Künstliche Intelligenz
Sportstreaming: Alles außer Fußball, dafür mit KI
Alles außer Fußball – dafür alles in der Cloud. So könnte das Motto von Dyn Media lauten. Der Streaminganbieter zeigt Basketball, Volleyball, Hockey, Tischtennis und Handball. Vor allem mit Letzterem ist Dyn nach eigenen Angaben erfolgreich. Bei Spitzenspielen der Handball-Bundesliga schalten regelmäßig 100.000 bis 200.000 Zuschauer ein. „Das sind teilweise Quoten, die mit Einzelspielen der 2. Fußball-Bundesliga mithalten können“, sagte Christian Seifert, Gründer und Gesellschafter von Dyn Media, Anfang August auf einer Pressekonferenz in München. Zum Vergleich: Dyn ist vor zwei Jahren gestartet, Sky gibt es seit über 20 Jahren.
„Game Changer für den Handball“
Zwar gibt Dyn – wie einige andere Streamer auch – keine Abonnentenzahlen bekannt, aber sowohl die Handball- als auch die Basketball-Bundesliga schlossen die vergangene Saison mit einem Zuschauerrekord ab, was laut einer von Seifert zitierten Studie auch an der erhöhten Sichtbarkeit dieser Sportarten in den Medien liegt. „Dyn war ein absoluter Game Changer für den Handball“, ergänzte Bennet Wiegert, Trainer des Champions-League-Siegers SC Magdeburg, in München.
Nach Angaben von Dyn schauen 70 Prozent der Nutzer das Angebot auf dem Smart-TV. Die Sehdauer liegt bei durchschnittlich 15 Stunden pro Monat. Ein Vergleich zu anderen Anbietern ist schwer, denn solche Daten werden nicht publiziert. Dyn selbst bezeichnet die Sehdauer auf Anfrage als „sehr hoch“. Laut dem Marketing- und Analytics Unternehmen Demandsage liegt die monatliche Sehdauer etwa für Netflix weltweit im Schnitt bei 29 Stunden und 24 Minuten.
Produktionsniveau wie Apple TV oder NHL
Netflix ist allerdings kein direkter Wettbewerber von Dyn. Hier ist neben Sky vor allem DAZN zu nennen. Auch wenn der internationale Streaminganbieter andere Sportrechte im Fokus hat, konkurrieren doch alle um das begrenzte Medienbudget der Sportfans. Zusätzlich laufen Handball, Basketball und Volleyball auch auf andere Streamingplattformen wie zum Beispiel Sportdeutschland.TV, dem Angebot des Deutschen Olympischen Sportbunds.
Die Konkurrenz ist also groß, der Kostendruck ebenso. Deshalb setzt Dyn Media in der Produktion auf Künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste. Statt im Ü-Wagen vor Ort mit hochspezialisierten Mitarbeitern findet die Signalproduktion in Köln und München statt. Hier wird die Oberfläche der „Virtual Production Unit“ per USB-Stick ins System geladen. Vor dem Senderstart hat Dyn in das technische Setup an den Spielstätten investiert und Glasfaseranschlüsse an mehr als 40 Spielstätten bereitgestellt.
Die Medienproduktion findet in der Cloud statt, was eine hohe Skalierbarkeit mit sich bringt. Bei Dyn erfolgt das Playout bereits jetzt größtenteils softwarebasiert. In Zukunft will der Streaminganbieter weitere Hardware-Regiesysteme in cloudbasierte Lösungen transformieren. Wie Seifert auf einem Pressegespräch rund ein Jahr nach dem Start erklärte, bewege sich die Produktion auf dem technischen Niveau von Apple TV oder der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL.
KI in der Content-Produktion
Neben der Übertragung von Live-Spielen produziert Dyn auch eigene Talkshows oder Dokumentationen sowie Inhalte für den sogenannten Content Desk wie etwa Spielzusammenfassungen, Interviews oder Hintergrundberichte. Auf den Content Desk können sowohl die Clubs als auch Sponsoren sowie Medienunternehmen zugreifen. Zu den über 40 Medienpartnern gehören unter anderem sowohl regionale und überregionale Zeitungen als auch TV-Sender.
Bei dieser Content-Produktion kommt KI zum Einsatz, etwa beim Schnitt oder der Erstellung von Spielberichtstexten. „Zudem haben wir gerade unsere Produktionsplanung automatisiert und dazu ein eigenes Tool entwickelt, worüber wir die mehr als 3000 Spiele pro Saison weitestgehend automatisch planen können“, erklärt ein Unternehmenssprecher gegenüber Heise.de. Das Tool soll den manuellen Arbeitsaufwand in der Redaktion und Produktion um rund 40 Prozent senken.
Dyn kommt ins Free-TV
Darüber hinaus erweitert Dyn Media nun auch die Verbreitung des eigenen Angebots. Mit Dyn Sport Mix startete am 20. August 2025 ein kostenloser werbefinanzierter Kanal auf den Plattformen von Amazon Prime Video, Zattoo, Joyn und Pluto TV. Die Verbreitung über die Satelliten der Astra-Flotte auf 19,2 Grad Ost ist in Planung. Gezeigt werden neben ausgewählten Live-Übertragungen auch Spiele im Re-Live sowie Zusammenfassung und Eigenformate – linear in einer Programmfolge wie in einem klassischen TV-Programm, unverschlüsselt und kostenlos, aber unterbrochen von Werbung.
Das Ziel ist klar: „Wir wollen die Aufmerksamkeit und die Reichweite für unsere Sportarten steigern“, sagt Dyn-Media-CEO Andreas Heyden. Damit reagiert das Unternehmen auch auf die Konkurrenz. So zeigt etwa die Deutsche Telekom über MagentaTV Länderspiele der deutschen Hockey- und Basketballmannschaften, zum Teil ebenfalls kostenlos und unverschlüsselt wie zuletzt die Endspiele der Hockey-Europameisterschaft mit deutsche Beteiligung bei den Herren und den Damen.
Gleichzeitig gehört die Dyn-App auch zum Angebot von MagentaTV oder von Sky. „Frenemy“ wird diese Überschneidung aus Konkurrenz und Partner mit einer Zusammensetzung der englischen Wörter „Friend“ und „Enemy“ bezeichnet. Ob Freund oder Feind, Sportrechte gewinnen an Bedeutung. Allerdings war der Platzhirsch Fußball bislang für viele Rechtenehmer eher ein Verlustgeschäft. „Die Zeit, in der Unternehmen mit Medienrechten Geld verlieren“, geht zu Ende“, ist sich Seifert hingegen sicher. Dyn will den Beweis antreten.
(vbr)