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BGH: Link auf Geschäftsbedingungen in Brief reicht nicht bei Vertragsabschluss
In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Ein Telekommunikationsunternehmen muss die Verwendung einer Klausel in seinen per Post verschickten Werbebriefen unterlassen, die lediglich per Link auf die eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Internet verweist. Die bloße Angabe einer Webadresse reicht demnach nicht aus, um die AGB zum Vertragsbestandteil zu machen. Mit dem jetzt veröffentlichten Urteil vom 10. Juli bekräftigen die Karlsruher Richter den Verbraucherschutz im Bereich der Geschäftsbedingungen (Az.: III ZR 59/24).
In dem Fall versandte die seit Jahren umstrittene 1N Telecom Postwurfsendungen an Verbraucher, in denen sie einen DSL-Tarif bewarb. Die Offerte enthielt ein Antragsformular. Darin fand sich die Belehrung: „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen“, die unter einer spezifischen, mittlerweile geänderten URL abrufbar seien. Ein Verbraucherschutzverband klagte auf Unterlassung der Nutzung dieser und weiterer Klauseln. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gab diesem Antrag mit Blick auf den AGB-Link statt. Die beklagte Telekommunikationsgesellschaft legte daraufhin Revision ein.
Der BGH wies die Eingabe von 1N Telecom nun zurück und hielt das Urteil der niederen Instanz weitgehend aufrecht. Das OLG hatte zunächst auf einen „Medienbruch“ abgestellt. Da das Vertragsformular in Papierform vorliege, die AGB jedoch nur digital abrufbar seien, werde dem Verbraucher die Kenntnisnahme unzumutbar erschwert, meinten die Düsseldorfer Richter. Nicht jeder Verbraucher habe einen Internetzugang und sei bereit, die Geschäftsbedingungen aktiv online zu suchen. Die Klausel sei daher nach Paragraf 305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.
Transparenzgebot verletzt
Diesen Aspekt verfolgte die Revisionsinstanz nicht. Laut dem BGH kann im Verbandsklageverfahren nicht geprüft werden, ob der Medienbruch zwischen dem Papierformular und dem Verweis auf die im Internet abrufbaren AGB der Beklagten den Anforderungen von Paragraf 305 BGB genüge oder nicht.
Den Karlsruher Richtern zufolge hat 1N Telecom aber gegen das Transparenzgebot aus Paragraf 307 BGB verstoßen: Die umstrittene AGB-Formulierung werteten sie als intransparente, dynamische Verweisung. Die Klausel mache dem Verbraucher nicht klar, ob die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige oder eine später geänderte Version der AGB gelte. Nach der „kundenfeindlichsten Auslegung“ müssten Kunden damit rechnen, dass sich die Geschäftsbedingungen jederzeit durch eine Aktualisierung der Website ändern könnten.
Der beanstandete Zusatz stelle eine dynamische Verweisung dar, führte der BGH aus. Er beziehe sich nicht nur auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Version der AGB, sondern auch auf alle künftigen, möglicherweise anderslautenden Fassungen, die das Unternehmen unter der genannten Internetadresse einstellen könnte. Da die Klausel nicht festlege, welche konkrete AGB-Version gilt, und dem Anbieter ein uneingeschränktes Recht einräume, die Bedingungen zu ändern, würden Verbraucher unangemessen benachteiligt.
Immer wieder Ärger mit 1N Telecom
Nach Auffassung der Karlsruher Richter fehlt der Klausel jegliche Konkretisierung der Änderungsbefugnis. Ein durchschnittlicher, rechtlich unkundiger Verbraucher könne nicht vorhersehen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er mit der Überarbeitung seiner Vertragsbedingungen und zusätzlichen Belastungen rechnen müsse. Diese Unklarheit macht die Klausel unwirksam. Das Transparenzgebot verlange, Rechte und Pflichten des Vertragspartners so deutlich und verständlich wie möglich darzustellen. Bei einer dynamischen Verweisung müsse die Reichweite potenzieller Änderungen direkt aus der Vereinbarung hervorgehen.
Der IT-Rechtler Jens Ferner versteht die Entscheidung als Ansage gegen „AGB-Light“. Sie zeige, dass auch in einer zunehmend digitalisierten Welt die Grundsätze der Transparenz und Zumutbarkeit nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Für Verbraucher bedeute das mehr Rechtssicherheit. Unternehmen sollten dagegen ihre Vertragsgestaltung sorgfältig prüfen.
Schon Ende 2024 bestätigte das Amtsgericht Leipzig einer beklagten Kundin, dass bei einem vermeintlichen Tarifwechsel mit der 1N Telecom kein rechtsgültiger Vertrag zustande komme. Verbraucherschützer sind aber weiter alarmiert. Die Düsseldorfer Firma hat ihnen zufolge angebliche Forderungen an das neu gegründete Unternehmen TPI verkauft, die nun von früheren Kunden des Providers die Zahlung teils hoher Beträge verlange.
(nie)