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USA: Der schwierige Weg zur Hochgeschwindigkeitsnation mit der Bahn


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Wer die USA auf der Schiene bereisen will, fühlt sich fast wie in einer anderen Zeit. Teils wunderschöne, aber alte sogenannte Union Stations als Hauptbahnhöfe, Gepäckwagen mit Check-in-Service für das Großgepäck und Reisezeiten aus längst vergessenen Zeiten, sind das, was die Fernzüge des US-Anbieters Amtrak meist ausmacht. Insbesondere, wenn man mal wirkliche Verspätungen erlebt hat, die durchaus mehr als einen Tag lang sein können. Die Gründe diesbezüglich sind vielfältig und teils in unterschiedlichen Infrastrukturansätzen begründet, teils aber auch operativen Prioritäten geschuldet. Während hierzulande der Fernverkehr Priorität genießt und auch mal kurz vor dem Endbahnhof noch Regionalzüge zum Warten zwingt, ist das in den USA anders.

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Der Güterverkehr genießt in weiten Teilen Priorität oder nimmt sich diese, was auch regelmäßig zu Streit führt. Die Fernzüge von Amtrak dürfen dann warten, denn Amtrak fährt mit seinen wenigen Fernzügen nur selten auf eigener Infrastruktur und ist von anderen Betreibern abhängig. Die Pünktlichkeitsstatistiken etwa aus dem Jahr 2021 (PDF) lassen jedenfalls selbst die Deutsche Bahn noch gut aussehen. Immerhin gibt es hier und da Fortschritte. So hat das US-Justizministerium im September etwa eine außergerichtliche Einigung zwischen Norfolk Southern und Amtrak bekannt gegeben.

Demnach bekommen Amtrak-Züge nun die höchste Priorität auf der Infrastruktur von Norfolk Southern. Seit sich das Justizministerium Mitte 2024 eingeschaltet hat, haben sich die Verspätungsminuten um 53 Prozent reduziert. Dabei ist in den USA so wenig im Fernverkehr los, dass es leicht ist, fast alle Züge zu beobachten. Amtraks Track a Train ermöglicht dies.




Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Es gibt in den USA natürlich einige Ausnahmen. Neben klassischen Pendlerzügen (morgens rein, abends raus) gibt es vereinzelt auch höher frequentierten Fernverkehr. An der Westküste ist etwa zwischen Seattle über Portland nach San Francisco etwas mehr los. Vor allem Seattle und Portland haben Verbindungen, wo Fahrgäste auch mal einen Zug verpassen können. Selbiges gilt zwischen San Diego und Los Angeles. Über San Francisco sind diese beiden Gebiete auch einigermaßen gut miteinander verbunden. Sonst ist aber ein Tag pro Richtung nicht ungewöhnlich, wie die Verbindung zwischen den Twin Cities (Minneapolis/St. Paul) und Chicago.

Noch besser geht es dem North East Corridor (NEC) zwischen Boston über New York City nach Washington D.C. Hier ist auch eines von insgesamt zwei Hochgeschwindigkeitsnetzen der USA im Betrieb. Dort fahren die Amtrak Acela, die Hochgeschwindigkeitszüge von Amtrak. Die wurden kürzlich sogar um neue Züge (Nextgen Acela von Alstom) ergänzt und können nun 160 mph oder 258 km/h fahren. Die alten Züge fuhren nur 150 mph. Das Dumme daran: Der NEC bietet kaum Gelegenheiten, diese Geschwindigkeit zu erreichen. Vor der Einführung dieser Züge lag die Durchschnittsgeschwindigkeit bei etwa 70 mph oder 112 km/h. Das liegt aber nicht an den vielen Halten, sondern an der Strecke. Große Teile davon sind auf Geschwindigkeiten zwischen 70 und 100 mph beschränkt. Dazu kommen Bahnhofseinfahrten mit engen Kurven, die sich nicht umfahren lassen.

Das zweite Hochgeschwindigkeitsnetz befindet sich in Florida mit der Brightline. Dieselzüge erreichen dort immerhin 125 mph oder etwas über 200 km/h, wobei der größte Teil der Strecke auf 110 mph limitiert ist. Das ist besser als der NEC, aber aus deutscher Sicht eher eine schnelle Regionalbahn. Hierzulande fährt etwa der Franken-Thüringen Express mit 190 km/h und auch zwischen München und Nürnberg fahren Regionalbahnen ähnlich schnell. Mehr geht in den USA bisher nicht. Doch das soll sich durchaus ändern.

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Ein für die USA wichtiges Hochgeschwindigkeitsprojekt ist die Brightline West. Sie soll bis 2030 Las Vegas mit dem Großraum Los Angeles verbinden. Der Termin wurde allerdings kürzlich auf 2029 verschoben, es wird also knapp. Wer Eisenbahnprojekte in den USA kennt, weiß, dass es hier zu massiven Verzögerungen kommen kann. In geringem Maße gibt es auch schon vorbereitende Baumaßnahmen für die Brightline West. Richtig losgehen soll es aber erst 2026.

Das Projekt hat dabei einen großen Vorteil: Die Strecke orientiert sich an dem „Right of Way“ der Interstate 15. Das soll den Bau massiv vereinfachen, auch weil die Landgewinnung weniger problematisch ist. Das Besondere: Die Casino-Stadt Las Vegas, in der auch die jährliche Technikmesse CES stattfindet, hat schon lange keinen Fernbahnanschluss mehr. Amtrak hat die Stadt für den Personenverkehr auf der Schiene aufgegeben. Brightline West bringt diesen zurück, wenn auch anders als früher.

Es werden nämlich nur 350 Kilometer gebaut. Die Brightline West wird auf der Seite von Los Angeles in der Nähe des Flughafens Ontario (CA) enden, genauer in Rancho Cucamonga. Dort heißt es dann: Umsteigen in die San Bernardino Metrolink Line, die Los Angeles‘ Union Station in etwa 1:15 Stunden erreichen kann. Immerhin: Brightline will mit Metrolink nicht nur über die Fahrpläne reden, sondern auch über kombinierte Tickets.

In Las Vegas endet die Brightline West auch nicht ideal. Sie wird ziemlich weit südlich des berühmten Strips mit seinen Hotels, der selbst in großen Teilen gar nicht zu Las Vegas gehört, ankommen. Formal fährt die Brightline also nur bis zum Vegas-Vorort Paradise. Da Las Vegas keinen echten Schienenpersonennahverkehr hat, wird wohl ein Transit Center Fahrgäste von und zur Brightline-Station bringen. Taxis, wenige Busse und Ridesharing dürften das übernehmen. Wer den ÖPNV in Las Vegas mal benutzt hat, weiß, dass das recht herausfordernd und vor allem langsam ist.

Das alles relativiert die recht kurze Reisezeit von zwei Stunden auf der Brightline West. Auf beiden Seiten kommt noch einiges an Reisezeit dazu. Allerdings liegen auch die Flughäfen nicht gerade ideal. Von Haustür zu Haustür sind mit dem Zug wohl vier bis fünf Stunden zu erwarten. Das Flugzeug dürfte mit allem Drumherum ähnliche Reisezeiten bieten.

Dafür kann man von der Brightline West viel erwarten. Die Brightline in Florida ist für die USA ein Vorbild, was Bahnhofsdesign und multimodale Integration angeht. Brightline West plant ersten Renderings zufolge Vergleichbares. Das kann man übrigens auch von den Zügen erwarten. Wenn der Betreiber den Standard der Brightline-Züge übernimmt, dürfte Reisen angenehm werden.

Das Rollmaterial wird Siemens Mobility stellen. Zehn American Pioneer 220 (AP220) sind für die Flotte vorgesehen. Die 220 steht für die Höchstgeschwindigkeit in Meilen. Es sind also Geschwindigkeiten von 354 km/h in der Spitze geplant.



Der American Pioneer 220 soll auf der Brightline West fahren.

(Bild: Siemens Mobility)

Technisch nutzt Siemens die in Entwicklung befindliche Velaro-Novo-Plattform. Ein Mittelwagen hat in Deutschland kürzlich in Verbindung mit dem Messzug ICE S fast einen neuen deutschen Rekord aufgestellt und erreichte 405 km/h. Das Triebdrehgestell des Velaro Novo lief beim damaligen Test übrigens einfach mit, ohne den Zug anzutreiben, so Siemens. Damit sind die Reserven für einen Betrieb mit 350 km/h schon einmal erreicht. Nach Angaben von Siemens reichten dafür schon 390 km/h bei einem Zertifizierungsziel von 360 km/h.

Sehr viel länger in der Planung und auch im Bau befindet sich das Projekt California High-Speed Rail (CAHSR). Das soll einmal San Francisco mit Los Angeles verbinden. Das Potenzial ist also da. Allein zwischen den beiden Hauptflughäfen (SFO und LAX) sind an manchen Tagen um die 40 Flugzeuge je Richtung unterwegs. Dazu kommen Flughäfen wie etwa Oakland, San José (Valley-Seite) oder Burbank und Ontario (Metro Los Angeles).

Trotz zahlreicher Vorbereitungen, insbesondere in San Francisco, wird es aber absehbar keine direkte Verbindung zwischen den Städten geben. Aktuell gibt es nämlich nur zwischen Merced (knapp unter 100.000 Einwohner) und kurz vor Bakersfield (ca. 400.000 Einwohner) im Süden Bauarbeiten, was wohl der ersten Betriebsphase entspricht. Sicher ist das aber nicht, denn es gibt auch Berichte, dass CAHSR das Initial Operating Segment noch mal überdenken will. Statt Merced könnte Gilroy angefahren werden, was südlich von San José und sich damit zumindest in der Nähe des Silicon Valleys befindet.

Nach San Francisco könnte es dann vielleicht doch schneller gehen als zuletzt angenommen. Denn dort sind viele Vorbereitungen für die Aufnahme von CAHSR-Zügen schon abgeschlossen. Die Züge von Caltrain operieren bereits seit letztem Jahr unter einer Oberleitung und damit fast vollelektrisch von San Francisco bis Tamien. Zwischen Tamien und Gilroy fahren die Züge aber weiterhin mit Diesel. Immerhin wäre so ein Umstieg in Richtung San Francisco möglich.

Wann das der Fall sein wird, kann aber kaum jemand sagen. Für das initiale Segment soll Anfang der 2030er-Jahre der Betrieb beginnen. Das Startdatum wird aber regelmäßig nach hinten geschoben. Vieles rund um CAHSR ist bis heute unklar. Das gilt sogar für das Rollmaterial.

Letztendlich plagte das CAHSR-Projekt auch immer die Sorge um das Geld. Gleichzeitig haben die USA auch kaum praktische Erfahrungen mit dem Bau von Neubaustrecken in diesen Dimensionen, was dieses Projekt gut beweist.

Das US-Verkehrsministerium hat übrigens Ende August 2025 CAHSR Mittel in Höhe von 4 Milliarden US-Dollar entzogen. Seit September stellt aber der Bundesstaat Kalifornien rund eine Milliarde US-Dollar pro Jahr bis 2045 sicher.

Kaum Aktivität gibt es noch um ein Projekt, das eine Magnetschwebebahn zwischen Washington D.C. und Baltimore vorschlägt. Northeast Maglev heißt das Projekt, das allerdings noch nicht sonderlich weit ist. Es gibt noch nicht einmal eine festgelegte Strecke.

Technisch soll die US-Magnetbahn auf dem japanischen Chūō-Shinkansen basieren, der sich in Japan derzeit im Bau befindet und den bisherigen Tōkaidō-Shinkansen entlasten soll. Der Zug soll im Betrieb Geschwindigkeiten um die 500 km/h erreichen.



Der vorgeschlagene Betrachtungsraum für eine Magnetbahn in den USA.

(Bild: Northeast Maglev)

Die Kosten wurden zuletzt auf 10 Milliarden bis 15 Milliarden US-Dollar geschätzt. Es ist allerdings eher unwahrscheinlich, dass das Projekt in absehbarer Zeit realisiert wird, zumal die Unterstützung des Bundes fehlt. Offiziell hat das US-Verkehrsministerium auch diesem Projekt im August das Geld entzogen.

Schnell mit dem Zug in den USA zu fahren, wird für die Bevölkerung weiterhin ein kaum erreichbarer Traum bleiben. Amtraks Acela und die Brightline in Florida sind die einzigen Systeme, die zumindest in die Nähe von Hochgeschwindigkeitsverkehr kommen.

Etwas Hoffnung gibt es für die California High Speed Rail zwischen Los Angeles und San Francisco. Das Projekt zieht sich jedoch hin und es ist nicht klar, wann durchgehende Züge zwischen Los Angeles als größter Stadt Kaliforniens und dem Silicon Valley möglich sein werden.

Die beste Chance hat aktuell die Brightline West, obwohl das Projekt recht spät startete. Die Brightline East hat allerdings bereits gezeigt, dass Higher Speed Rail durchaus auf einer längeren Strecke mit komfortablem Wagenmaterial und modernen Bahnhöfen machbar ist. Mittlerweile wurde die Strecke so weit im Norden erweitert, dass sie auch als High Speed Rail klassifiziert werden kann, wenn auch sehr knapp und in Abhängigkeit von der Definition. Sollte aber alles klappen, dürfte die Verbindung zwischen Los Angeles und Las Vegas die erste sein, die man guten Gewissens dem Hochgeschwindigkeitsverkehr zuordnen kann. Für das Projekt spricht auch, dass es initial zumindest die Metropolregionen erreichen soll. Bei Bahnprojekten in den USA ist jedoch Vorsicht geboten: Es kann trotz allem noch viel schiefgehen.


(nen)



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