafür gibt. Das LG hat die marokkanische Klage abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung hat das OLG als unbegründet zurückgewiesen.
Medienfreiheit
Dabei brach das OLG eine Lanze für die Pressefreiheit: „Auch praktische Gesichtspunkte sprechen dafür, ausländische Staaten nicht in den Schutzbereich der Beleidigungsdelikte einzubeziehen, weil dies zu einer übermäßigen Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit führen würde. Gerade dann, wenn ausländische Staaten sich in Krisen oder in einem Konflikt mit anderen Staaten befinden, besteht einerseits ein hohes öffentliches Interesse daran, über das Geschehen informiert zu werden; andererseits aber sind die Recherchemöglichkeiten deutscher Journalisten, deren Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ohnehin rechtlich weniger gesichert ist als im Inland, dort mitunter besonders beschränkt. Das hat zur Folge, dass die Anwendung derjenigen Schutznormen, bei denen die Presse sich gegen den Vorwurf ihrer Verletzung nur durch einen Wahrheitsbeweis (§ 186 StGB) oder den Nachweis der Einhaltung der meist ungeschriebenen Regeln über die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) erfolgreich verteidigen könnte, zu einer Schieflage führen würde, die eine Ausübung der Pressefreiheit erheblich zu beschränken drohte.“
Doch Marokko gibt nicht auf und zieht vor den Bundesgerichtshof. Dessen unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat nun über die Frage zu entscheiden, ob einem ausländischen Staat äußerungsrechtliche Abwehransprüche gegen inländische Medien zustehen können.
Vorinstanzen:
(ds)
Datenschutz & Sicherheit
Auslegungssache 144: Wege aus der US-Abhängigkeit
Die Abhängigkeit von US-amerikanischen IT-Diensten birgt konkrete Risiken. Deutlich wurde dies jüngst etwa im Fall von Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), dem Microsoft plötzlich seine Konten sperrte. Grund seien Sanktionen der US-Regierung gegen den IStGH gewesen. Solche „Killswitch“-Aktionen zeigen die Verwundbarkeit auch von europäischen Nutzern. Zudem scannen Dienste wie Microsoft und Google automatisch Inhalte in ihren Cloud-Speichern und melden verdächtige Funde an US-Strafverfolgungsbehörden.
In Episode 144 des c’t-Datenschutz-Podcasts widmen sich c’t-Redakteur Holger Bleich und heise-Justiziar Joerg Heidrich gemeinsam mit Peter Siering dem Thema digitale Souveränität. Siering, seit 35 Jahren bei heise und Leiter des Ressorts Systeme und Sicherheit, bringt seine langjährige Erfahrung mit Microsoft-Produkten und Open-Source-Alternativen in die Diskussion ein.
Investitionsbereitschaft gefordert
(Bild: c’t-Ressortleiter „Systeme & Sicherheit“ Peter Siering in der Auslegungssache)
[Link auf Beitrag 4807783]
Für den Ausstieg aus Microsoft 365 empfiehlt Siering Nextcloud als zentrale Alternative. Die Open-Source-Software bietet kollaborative Dokumentenbearbeitung, Chat und Videokonferenzen. Kleine Unternehmen können diese Lösung über lokale Systemhäuser beziehen, müssen aber Schulungsaufwand und Umstellungspannen einkalkulieren, wie Siering betont. Der Wechsel erfordere Investitionsbereitschaft.
Bei Cloud-Diensten existieren durchaus europäische Alternativen zu den US-Hyperscalern wie AWS oder Azure. OVH aus Frankreich und IONOS aus Deutschland bieten vergleichbare Dienste an, wenn auch mit weniger granularen Optionen. Die Preisunterschiede sind dabei überraschend gering. Wichtig sei, von Anfang an auf Anbieterunabhängigkeit zu achten und proprietäre Lösungen zu vermeiden, erläutert Siering.
Wechselwilligen empfiehlt er als ersten Schritt eine Bestandsaufnahme: Wo liegen meine Daten? Habe ich sie leichtfertig aus der Hand gegeben? Der Wechsel zu europäischen E-Mail-Anbietern und Cloud-Speichern sowie die Nutzung alternativer Suchmaschinen und Browser sind praktikable Sofortmaßnahmen. Für Unternehmen lohnt die Suche nach lokalen Dienstleistern, die europäische Alternativen implementieren können.
Episode 144:
Hier geht es zu allen bisherigen Folgen:
(hob)
Datenschutz & Sicherheit
Online-Wahlen in Ontario: Hohes Risiko von Wahlbetrug
Am Beispiel der Kommunalwahlen Ontarios 2022 zeigen kanadische Forscher hohes Wahlbetrugsrisiko bei Online-Wahlen auf. Die Forscher dreier Universitäten haben zwar die Wahlserver nicht überprüft, aber schon bei den E-Voting-Webseiten Fehler gefunden. Noch schwerer wiegt die Handhabung der für die Stimmabgabe notwendigen Codes. In 70 Prozent der Kommunen mit Online-Wahl war das Wahlbetrugsrisiko hoch oder extrem.
Bei den Kommunalwahlen Ontarios 2022 waren 10,7 Millionen Personen wahlberechtigt. Etwa die Hälfte der Kommunen, generell kleinere, bot Online-Stimmabgabe an. Von diesen haben mehr als 70 Prozent die Stimmabgabe mittels papierenem Stimmzettel überhaupt abgeschafft. Insgesamt hätten 3,8 Millionen Ontarier online oder per Telefon abstimmen können.
Sechs E-Voting-Anbieter teilen sich den Markt der bevölkerungsreichsten Provinz Kanadas auf. Intelivote bedient die größte Zahl an Kommunen, Scytl die größte Zahl an Wahlberechtigten. In den zur Stimmabgabe aufgesetzten Webseiten des Marktführers Scytl sowie dem in Ontario weniger bedeutenden Anbieter Neuvote haben die Forscher eine Sicherheitslücke gefunden: Mittels cross-site framing attack war es Angreifern möglich, Wähler bei der Online-Stimmabgaben zu betrügen.
Kein Schutz gegen Umleitungen oder iframes
Denn die Stimmabgabe-Webseiten waren nicht gegen Einbettung in HTML iframes
geschützt. Mit einem zwischengeschalteten Proxy und iframes und wäre es beispielsweise möglich gewesen, die angezeigte Reihenfolge der Kandidaten zu manipulieren, sodass die Stimme des Wählers vom Server anders registriert wurde, als der Wähler glaubte, zu wählen.
Das haben die Forscher Scytl demonstriert, das am nächsten Tag eine Abhilfemaßnahme ergriffen hat. Bei Neuvote haben die Forscher die Lücke zu spät bemerkt, um noch vor dem Wahlgang eingreifen zu können. Ob es solche Angriffe gegeben hat, ist unbekannt.
Leider mangelte es schon beim Schutz gegen Umleitungen auf andere, gefälschte Webseiten, ganz ohne iframes
. Mittel der Wahl wäre HSTS mit Strict Transport Security, worauf Scytl verzichtet hat. Die übrigen fünf Anbieter hatten zwar HSTS, aber vier von ihnen waren nicht in den voreingestellten Listen der gängigen Webbrowser eingetragen. Damit bleibt die Webseite anfällig für eine böswillige Umleitung beim ersten Aufruf. Und weil 87 Prozent der Kommunen für ihre Online-Wahl völlig neue URLs verwendet haben, lief HSTS, selbst wenn aktiviert, regelmäßig ins Leere.
Gravierender ist allerdings das Risiko banalen Wahlbetrugs durch Verwenden fremder Wahlcodes. Das ist simpel.
Fremde Wahlcodes liegen zur freien Entnahme auf
Für die Stimmabgabe wird den Wählern automatisch ein Brief mit Anleitungen und ihrem persönlichen Zugangscode geschickt, ob sie das wünschen oder nicht. Viele wünschen es nicht, die Wahlbeteiligung lag unter 37 Prozent. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch E-Voting die Wahlbeteiligung langfristig nicht steigert, häufig sogar senkt.
In den meisten Fällen müssen Kanadier ihre Post abholen, von sogenannten community mailboxes, oder, in größeren Wohnhäusern, von Hausbrieffächern. Unerwünschte Post wird routinemäßig gleich vor Ort aussortiert, entweder in einen Recyclingbehälter oder, bei falscher Adressierung, in einen Behälter für den Briefträger.
Genau das geschieht auch mit den Kuverts mit den Wahlcodes. Die Empfänger vernichten nicht gewünschte Codes nicht, sondern entsorgen das Kuvert sofort – häufig ungeöffnet, weil schon von außen erkennbar ist, was drin ist. Damit ist es ein Leichtes, solche Kuverts einzusammeln und in fremdem Namen zu wählen.
Datenschutz & Sicherheit
Meta hört bald zu, wenn du dich mit der KI unterhältst
Den Meta-Chatbot können Menschen über Instagram, Whatsapp und Facebook ansprechen. Laut Meta nutzen ihn monatlich mehr als eine Milliarde Menschen. Viele davon teilen intime Informationen mit der Software.
Die Gespräche, die Menschen mit der sogenannten Künstlichen Intelligenz führen, will Meta künftig auslesen und speichern. Damit sollen Anzeigen treffsicherer personalisiert werden und die Daten sollen auch beeinflussen, welche Posts Nutzer*innen in den Sozialen Netzwerken angezeigt bekommen. Das erklärte Meta gestern in einem Blogpost. Der Konzern behält sich dabei vor, die Informationen aus den Gesprächen in allen seinen Produkten zu nutzen.
Ein Beispiel nannte der Konzern direkt: Wer sich mit der KI etwa übers Wandern unterhalte, bekomme danach womöglich Empfehlungen für Wandergruppen, Wanderstrecken von Bekannten und Werbung für Wanderschuhe angezeigt.
Auch sensible Konversationen werden ausgelesen
Meta gibt zwar an, sensible Konversationen über religiöse Ansichten, die sexuelle Orientierung, politische Meinungen, Gesundheit und ethnische Herkunft nicht für personalisierte Werbung nutzen zu wollen, die Daten werden aber dennoch mit ausgelesen.
Die neue Regelung will Meta ab dem 16. Dezember umsetzen, allerdings zunächst nicht in der EU und Großbritannien. Dort solle das Feature später ausgerollt werden, weil die hiesigen Datenschutzbestimmungen strenger seien. Für das KI-Training werden die Chatprotokolle in Europa wohl schon genutzt.
Seit Juni ist bereits bekannt, dass Meta mit Hilfe von KI Anzeigen erstellen will. Werbetreibende müssen dann nur ein Produktbild und ein Budget vorgeben. Meta möchte durch diese Investitionen die größte Einnahmequelle Werbung noch rentabler machen. Hier bieten sich auch Spielräume für individuelle Personalisierung von Anzeigen – anhand der mit dem Chatbot erhobenen Daten.
Nutzer*innen teilten unbewusst Chatprotokolle
Meta hat den Chatbot für seine Messenger erst vor wenigen Monaten in Europa eingeführt. Er stand schon mehrfach in der Kritik, etwa weil ihm erlaubt war, „sinnliche“ und „romantische“ Konversationen mit Minderjährigen zu führen. Ein anderes Mal, weil viele Nutzer*innen ihre teils sehr persönlichen Chatprotokolle scheinbar unbewusst veröffentlicht hatten.
Die Nutzer*innen können einstellen, in welchem Ausmaß die ihnen ausgespielte Werbung personalisiert werden soll, aber es gibt keine Möglichkeit, sich gegen die Datenerfassung zur Personalisierung zu wehren – außer, den Chatbot nicht zu nutzen. In Whatsapp kann es allerdings sein, dass andere Nutzer*innen ihn zu einer Konversation hinzuziehen. Das lässt sich mit der Funktion „erweiterter Chat-Datenschutz“ verhindern. Oder mit dem Verzicht auf die datensammelwütige App zugunsten von datensparsamen Alternativen.
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