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Knappe Mehrheit: EU-Parlament stimmt für aufgeweichtes Lieferkettengesetz
Mit einer knappen, aber überraschenden Mehrheit hat das EU-Parlament seinen Kurs zur Reform der Lieferkettenrichtlinie angenommen. Am Donnerstag stimmten 382 Abgeordnete für die Verhandlungsposition, 249 waren dagegen, 13 enthielten sich.
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Das Votum markiert einen Wendepunkt bei der Gestaltung des Lieferkettengesetzes (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) und der Regeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive). Die von den Parlamentariern beschlossene Version sieht signifikante Lockerungen der Pflichten vor und reduziert die Zahl der betroffenen Unternehmen drastisch.
Getrieben wurde die Entscheidung vor allem von der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) mit den Mitgliedern von CDU und CSU. Sie wollen Unternehmen von bürokratischem Aufwand entlasten, den die bisherigen Nachhaltigkeitsauflagen auch für kleinere Firmen bedeuten. Die Bundesregierung hat das deutsche Lieferkettengesetz im September bereits faktisch abgeschafft.
Die EU verfolgte lange mit dem Green Deal das Ziel, Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren globalen Lieferketten zu unterbinden. Die nun verabschiedete Linie ist ein deutliches Signal an die Wirtschaft. Berichterstatter Jörgen Warborn (EVP) betonte: „Wir vereinfachen Regeln, senken Kosten und geben den Unternehmen die Klarheit, die sie brauchen, um zu wachsen, zu investieren und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen.“
Der erste Pfeiler der Reform betrifft die Pflicht zum Erstellen sozialer und ökologischer Berichte. Die Abgeordneten haben hier die Schwellenwerte für die Berichterstattungspflicht, die die EU-Kommission ursprünglich angesetzt hatte, massiv nach oben korrigiert: Betroffen sein sollen nur noch große Unternehmen mit durchschnittlich über 1750 Beschäftigten und einem Jahresnettoumsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Nur solche Konzerne müssten demnach auch im Rahmen der EU-Taxonomieverordnung – dem EU-weiten Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen – Nachhaltigkeitsberichte vorlegen.
Berichts- und Sorgfaltspflichten eingedampft
Ferner stellt das Parlament auf eine substanzielle Vereinfachung der Berichtsinhalte ab. Die Standards dafür sollen weiter vereinfacht und reduziert werden, wobei weniger qualitative Angaben erforderlich wären. Die branchenspezifische Berichterstattung soll künftig freiwillig sein. Damit wird ein potenziell sehr aufwändiger Aspekt entschärft.
Ein besonderer Schutz soll kleineren Unternehmen zuteilwerden, die in der Lieferkette großer Konzerne agieren. Solche Geschäftspartner wären vor den Berichtspflichten ihrer größeren Vertragspartner geschützt. Letztere dürften also auch keine zusätzlichen Informationen verlangen, die über die freiwilligen Standards hinausgehen.
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Noch größeren Spielraum als bei der Berichterstattung sehen die neuen Anforderungen bei den eigentlichen Sorgfaltspflichten (Due Diligence) vor, die auf die Überwachung und Vermeidung negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt in der Lieferkette abzielen. Auch hier haben die Abgeordneten die Schwellenwerte deutlich angehoben, sodass nur noch die größten Unternehmen mit über 5000 Mitarbeitern und einem jährlichen Nettoumsatz von über 1,5 Milliarden Euro betroffen wären. Im ursprünglichen Entwurf der Kommission für den „Anti-Bürokratie-Omnibus“ lag die Grenze bei 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von 450 Millionen Euro.
Diese Konzerne sollen künftig auch nur noch einen risikobasierten Ansatz verfolgen, um negative Auswirkungen ihres Handelns zu erkennen. Das bedeutet eine Abkehr von einer systematischen, flächendeckenden Überprüfung. Bei der Informationsbeschaffung bei den Zulieferern will das Parlament ebenfalls das Entlastungsprinzip durchsetzen. Auch hier dürften die betroffenen Großunternehmen zusätzliche Auskünfte von kleineren Zulieferern nur noch in begründeten Ausnahmefällen anfordern.
Ein weiterer kontroverser Punkt ist die Streichung der Pflicht zur Vorlage eines Übergangsplans zum Angleichen des Geschäftsmodells an die Ziele des Pariser Klimaabkommens. Die betroffenen Unternehmen müssten diesen strategisch wichtigen Plan zum CO₂-Einsparen künftig nicht mehr verpflichtend vorlegen.
Sanktionen und Digitalisierung
Bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten können weiterhin Geldbußen verhängt werden. Die Leitlinien für die Sanktionen sollen von der Kommission und den Mitgliedstaaten festgelegt werden. Wichtig ist die Ansage, dass Verstöße auf nationaler Ebene geahndet werden, nicht durch eine neue EU-Behörde. Zugleich sollen betroffene Personen, deren Rechte in der Lieferkette verletzt wurden, einen Anspruch auf Schadensersatz haben.
Um die Umsetzung der komplexen EU-Vorschriften zu erleichtern, haben die Abgeordneten die Kommission aufgefordert, ein digitales Portal für Unternehmen einzurichten. Dieses soll kostenlosen Zugang zu Vorlagen, Leitlinien und Informationen über alle EU-weiten Berichtspflichten bieten und damit den einheitlichen EU-Zugangspunkt für Firmendaten ergänzen. Die parlamentarische Linie dient nun als Basis für die Verhandlungen mit dem Ministerrat und der Kommission.
Mit der Richtlinie sollen generell vor allem große Konzerne verpflichtet werden, ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Verschmutzung, Entwaldung, übermäßigen Wasserverbrauch oder die Schädigung von Ökosystemen abzumildern. Zuvor traten etwa bei Apple, Samsung & Co. mehrfach Missstände in den Lieferketten zutage.
Scharfe Kritik von SPD und Grünen
Die Mehrheit kam mit Stimmen der EVP-Fraktion und der rechtskonservativen EKR zustande, zu der etwa die Partei von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehört. Auch Abgeordnete des Bündnisses PfE um Ungarns Regierungschef Viktor Orban und die französische Partei Rassemblement National (RN) sowie der ESN-Fraktion, der unter anderem die AfD angehört, sprachen sich dafür aus.
Sozialdemokraten und Grüne kritisieren scharf, dass die EVP und ihr Fraktionschef Manfred Weber (CSU) den Vorschlag mit Hilfe der Rechtsaußen-Fraktionen durchgebracht habe. Ende Oktober war ein erster Versuch gescheitert, einen von EVP, Sozialdemokraten und Liberalen ausgehandelten Kompromiss zu beschließen, nachdem unter anderem Abgeordnete der Sozialdemokraten nicht mitgezogen hatten.
(mack)
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Regulierung: Alternative App-Stores in Brasilien – und umstrittene Apple-Gebühr
Apple macht in einem weiteren Land seine App-Landschaft auf dem iPhone auf: Nach der Europäischen Union und Japan sind nun bald auch in Brasilien sogenannte alternative App-Marktplätze („Alternative App Marketplace“) zugelassen. Mit Stichdatum April 2026 werden entsprechende Anordnungen des lokalen Marktaufsehers CADE (Conselho Administrativo de Defesa Econômica) umgesetzt, meldet unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters. Damit wird ein drei Jahre andauernder Kartellfall beendet, nachdem die CADE intern über eine Einigung beraten hatte. Apple hatte zuvor eine Öffnung vorgeschlagen, die sich an dem orientiert, was man aus anderen Regionen kennt.
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Apple warnt vor Risiken – wie schon in anderen Märkten
Neben den alternativen App-Stores muss Apple auch externe Bezahlwege zulassen. Dies ist neben der EU und Japan bereits aus Südkorea und den USA bekannt. Apple kritisierte, dass die Öffnung der Plattform zu „Risiken für Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer“ führen könnte, eine Argumentation, die das Unternehmen seit Jahren bei dem Thema vorbringt.
Der Konzern habe versucht, „Schutzmaßnahmen gegen einige der Bedrohungen“ vorzuhalten, könne aber „nicht jedes Risiko“ ausschließen. App-Anbieter werfen Apple vor, Nutzer mit sogenannten Scare Screens Angst zu machen, alternative App-Angebote zu nutzen. Apple hat insgesamt 105 Tage nach Abschluss der Vereinbarung mit CADE Zeit, um die Regelung umzusetzen – daraus ergibt sich besagter April. Es ist aber auch denkbar, dass die Umsetzung früher erfolgt. Technisch ist der iPhone-Hersteller jedenfalls vorbereitet. Aktuell wird erwartet, dass dem Unternehmen in Australien und Großbritannien eine ähnliche Marktöffnungsverpflichtung droht.
Gebühren für „Kerntechnologie“ und Zahlungen
Sollte Apple die Vereinbarung mit CADE nicht einhalten, droht eine Strafzahlung von bis zu 25 Millionen Euro. Apple plant, Entwickler, die den App Store mit seiner Provision von 15 (bis 1 Million US-Dollar Umsatz) beziehungsweise 30 Prozent nicht nutzen wollen, mit einer Plattformgebühr zu belegen. Lokalen Berichten zufolge, die sich auf CADE-Information stützen, müssen Third-Party-App-Angebote eine „Core Technology Fee“ in Höhe von 5 Prozent zahlen.
Bei Verwendung des App Store liegt die Gebühr bei 10 oder 25 Prozent plus 5 Prozent Gebühren für die Zahlungsabwicklung – also so wie bislang. Will ein Entwickler eine externe Website für Bezahlungen nutzen, fallen wohl 15 Prozent Gebühr an.
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(bsc)
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Der Outsider, der IBM rettete – zum Tode von Lou Gerstner
Wie IBM in einer Pressemitteilung bekanntgab, ist der ehemalige IBM-Präsident Lou Gerstner im Alter von 83 Jahren gestorben. Gerstner leitete den IT-Konzern von 1992 bis 2002. Er war der erste Chairman, der nicht in der IBM-Kultur aufgestiegen war, sondern zuvor in leitenden Positionen bei Firmen wie American Express und RJR Nabisco gearbeitet hatte. Mit seinem Einstieg bei IBM krempelte er den streng hierarchisch ausgerichteten Konzern um, vernetzte die unterschiedlichen Bereiche und fand unter dem Motto „E-Business“ einen Weg, IBM als modernen Partner der Industrie zu präsentieren. Seine Restrukturierung von IBM gilt als die erfolgreichste Neuausrichtung eines weltweit agierenden Konzerns.
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Lou Gestner war Chef des Firmen-Konglomerates RJR Nabisco, als ihm die Führung von IBM angeboten wurde. Der Konzern war unter der Leitung des altgedienten IBM-Managers John Akers in eine tiefe Krise manövriert worden und drauf und dran, in Einzelfirmen zerlegt zu werden, den sogenannten Baby Blues. Gerstner hielt Big Blue zusammen und sorgte dafür, dass die einzelnen Bereiche besser miteinander kommunizierten. Als Outsider hatte er keine Scheu vor unpopulären Maßnahmen wie der Entscheidung, die Entwicklung des Betriebssystems OS/2 zu stoppen, mit dem IBM den PC-Markt wieder unter IBM-Kontrolle bringen wollte.
In seiner Autobiografie „Who Says Elephants Can’t Dance?“ schrieb er, dass OS/2 vielleicht technisch überlegen gewesen sei, aber Millionen von Dollar kostete und mit der schleppenden Entwicklung das Image von IBM als IT-Anbieter beschädigte. Als abteilungsübergreifendes Thema befand Gerstner, dass sich IBM auf das Thema E-Business anstelle von „E-Commerce“ konzentrieren müsse. In seine Ägide fiel die Übernahme von Lotus und die Ausrichtung auf Linux. Gegen Ende seiner Zeit bei IBM wurde Gerstner zum britischen Ritter geschlagen. In der IBM-Pressemeldung zum Tod von Gerstner würdigt der amtierende Chairman Arvind Krishna, dass Gerstner auch nach seiner seiner Zeit bei IBM ihn regelmäßig mit Ratschlägen begleitet habe.
Nach dem Abschied von IBM widmete sich Lou Gerstner der Gerstner Family Foundation, den Gerstner Philanthropies, die biomedizinische Forschung unterstützt, und dem Programm Helping Hands.
(vza)
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KI-Bilder statt Modefotografie | heise online
Die Fast-Fashion-Marke Zara unter dem Dach des spanischen Inditex-Konzerns setzt im großen Stil auf KI-unterstützte Bildproduktion. Der Modekonzern will Fotos realer Models per generativer Software variieren, statt für jede Produktvariante ein neues Shooting anzusetzen. Aus einmal aufgenommenen Fotos von Models sollen per KI zahlreiche Varianten entstehen, etwa mit anderen Farben, Schnitten oder Accessoires.
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Pose, Körperform und Gesicht der realen Models bleiben dabei erhalten, während die Kleidung und die Hintergründe ausgetauscht werden. Das soll die Produktionszeit und die Kosten für neue Produktaufnahmen für Webshop und App drastisch reduzieren. Außerdem habe man so die Chance, quasi in Echtzeit auf der sich schnell bewegenden Modewelle zu reiten.
Zara ist nicht das erste einschlägige Unternehmen, das verstärkt auf KI setzt. Bereits vor einigen Monaten hatte H&M angekündigt, künftig verstärkt mit „digitalen Zwillingen“, KI-generierten Images seiner Models, arbeiten zu wollen. Die Rechte an den Klones sollen vollständig bei den Models bleiben, die Vergütung entspräche weitgehend herkömmlichen Honoraren. Auch Zalando hatte im Mai angekündigt, dem hohen Tempo, in dem sich Mode verändert, mit KI-Unterstützung zu begegnen.
Die Unternehmen betonen, dass die „Klon“-Strategie die menschliche Arbeit ergänzen und nicht vollständig ersetzen solle. Kritiker, darunter die britische Association of Photographers, sehen das anders. Es stehe zu befürchten, dass der Einsatz von generativer KI die Zahl klassischer Aufträge für Fotografen, Models und Produktionsteams verringern wird. Die Folge könnte ein schleichender Auftragsrückgang sein, der besonders jüngere und freischaffende Kreative trifft. Unklar ist auch, inwieweit künftig eine transparente Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Bilder geregelt und durchgesetzt wird.
(swi)
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