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Telekom und Vodafone müssen Pornhub und YouPorn vorerst nicht sperren
In die Rechtsprechung rund um die umstrittenen Websperren gegen Erotikportale kommt wieder Bewegung. Zuletzt hatte nach mehreren Verwaltungsgerichten etwa auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem Eilrechtsschutzverfahren entschieden, dass der Zugriff auf die zwei deutschsprachigen Portale von Pornhub und YouPorn über den Provider 1&1 vorerst weiterhin gesperrt bleibt.
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Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sieht die Sache in einem Streit, der die Deutsche Telekom und Vodafone betrifft, nun aber anders aus: Ihm zufolge darf die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM NRW) die zwei Provider vorerst nicht zwingen, die Erotikportale des auf Zypern sitzenden Plattformbetreibers Aylo zu blockieren.
Der Anbieter der pornografischen Webseiten begehrte vor dem Verwaltungsgericht in dem sich seit Jahren hinziehenden Streit die Aufhebung von Untersagungen der LfM NRW sowie von Sperrverfügungen. Er stellte Eilanträge und begründete diese mit „nachträglichen weitreichenden Änderungen des europäischen und nationalen Rechts“.
JMStV nicht mit EU-Recht vereinbar
Die 27. Kammer des Düsseldorfer Gerichts erkannte die Einwände Aylos am Donnerstag erstmals zumindest teilweise an (Az.: 27 L 805/24 und andere). Sie setzte die weitere Vollziehung der Sperranordnungen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aus. Die Richter begründen dies so: Nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verstoßen die den Blockadeverfügungen zugrundeliegenden Vorschriften des Jugendmedien-Schutzstaatsvertrags (JMStV) gegen das vorrangig anzuwendende EU-Recht. Demnach dürfe der freie Verkehr von digitalen Diensten aus einem anderen Mitgliedstaat nur unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden, die die in Deutschland bestehenden JMStV-Vorschriften nicht mehr erfüllten.
Hintergrund ist vor allem das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie von 2002. Dieses besagt, dass ein EU-Land ein in einem anderen Mitgliedsstaat ansässiges Unternehmen nicht einfach regulieren kann. Ausnahmen sind nur nach Durchlaufen eines förmlichen Prozesses möglich, der die Benachrichtigung des Herkunftslands und der EU-Kommission einschließt.
Mit einer ähnlichen Begründung setzte im August auch ein Pariser Verwaltungsgericht ein Verfahren mit Aylo im Zentrum aus. Die Muttergesellschaft von Pornhub, YouPorn und Redtube hatte zuvor diese Portale in Frankreich selbst vom Netz genommen. Sie wollte damit gegen das Greifen eines neuen französischen Gesetzes protestieren, das Betreiber von Webseiten für Erwachsene seit Juni verpflichtet, robuste Altersverifikationssysteme (AVS) einzuführen und Nutzer unter 18 Jahren zu sperren.
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Abrupte Kehrtwende in der Rechtsprechung
Der Medienrechtler Marc Liesching hält es noch aus einem anderen Grund für fraglich, ob Regulierer weiter mit Verweis auf den Jugendschutz gegen Porno-Portale im EU-Ausland vorgehen können. Denn die Landesgesetzgeber fügten 2022 eine kleine Neuregelung in den JMStV ein. Sie legt prinzipiell fest, dass innerhalb der EU auf Basis der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) der Geltungsbereich des JMStV auf in Deutschland niedergelassene Videoportale begrenzt ist.
Die Untersagungsverfügungen gegen Aylo hielt das Verwaltungsgericht Düsseldorf aber aufrecht. Sie können damit prinzipiell weiter vollzogen werden. Die erneuten Eilanträge des Anbieters hat die Kammer wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt, weil derzeit ohnehin keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn drohten und ihm gegen die Sperrverfügungen gesonderter Rechtsschutz zur Verfügung stehe.
Gegen sämtliche Beschlüsse können alle Beteiligten Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in Münster befinden würde. In den Jahren zuvor waren Anträge von Aylo auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Bescheide der LfM NRW sowohl vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf als auch dem OVG ohne Erfolg geblieben.
Im Hauptsacheverfahren hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf diese Untersagungsverfügungen ebenfalls bereits mit Urteilen vom 4. April 2023 nach dem damaligen Stand für rechtmäßig erachtet. Die Berufungsverfahren dagegen sind vor dem OVG noch anhängig. Die betroffenen Provider, zu denen etwa Telefónica und Pyür gehören, wehren sich ihrerseits gegen die Sperranordnungen.
(mki)