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Datenschutz & Sicherheit

Das gefährliche Geschäft mit Standortdaten geht weiter


Exakte Standortdaten von Millionen Handys weltweit lassen sich einfach online kaufen. Datenhändler verschleudern sie sogar als Gratis-Kostprobe. Bereits diese kostenlosen Datensätze sind so umfangreich, dass sich damit Massenüberwachung betreiben lässt. Das haben unsere bisherigen Recherchen zu den Databroker Files mit dem Bayerischen Rundfunk gezeigt. Aus den Daten lassen sich teils detaillierte Bewegungsprofile ablesen, sogar von Soldat*innen oder Politiker*innen.

Wer Kontakt zu Händlern, also Databrokern sucht, wird auf dem Online-Marktplatz eines Berliner Unternehmens fündig: Datarade.ai. Der Marktplatz verkauft die Daten zwar nicht selbst, verkuppelt aber Anbieter und Interessierte. Das funktioniert ähnlich wie Amazon, nur eben für Datensätze. Für erfolgreiche Deals streicht der Marktplatz eine Provision ein.

Vermittelt über Datarade haben nicht nur wir sensible Handy-Standortdaten von Databrokern erhalten, sondern auch Journalist*innen aus den Niederlanden, der Schweiz und Belgien, und zwar unabhängig voneinander. Das hat im Jahr 2023 geklappt, im Jahr 2024 – und trotz der kritischen Berichterstattung in zahlreichen Medien war es auch noch 2025 möglich.

Das Problem: Der Handel mit derart detaillierten Handy-Standortdaten ist nach Einschätzung von Fachleuten nicht mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar. Zudem haben Bundestagsabgeordnete wie Konstantin von Notz (Grüne) oder Roderich Kiesewetter (CDU) bereits vergangenes Jahr vor einer Gefahr für die nationale Sicherheit gewarnt.

Datarade wollte „alle zumutbaren Anstrengungen“ unternehmen

Und was tut Datarade? Noch vor gut einem Jahr hatte uns der Berliner Marktplatz mitgeteilt, man nehme die von unseren Recherchen ausgelösten, öffentlichen Bedenken „sehr ernst“. Die Angebote auf der Plattform prüfe das Unternehmen zwar nicht einzeln. „Eine Verpflichtung zur proaktiven Sichtung sämtlicher Inhalte auf mögliche Rechtsverletzungen ist weder praktisch möglich noch gesetzlich geboten.“ Dennoch unternehme Datarade „alle zumutbaren Anstrengungen, um rechtswidrige Inhalte auf der Plattform von Vornherein zu verhindern“.

Ein Jahr später haben wir uns nochmal auf dem Marktplatz umgeschaut. Unsere neue Recherche weckt Zweifel daran, dass Datarade „alle zumutbaren Anstrengungen“ unternimmt. So preiste Datarade in einem eigenen, redaktionellen Beitrag selbst Handy-Standortdaten an, schrieb über die daraus ablesbaren, sehr genauen Bewegungsmuster – und empfahl passende Händler. Als wir per Presseanfrage mehr zu der Seite erfahren wollten, wurde sie offline genommen.

Bereits 2024 warnte die damals kurz vor ihrem Amtsantritt stehende Bundesdatenschutzbeauftragte, Louisa Specht-Riemenschneider, vor einer Regulierungslücke. Auch die zuständige Berliner Datenschutzbeauftragte sah ein Problem: Solange ein Marktplatz die Daten nicht selbst verarbeitet, sondern nur Kontakte zwischen Käufern und Verkäufern herstellt, habe sie keine Handhabe. Verantwortlich nach der DSGVO sei nur jemand, der selbst auch Daten verarbeitet.

Unter Datenschützer*innen gibt es in dieser Frage keine Einigkeit. Das Netzwerk Datenschutzexpertise etwa kam in einem Gutachten aus dem Frühjahr 2025 zu dem Schluss, dass die DSGVO hier sehr wohl anwendbar sei. Um verantwortlich zu sein, müsse ein Datenmarktplatz nicht notwendigerweise selbst in Besitz der Daten sein. Oft sei der Handel mit personenbezogenen Daten sogar strafbar, weshalb nicht nur Datenschutzbehörden, sondern auch Staatsanwaltschaften handeln müssten.

Passiert ist so etwas bisher nicht. Auf Datarade preisen Händler weiterhin ihre Handy-Standortdaten an. In Datarade selbst steckt sogar Geld vom deutschen Staat, und zwar mehr als bisher angenommen. Dazu später mehr.

Auf Anfrage entfernte Datarade Angebote für Handystandortdaten

Nach unseren Veröffentlichungen im Jahr 2024 hatte Datarade ein Angebot für Handystandortdaten des US-Datenhändler Datastream Group offline genommen. Hierzu schrieb das Unternehmen: „Vorsorglich haben wir die betreffenden Inhalte des Datenanbieters in Bezug auf Standortdaten von unserer Plattform entfernt, bis weitere Erkenntnisse in der Angelegenheit vorliegen.“

Davon unberührt waren jedoch ähnliche Angebote von anderen Datenhändlern. Auch nach Veröffentlichung der Recherchen präsentierte Datarade Angebote von ähnlichen Datensätzen. Suchte man etwa Anfang September dieses Jahres auf Datarade nach Angeboten mit Geo-Koordinaten und mobilen Werbe-IDs, erhielt man rund 50 Ergebnisse. Grenzte man die Suche weiter ein auf Daten aus Deutschland, waren es noch 15 Treffer.

Über ein Online-Formular können Nutzer*innen verdächtige Inhalte melden. Genau das haben wir ausprobiert. Für eine solche Meldung müssen Nutzer*innen Namen und E-Mail-Adresse angeben. Um das Ergebnis nicht zu verfälschen, hat ein Kollege ohne erkennbare Verbindung zu netzpolitik.org diese Meldungen vorgenommen. Es handelte sich um insgesamt fünf Angebote von Handystandortdaten aus Deutschland oder der EU. Das Ergebnis: Die Angebote waren weniger als zwei Wochen nach Eingang der Meldungen offline.

Auf Presseanfrage teilt Datarade mit: „Die Produkt-Listungen wurden vorsorglich offline genommen, um den Hinweisen nachzugehen.“ Man gebe den Anbietern nun die Möglichkeit, Stellung zu beziehen.

So preist Datarade selbst Handy-Standortdaten an

Hatte Datarade vor unseren Meldungen wirklich keine Kenntnis über diese Angebote? Zumindest einen Überblick dürfte Datarade gehabt haben. Es gab nämlich die bereits erwähnte von Datarade selbst bereitgestellte Infoseite mit dem Titel „Was sind Handy-Standortdaten“ (im Original: „What is Mobile Location Data?“), die nach unserer Presseanfrage offline genommen wurde.

Auf dieser Seite beschrieb ein Datarade-Mitarbeiter im Detail, wie solche Datensätze aufgebaut sind: mit GPS-Koordinaten und individueller Werbe-ID, der sogenannten MAID („mobile advertising ID“). Vorschaufenster auf der Seite präsentieren mehrere passende Angebote von Datenhändlern, etwa als „Ausgewählte Datensets“. Anhand kleiner Flaggen-Emojis in den Angeboten ließ sich ablesen, woher die Daten kommen, auch mehrere Deutschland-Flaggen waren zu sehen.

Übersetzt aus dem Englischen stand auf der Infoseite, viele Datensätze böten eine hohe GPS-Genauigkeit, „wodurch sichergestellt wird, dass die von Ihnen erhaltenen Daten den realen Standorten und Bewegungsmustern sehr genau entsprechen“. Einige Datensätze würden sogar eine Präzision von unter 19 Metern erreichen, „was besonders nützlich sein kann, wenn Sie sehr detaillierte Einblicke benötigen“.

An einer anderen Stelle der Infoseite hieß es: „Manche Menschen fühlen sich möglicherweise unwohl dabei, wenn ihre Standortdaten gesammelt und für kommerzielle Zwecke verwendet werden.“ Das ist korrekt, wie die Reaktionen auf unsere Recherchen zeigen. Eine Betroffene sagte zum Beispiel im Gespräch mit netzpolitik.org:

Von mir wurden mehrere Standortdaten in meinem Kiez erfasst. Das ganze macht mich etwas sprachlos und schockiert mich. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das in diesem Ausmaß möglich ist.

Und der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) sagte 2024 mit Blick auf den Handel mit Handy-Standortdaten: „Diese Daten dürfen in der Form nicht erhoben und dann auch nicht verkauft werden.“ Dass etwas passieren müsse, stehe für ihn völlig außer Frage. „In diesem konkreten Fall widerspricht das den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland.“

Warum Handel mit Standortdaten fast immer DSGVO-widrig ist

Auf potenzielle Bedenken beim Handel von Handy-Standortdaten ging die Datarade-Infoseite selbst ein. Dort hieß es auf Englisch:

Es gibt mehrere verbreitete Missverständnisse über mobile Standortdaten, darunter die Annahme, dass sie immer genau seien und dass man damit Personen ohne deren Wissen oder Zustimmung verfolgen könne. In Wirklichkeit kann die Genauigkeit mobiler Standortdaten je nach Qualität der Datenquelle und der verwendeten Technologie variieren. Darüber hinaus ist das Sammeln und Nutzen von Standortdaten ohne Zustimmung sowohl illegal als auch unethisch.

Drei Aspekte an diesem Zitat verdienen besondere Aufmerksamkeit: Es ist erstens korrekt, dass Handy-Standortdaten nicht immer genau sind. Unsere Recherchen haben gezeigt, dass Händler auch ungenaue Standortdaten verbreiten.

Es ist zweitens allerdings kein „Missverständnis“, dass sich mit diesen Daten „Personen ohne deren Wissen oder Zustimmung verfolgen“ lassen. Gemeinsam mit unseren Recherche-Partnern konnten wir in mehreren Fällen sogar Angehörige von Geheimdiensten und Regierungen vom Arbeitsplatz bis hin zu ihren Privatwohnungen tracken. Die Kolleg*innen aus Norwegen konnten sogar einen verdutzten Grindr-Nutzer zuhause besuchen, der nicht geoutet werden wollte.

Mehrere Betroffene sagten uns im Gespräch, ihnen sei nicht bewusst, einer solchen Art von Tracking zugestimmt zu haben. Zum Beispiel Hedi aus Bayern, die sagte:

Es ist beklemmend, wenn ich mir das so anschaue; die Punkte, wo ich war. Das geht niemandem was an. Und ich habe das ja nicht freigegeben.

Drittens ist der Handel mit Standortdaten nach Ansicht von Datenschutzbehörden und anderen Fachleuten oftmals selbst mit Einwilligung nicht von der DSGVO gedeckt. So werden die Daten zum einen oft angeblich nur für Werbezwecke erhoben; der Handel stellt also eine verbotene Änderung des Verarbeitungszwecks dar. Zum anderen fehlt es an Transparenz, denn Menschen müssten bei der Einwilligung umfassend informiert werden, an wen Händler Daten weitergeben. Deshalb sind die Einwilligungen oft unwirksam.

Datarade – geschickte Geschäfte im Graubereich

Hinzu kommt, dass sich aus Standortdaten oft sensible Informationen ableiten lassen, zum Beispiel über Besuche in spezialisierten Kliniken, bei Parteien und Gewerkschaften oder in religiösen Gebäuden. Solche Informationen sind durch die DSGVO besonders geschützt.

Die Beobachtungen auf dem Marktplatz Datarade werfen Fragen auf. Wieso hat die Plattform auf einer selbst verfassten Infoseite Angebote mit GPS-Daten angepriesen, die realen „Bewegungsmustern sehr genau entsprechen“ – nahm solche Angebote allerdings nach der Meldung durch einen Nutzer wieder offline?

Wir haben Datarade per Presseanfrage auf die Infoseite angesprochen. Wenig später war sie offline. „Wir nehmen Ihren Hinweis zum Anlass, die Kategorie-Seite redaktionell zu überprüfen und vorsorglich offline zu nehmen“, teilt das Unternehmen mit.

Diese Anstrengungen unternimmt Datarade nach eigenen Angaben

Datarade legt Wert darauf, zu betonen, selbst kein Datenanbieter zu sein, „sondern ein Verzeichnis von Datenanbietern und deren Produktkatalogen“. Weiter schreibt die Pressestelle auf unsere Fragen: „Datarade verurteilt jedweden rechtswidrigen Handel mit Daten und setzt sich für einen rechtskonformen Austausch von Daten ein.“

Demnach dürften sich auf Datarade nur registrierte Unternehmen anmelden. Anbieter würden sich vertraglich dazu verpflichten, nur rechtskonforme „Inhalte auf Datarade zu veröffentlichen“. Sie würden „angehalten“, ihre Datenschutz-Richtlinien zu verlinken und die Konformität mit Datenschutzbestimmungen zu bestätigen. Auf jeder Produktseite gebe es einen Link zum Melden von Inhalten; den Meldungen gehe man dem Digitale-Dienste-Gesetz entsprechend nach.

Wir wollten wissen, in welchem Ausmaß Datarade am mutmaßlich illegalen Geschäft mit Handy-Standortdaten mitverdient. Genauer gesagt: Wie viel Provision Datarade in den letzten drei Jahren durch über den Marktplatz vermittelte Deals mit Handy-Standortdaten erhalten hat. Diese Frage hat uns das Unternehmen nicht beantwortet. Stattdessen verwies die Pressestelle auf den allgemein gehaltenen Jahresabschluss, nach dem wir nicht gefragt hatten.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Recherche gibt es auf Datarade noch immer mehrere Angebote für Handy-Standortdaten, die mit individuellen Werbe-IDs verknüpft sind. Sie lassen sich kinderleicht über die Suchfunktion auf der Plattform finden. Damit Datarade sie offline nimmt, müsste sie wohl erst jemand von außerhalb aktiv melden – und den Marktplatz regelmäßig auf neue Angebote prüfen.

Wir erinnern uns: Datarade unternimmt nach eigener Aussage „alle zumutbaren Anstrengungen, um rechtswidrige Inhalte auf der Plattform von Vornherein zu verhindern“.

So will Datarade neue Händler auf den Marktplatz locken

Im Zuge unserer Recherchen hatten wir uns auch selbst als potenzieller Anbieter für Ortsdaten bei Datarade registriert. Dafür haben wir eine E-Mail-Adresse mit Pseudonym genutzt – und nichts weiter unternommen. Seitdem erhalten wir regelmäßig E-Mails von Datarade. Daraus lässt sich ableiten, welche Mühen die Plattform unternimmt, um aktiv neue Datenhändler für sich zu gewinnen.

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Mehrfach versuchte Datarade etwa, ein persönliches Gespräch mit uns – dem vermeintlich neuen Händler – zu vereinbaren. „Lass mich wissen, wenn du Daten zum Verkauf hast, dann können wir darüber nachdenken, sie auf den größten Datenmarktplätzen zu monetarisieren“, hieß es auf Englisch.

Es folgten weitere E-Mails von Datarade. Darunter eine, die versuchte, uns mit der Aussicht auf Umsatz zu locken. Demnach sollten wir lernen, wie ein anderer Anbieter von Standortdaten „Kunden in neuen Märkten erreicht hat“. Das Marktvolumen, also der Umsatz aller Akteur*innen am Markt, liege demnach bei 93 Millionen Euro.

Auch Tutorials erreichten uns. Sie handelten davon, wie wir unser Angebot für Datarade optimieren können. Demnach sollten wir unseren Produktkatalog per ChatGPT ausformulieren lassen. Einen passenden Prompt lieferte die Plattform gleich mit. Auf unserem Anbieterprofil sollte der Hinweis auf DSGVO-Compliance nicht fehlen, riet ein anderes Tutorial.

In den Datenmarktplatz floss mehr Steuergeld als bisher angenommen

Bereits 2024 konnten wir berichten, dass in Datarade auch Steuergeld steckt. Inzwischen wissen wir: Es ist noch mehr Geld als bisher bekannt.

Zunächst hatte der Datenmarktplatz im Jahr 2019 ein Investment in Höhe von einer Million Euro aus dem „High-Tech Gründerfonds“ (HTGF) erhalten. Das ist ein zentrales Instrument der deutschen Start-up-Förderung. Mehr als die Hälfte des 320 Millionen Euro schweren Fonds stammt vom Bundeswirtschaftsministerium, 170 Millionen Euro.

Darüber hinaus schoss der HTGF allerdings vier Jahre später weitere knapp 500.000 Euro in das Unternehmen. Der Anlass war eine Runde zur Anschlussfinanzierung. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der damaligen Linken-Abgeordneten Martina Renner aus dem Jahr 2024 hervor.

Abgeordnete kritisieren Staatsgeld für Datenmarktplatz

Wir haben das Dokument mit einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erhalten, jedoch zunächst in einer fast vollständig geschwärzten Variante. Das Wirtschaftsministerium hatte die Antwort des damaligen Staatssekretärs als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Erst nachdem wir Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt hatten, gab das Ministerium die Antwort für die Öffentlichkeit frei.

Das Ministerium betont darin erneut, dass es „auf die Investmententscheidungen des HTGF keinen Einfluss“ nehme. Jedoch seien „Investitionen in Unternehmen, die Aktivitäten in Verbindung mit Cybercrime verfolgen“, gemäß „der Ausschlussliste des HTGF ausgeschlossen.“ Als solche könne das Geschäftsmodell von Datarade nicht betrachtet werden, da die Plattform lediglich Kontakte zwischen Datenanbietern und Interessierten herstelle. „Das Zustandekommen eines Vertrags und der Austausch von Daten läuft grundsätzlich vollständig außerhalb der Plattform.“

SPD sieht „erheblichen Handlungsbedarf“, CDU bleibt unkonkret

Wie viel Verantwortung sollen Datenmarktplätze dafür tragen, wenn Datenhändler dort die Standortdaten von Millionen Menschen verschleudern? Einen Vorschlag hierzu hatte die heutige Bundesdatenschutzbeauftragte bereits im vergangen Jahr: Der deutsche Gesetzgeber könnte die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes nutzen, um das Geschäft von Datenmarktplätzen zu regeln. Die Reform war zunächst für 2024 geplant gewesen, fiel aber dem vorzeitigen Aus der Ampel-Koalition zum Opfer.

Auch die neue Koalition aus Union und SPD will den Datenschutz reformieren. Im Fokus stand zwar bisher ein Rückbau von Regulierung – aber gerade bei Datenmarktplätzen sehen Politiker*innen mehrerer Parteien Probleme.

„Auch wenn im Koalitionsvertrag keine konkrete Aussage dazu vereinbart wurde, so sehen wir mit Blick auf die Databroker-Files-Recherchen nicht allein aus datenschutzrechtlicher Sicht, sondern auch aus sicherheitspolitischer Perspektive erheblichen Handlungsbedarf“, schreibt uns etwa Johannes Schätzl, der digitalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Er werde „diese Thematik in den anstehenden Verhandlungen selbstverständlich auch ansprechen und konkrete Vorschläge einbringen“. Es sei allerdings noch offen, ob es in der Koalition eine Zustimmung für entsprechende Gesetzesänderungen gibt.

Der Koalitionspartner, die Union, hält sich auf Anfrage von netzpoiltik.org bedeckt. Ralph Brinkhaus, Sprecher für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, lässt auf unsere sechs Fragen zur anstehenden Datenschutzreform lediglich verlauten: „Wir arbeiten an den von Ihnen genannten Punkten.“

Grüne und Linke machen Druck

Die Grünen-Digitalpolitiker Lukas Benner und Konstantin von Notz sehen im fehlenden Plan der Regierungskoalition beim Datenhandel ein Beispiel für deren Datenschutzpolitik. Während Union und SPD sich „verfassungsrechtlich hochumstrittene Vorhaben“ wie die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorgenommen hätten, fehle auf ihrer Agenda die Lösung der „anhaltenden und zunehmenden Problematik der Databroker“.

Die grüne Bundestagsfraktion halte „eine gesetzliche Einschränkung dieser Praktiken für dringend geboten – übrigens auch mit Blick auf den Schutz unserer Sicherheitsbehörden und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Das Innenministerium müsse sich endlich der Thematik widmen.

Grundsätzlicher wird bei dem Thema Donata Vogtschmidt, digitalpolitische Sprecherin der Linkspartei. Sie wolle „Geschäftsmodellen, die auf personalisierter Onlinewerbung basieren, insgesamt den Kampf ansagen“. Vogtschmidts Vorschlag, um das Problem an der Wurzel zu lösen: Im Gesetz über digitale Dienste (DSA) der Europäischen Union ist bereits ein Verbot personalisierter Werbung für Minderjährige vorgesehen. Dieses Verbot sollte auf alle Nutzenden ausgeweitet werden, denn „so ließe sich kommerzieller Datenhandel wirklich eindämmen“.

Unterdessen könnte auch die EU aktiv werden. Sie will mit dem kommenden Digital Fairness Act Lücken für Verbraucher*innen im Netz schließen. Bis 24. Oktober können Interessierte Ideen einreichen, in welchen Bereichen sie Handlungsbedarf sehen.



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Datenschutz & Sicherheit

Daten von 153 Millionen Fluggästen landen 2024 beim BKA


Wer in letzter Zeit von oder in die EU geflogen ist, dessen Daten hat das Bundeskriminalamt mit hoher Wahrscheinlichkeit analysiert.

Die Daten von 153 Millionen Fluggästen haben die Fluggesellschaften im zurückliegenden Jahr an die Fluggastdatenzentralstelle im Bundeskriminalamt übermittelt. Insgesamt waren es 548 Millionen Datensätze. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Gegenüber dem Vorjahr sind es etwa 94 Millionen mehr Datensätze und 28 Millionen mehr betroffene Passagiere.

Das BKA gleicht die Daten der Flugreisenden automatisch mit polizeilichen Datenbanken ab und sucht nach Mustern, „um Personen zu identifizieren, die mit terroristischen Straftaten oder schwerer Kriminalität in Zusammenhang stehen könnten“, so die Website des BKA.

Die maschinelle Prüfung erzielte im vergangenen Jahr auf diese Weise über 200.000 Datensatztreffer und rund 6.800 Mustertreffer. Nach einer händischen Überprüfung haben BKA-Mitarbeitende nur rund 90.000 von ihnen als echt-positive Treffer bestätigt.

Im Vergleich zum Vorjahr waren es deutlich weniger automatische Treffer. Dennoch konnten die Fahnder*innen nach ihrer Überprüfung mehr Treffer bestätigen als vergangenes Jahr.

Aus diesen Treffern ergaben sich wiederum lediglich 10.426 polizeiliche Maßnahmen, wenn beispielsweise die angetroffenen Flugreisenden mit den gesuchten Personen tatsächlich übereinstimmten. In ungefähr einem Fünftel der Fälle ging es um Aufenthaltsermittlungen. Mehr als 1.500 Menschen wurden festgenommen. Am häufigsten haben die Beamt*innen die angetroffenen Fluggäste durchsucht.

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Damit geht die Tendenz der letzten Jahre weiter: Die Menge der erfassten und übermittelten Daten wächst, ohne dass sich damit mehr Treffer erzielen lassen. Der Anteil der für die Grenzbehörden interessanten Personen an allen betroffenen Fluggästen ist und bleibt verschwindend gering.

Immer mehr Datenflut

Nicht nur wächst die Menge der erfassten Daten, der Anteil der betroffenen Passagiere am gesamten Flugaufkommen in Deutschland ist auch größer geworden. Aktuell sind es ungefähr 90 Prozent aller Flugreisenden, deren Daten das BKA verarbeitet (Stand August 2025). Das ist die überwältigende Mehrheit. Im vergangenen Jahr waren es noch 72 Prozent.

Denn immer mehr Luftfahrtunternehmen übermitteln die Daten ihrer Fluggäste an die Fluggastdatenzentralstelle. Aktuell sind es 391 Unternehmen, die an das Fluggastdateninformationssystem angeschlossen sind. Das sind 160 mehr als im Vorjahr. Welche und wie viele Unternehmen an das System noch angebunden werden müssen, wollte die Bundesregierung nicht beantworten.

Zugelassen waren im vergangenen 1710 ausländische und 101 deutsche Fluggesellschaften, so das Luftfahrt-Bundesamt.

Begehrte Daten

Beim Fluggastdatensatz handelt es sich um Daten, die bei der Buchung des Fluges anfallen. Dazu gehören der Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse, alle Arten von Zahlungsinformationen einschließlich der Rechnungsanschrift sowie Informationen zum Gepäck, zum Tarif, zur Zahlungsweise und zu Mitreisenden. Auch Angaben zum Reisebüro und zur Sachbearbeiter*in sind enthalten.

Die Fluglinien sind gesetzlich verpflichtet, die Daten aller Flüge über EU-Außengrenzen sowie für ausgewählte Strecken innerhalb der EU an die Fluggastdatenzentralstelle weiterzugeben und tun dies in Deutschland seit 2018.

Als wesentlich stichhaltiger gelten die sogenannten API-Daten (Advance Passenger Information-Daten), die über den normalen Geschäftsverlauf hinausgehen und viel detailliertere Informationen enthalten: neben der Flugverbindung sind es Daten aus den mitgeführten Identitätsdokumenten, unter anderem Ausstellungsland und Ablaufdatum des Dokuments, Staatsangehörigkeit, Familienname, Vorname, Geschlecht sowie Geburtsdatum. Da EU-Gesetzgebende diese Daten als „verifiziert“ betrachten, müssen die Fluggesellschaften nun auch sie in Kombination mit den Fluggastdatensätzen erheben und an Behörden übermitteln. Anfang dieses Jahres sind zwei EU-Verordnungen dazu in Kraft getreten.

Die EU richtet dafür einen zentralen Router ein, von dem aus die Daten an die zuständigen Behörden in jeweiligen EU-Ländern übermittelt werden. Fluggesellschaften müssen ihre automatisierten Systeme daran anschließen.

Bisher erhoben die Flugunternehmen diese Daten in unterschiedlicher Tiefe und auch nicht in einem standardisierten Format. An Behörden mussten sie vorab nur „etwaige erhobene“ API-Daten weiterleiten, weitere Vorschriften fehlten bis dahin.

Neues Bundespolizeigesetz

Seit 2008 fordert auch die Bundespolizei API-Daten zu bestimmten Flügen an, um sie vor Eintreffen des Fliegers zu prüfen. Im Zuge des neuen Bundespolizeigesetzes soll diese Einschränkung auf ausgesuchte Flüge entfallen. Im Gesetzesentwurf heißt es, dass nun die API-Daten aller Flüge über EU-Außengrenzen von und nach Deutschland an die Bundespolizei übermittelt werden müssen.

Wer also beispielsweise aus Großbritannien nach Deutschland fliegt, deren Daten landen sowohl bei der Fluggastdatenzentralstelle des BKA als auch bei der Bundespolizei, noch bevor man das Flugzeug betreten hat.

Von der anlasslosen Flugdatenspeicherung sind nicht alle Flugreisenden betroffen. Privatflüge sind vom Anwendungsbereich des Fluggastdatengesetzes nicht erfasst und fliegen unter dem BKA-Radar. Diese Behörde wertet die Daten aller anderen Passagiere nicht nur aus, sondern speichert sie für fünf Jahre. Datenelemente, die eine Identifizierung ermöglichen, werden sechs Monate nach ihrer Übermittlung unkenntlich gemacht, so die Website des Innenministeriums.



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Datenschutz & Sicherheit

Unsere Einnahmen und Ausgaben und verschiedene Hüte



Kürzlich waren wir in einem Kernkraftwerk nördlich von Berlin. Ein Betriebsausflug zu Beginn unserer dreitägigen Klausur in Brandenburg. Die Anlage ist schon lange stillgelegt und wird seit nunmehr 30 Jahren zurückgebaut.

Wir bekamen rote Bauhelme aufgesetzt und eine Führung durch die Ruine. Schwere Stahltüren, Kontrollräume mit längst erloschenen Signalleuchten, an jeder Ecke verblichene Hinweisschilder. Am Ende dann der Blick durch ein gläsernes Bullauge, dahinter, in grüngelbem Zwielicht, der leere Reaktorkern.

Rund 130 Menschen arbeiten noch im Kernkraftwerk. Der Rückbau sei kompliziert und kleinteilig, sagte man uns. Und die Anträge zögen sich hin, auch wegen des Naturschutzgebiets drumherum. Vor 2040 werde man hier nicht fertig. Am Ende soll da, wo jetzt noch Beton in den Himmel ragt, grüne Wiese sein.

Auf der Klausur haben wir uns dann imaginäre Hüte aufgesetzt und nach vorn geschaut: Wer im Team hat welchen Hut auf, trägt also für was Verantwortung? Und wie viel Beteiligung wünscht sich das Team bei welchen Entscheidungen?

Um darauf Antworten zu finden, haben wir „Delegationspoker“ gespielt. Der Name führt in die Irre, weil es nicht ums Bluffen geht, sondern darum, besser Entscheidungen im Team zu treffen. Und am Ende gewinnt auch nicht eine Person den begehrten „Pot“, sondern wir alle mehr Klarheit darüber, wie wir zusammenarbeiten wollen.

Ein wenig Kopfzerbrechen bereitete uns der Blick auf unsere Spendenentwicklung. Das Jahr startete erstaunlich gut, dann aber flacht die Kurve ab. Schlagen sich hier Verteuerung, Konjunkturkrise oder gar politische Resignation nieder? Ausgerechnet jetzt, wo allerorten Grundrechte geschliffen und Überwachung massiv ausgebaut werden? Oder ist es doch nur eine zufällige Delle?

Genauer wissen wir das wohl erst nach dem vierten Quartal und unserer Jahresendkampagne. Vielleicht machen wir uns ja nur unnötigerweise einen Kopf und sagen am Ende all unseren Spender:innen: „Dankeschön, Chapeau und Hut ab!“

Die harten Zahlen

Und damit zu den harten Zahlen des dritten Quartals dieses Jahres.

Von Juli bis September lagen wir bei den Spendeneinnahmen deutlich unter unseren Erwartungen. Insgesamt haben uns in den drei Monaten etwas mehr als 182.800 Euro an Spenden erreicht. Damit sind wir fast 35.700 Euro beziehungsweise 16,3 Prozent unter dem Plan.

Das liegt vor allem daran, dass ihr uns im vergangenen Jahr zum 20. Geburtstag sehr viele Spendengeschenke gemacht habt. Wir hatten gehofft, dass sich einige dieser Geschenke nicht einmalig, sondern über die nächsten Jahre auspacken lassen. Wie ihr wisst, stehen wir auf Dauerspenden.

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Nun richten wir unseren Blick erwartungsvoll auf die Jahresendkampagne, die wir derzeit vorbereiten. Wir bauen darauf, dass wir uns mit eurer Unterstützung am Ende des Jahres nicht mehr an das Kopfzerbrechen von heute erinnern.

Unsere Spendeneinnahmen

Der Anteil der Einnahmen aus Spenden beträgt im dritten Quartal 93,8 Prozent unserer Gesamteinnahmen, die sich auf fast 195.000 Euro belaufen.

Wie im Transparenzbericht zum 2. Quartal beschrieben, reichen unsere Einnahmen zwischen Februar bis Mitte November in der Regel nicht dazu aus, um unsere Ausgaben zu decken. Zur Finanzierung dieses „Spendentals“ halten wir jedes Jahr eine größere Spendensumme aus der vorangegangen Jahresendkampagne zurück.

Wir wollen diese Situation langfristig aber verbessern und bitten euch deshalb regelmäßig um Dauerspenden. Diese richtet ihr entweder als Lastschrift über unsere Spendenseite oder als Dauerauftrag über euer Bankkonto ein.

Vielleicht habt ihr unsere letzte Dauerspendenkampagne „30 – 300 -3000“ gesehen. Wir wollten in 30 Tagen, 300 Menschen gewinnen, die uns dauerhaft monatlich 10 Euro spenden. Mit einer Beteiligung von 188 Spender:innen haben wir das angepeilte Ziel zwar nicht erreicht. Dennoch werten wir das Ergebnis als Erfolg, weil viel mehr Menschen eine Dauerlastschrift eingerichtet haben als in vielen anderen Monaten. Das verschafft uns ab dem Herbst zusätzliche jährliche Einnahmen in Höhe von 26.000 Euro und damit größere Planungssicherheit. Herzlichen Dank dafür!

Unsere Ausgaben im 3. Quartal

Bei den Ausgaben bewegen sich die Personalkosten im dritten Quartal bei rund 220.600 Euro. Trotz der neuen Volontariatsstelle, die wir Anfang September mit Timur besetzen konnten, haben wir fast 10.000 Euro weniger verausgabt, als im Stellenplan kalkuliert. Das liegt nach wie vor am Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, dessen Ergebnis wir bei der Budgetrechnung zu Jahresanfang höher angesetzt haben, als er dann für 2025 eingetroffen ist.

Bei den Sachkosten haben wir für das dritte Quartal 66.800 Euro ausgegeben, rund 5.500 Euro weniger als gedacht. Hier sind so gut wie alle Ausgabenbereiche unauffällig oder liegen unter dem Plan. Im Bereich Spendenverwaltung sind Gebühren fällig geworden, die halbjährlich abgerechnet werden. In unseren Planungen haben wir diese Kosten als Monatsdurchschnitt berechnet. Deshalb ist dieser Bereich über dem Plan. Diese Entwicklung reguliert sich im Jahresverlauf.

Für Umbaumaßnahmen in unseren Büroräumen haben wir etwas mehr als 5.000 Euro ausgegeben. Der Umbau war nötig, um neue Arbeitsplätze für die neuen Stellen im Volontariat und im Projekt Reichweite zu schaffen.

Unser Projekt Reichweite hatten wir im letzten Quartalsbericht vorgestellt. Wir haben 200.000 Euro zurückgelegt für diese Maßnahmen – einen Relaunch unserer Website, eine höhere Verbreitung unserer Inhalte in den sozialen Medien sowie eine neue Software, um mehr und schnelleren Überblick zu unseren Spendeneinnahmen zu bekommen. Seit dem Sommer läuft die Arbeit an dem Relaunch; und seit Anfang September kümmert sich Fio in unserem Team um unsere Reichweite in den sozialen Medien.

Unterm Strich haben wir für Personalkosten und Sachkosten im dritten Quartal rund 287.400 Euro verausgabt. Das sind knapp 15.600 Euro weniger, als wir kalkuliert haben.

Das vorläufige Ergebnis

Im Jahresverlauf haben wir Einnahmen in Höhe von 655.700 Euro erzielt und liegen zum Ende des dritten Quartals mit 27.200 Euro knapp über dem Plan. Grund sind vor allem die sehr guten Spendeneinnahmen zu Jahresbeginn. Da unsere Ausgaben in Höhe von 860.500 Euro unter den kalkulierten Kosten liegen, fällt unser derzeitiges Ergebnis von minus 204.800 Euro immerhin um 72.700 Euro geringer aus als erwartet. Trotz der Delle in den Spendeneinnahmen im dritten Quartal bleiben wir optimistisch. Das Jahr kann so gut ausgehen, wie es angefangen hat!

Wenn ihr uns unterstützen möchtet, findet ihr hier alle Möglichkeiten. Am besten ist eine monatliche Dauerspende. Damit können wir langfristig planen.

Inhaber: netzpolitik.org e.V.
IBAN: DE62430609671149278400
BIC: GENODEM1GLS
Zweck: Spende netzpolitik.org

Wir freuen uns auch über Spenden via Paypal.

Wir sind glücklich, die besten Unterstützer:innen zu haben.

Unseren Transparenzbericht mit den Zahlen für das 2. Quartal 2025 findet ihr hier.

Vielen Dank an euch alle!



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Datenschutz & Sicherheit

Internationaler Strafgerichtshof kickt Microsoft aus seiner Verwaltung


Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) will Microsoft-Anwendungen aus seiner Verwaltung verbannen und stattdessen die Open-Source-Lösung openDesk nutzen. Entwickelt hat diese das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) in Deutschland, eine GmbH des Bundes, die 2022 auf Initiative des Bundesinnenministeriums gegründet wurde.

Die Entscheidung des IStGH hängt laut einem Bericht des Handelsblatts mit einem Vorfall im Mai zusammen. Damals konnte der Chefankläger Karim Khan nicht mehr auf sein E-Mail-Postfach zugreifen, das Microsoft bereitstellte. Microsoft-Präsident Brad Smith widersprach daraufhin Anschuldigungen, wonach der US-Konzern Dienstleistungen für den IStGH eingestellt oder ausgesetzt habe.

Wenige Wochen zuvor, im Februar dieses Jahres, hatte US-Präsident Donald Trump US-Sanktionen gegen Khan erlassen. Hintergrund sind Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dessen früheren Verteidigungsminister Joaw Gallant, die der Gerichtshof beantragt hatte.

EU-Initiative für öffentlich genutzte Software

Die Entscheidung des IStGH wirft ein Licht auf ein seit Jahrzehnten bestehendes Problem: die Abhängigkeit der digitalen öffentlichen Infrastruktur von IT-Konzernen wie Microsoft, Oracle, Google und Amazon. Vor allem Microsofts Bürosoftware ist für Behörden meist die erste Wahl: Outlook für E-Mails, Teams für Videokonferenzen und Word als Schreibprogramm.

Um der Dominanz von Microsoft-Produkten vor allem in öffentlichen Behörden etwas entgegenzusetzen, arbeiten Frankreich, die Niederlande, Italien und Deutschland schon länger zusammen. Sie wollen europäische IT-Lösungen als Teil einer gemeinsamen IT-Infrastruktur mit offenen Standards fördern. Am Mittwoch bestätigte die EU-Kommission die Gründung eines „Digital Commons European Digital Infrastructure Consortium“ (EDIC), mit dem die Partnerländer in digitale Gemeingüter investieren wollen.

In Deutschland arbeiten die Sovereign Tech Agency und das ZenDiS an diesem Ziel. Auch die Bundesregierung unterstützt die Initiative. Thomas Jarzombek, Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, begrüßte die Entscheidung der Kommission: „Wir fördern offene Technologien und bauen eine gemeinsame digitale Infrastruktur.“ Nicht nur die an dem Konsortium beteiligten Länder sind von openDesk überzeugt. Auch die Schweiz, Tschechien und weitere EU-Nachbarn haben Interesse geäußert.

Bundesregierung hält sich zurück

Die Bundesregierung selbst setzt openDesk bislang kaum ein. Dabei ist gerade die Bundesverwaltung stark von Microsoft-Anwendungen abhängig. Dass der IStGH nun openDesk nutzt, könnte dies ändern. Zumindest zeige der Fall, dass es Lösungen gibt, sagt Sonja Lemke, Sprecherin für Digitale Verwaltung und Open Government der Bundestagsfraktion Die Linke. Sie fordert die Bundesregierung dazu auf, die eigene Verwaltung konsequent flächendeckend auf openDesk umzustellen.

Gleichzeitig mahnt Lemke an, endlich den Beitritt der Länder zum ZenDiS zu ermöglichen. Damit könnten auch die Landes- und kommunalen Verwaltungen openDesk nutzen. Bislang hat der Bund eine Länderbeteiligung nicht zugelassen, obwohl Schleswig-Holstein, Berlin und Thüringen schon im September 2022 Beitrittsgesuche gestellt hatten.

Am Ende würde die Verwaltung auch viel Geld für Lizenzkosten sparen, so Lemke. „Das Auftragsvolumen für das bundeseigene ZenDiS bewegt sich im einstelligen Millionenbereich.“ Für Microsoft-Lizenzen zahlen allein der Deutsche Bundestag sowie sämtliche Ministerien jährlich rund 200 Millionen Euro.



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